»Die Welt, die wir brauchen, werden nicht jene erbauen, die die Welt, die wir haben, stützen.«
Das sagt Daenerys Targaryen, eine der Hauptfiguren der Serie »Game of Thrones«, in der letzten Staffel. Auch wenn sich Daenerys am Ende als ziemliches Scheusal entpuppt, hat sie damit recht.
VERANTWORTUNG
Ich fordere euch auf, euch zurückzuziehen, oder euren Rückzug jetzt vorzubereiten. Überlasst eure Positionen, welche auch immer das sind, jemandem von uns, also jemandem aus der jungen Generation, und nehmt selbst beratende Funktionen im Hintergrund ein. So wäre es angesichts dessen, was die digitale Revolution schon gebracht hat und was sie in Zukunft noch bringen wird, für euch selbst, für uns, für die Gesellschaft und für den ganzen Planeten am besten. Denn ihr habt den Anschluss an den technologischen Wandel, der alle Lebensbereiche durchdringt, verloren.
Ihr benützt eure Handys, seid in den sozialen Medien vertreten, diskutiert über die digitale Zukunft und fordert dafür vielleicht sogar politisch dieses und jenes – eine Digitalisierung der Schulen, mehr Risikokapital für Start-ups. Aber das ist nur Fassade. In Wirklichkeit erkennt ihr die Welt, in der wir, die junge Generation, leben und bestehen müssen, nicht mehr, und schon gar nicht versteht ihr sie. Sie befindet sich für euch hinter Glas, das matter und matter wird, bis ihr kaum noch ihre Umrisse erkennen könnt.
Es gibt Ausnahmen unter euch. Den genialen Silicon-Valley-Ingenieur und Tesla-Gründer Elon Musk zum Beispiel. Er denkt wie wir. Doch das ändert nichts daran, dass ihr fast alle zu einem überholten Modell Mensch geworden seid, das der Zukunft mit seinen Ängsten, Fehleinschätzungen und Verhinderungsstrategien im Weg steht, und das auf viel tiefgreifendere Art veraltet ist, als ihr selbst es befürchtet.
Wer ich bin. Da ihr meine Forderung nach eurem Rückzug wahrscheinlich als Angriff versteht, solltet ihr wissen, wer ich bin. Ich heiße Samuel Koch, bin 25 Jahre alt und habe eine Mission. Sie besteht darin, jungen Menschen unternehmerisches Denken beizubringen.
Unternehmerisch zu denken heißt für mich, sich selbst zu kennen, mit anderen Berechnungen anzustellen, zu führen, geduldig zu sein, die Rolle eines Vorbilds einzunehmen und bereit zu sein, viel zu leisten. Nicht nur Unternehmer, sondern auch Lehrer und leitende Mitarbeiter in Unternehmen oder Beamte können mit dieser Art des Denkens ihre Aufgabe besser bewältigen.
Wir brauchen das unternehmerische Denken, weil uns euer digitales Versagen zwingt, früher und mehr Verantwortung für diesen Planeten zu übernehmen, als alle jungen Generationen vor uns. Deshalb vernetze ich junge Menschen miteinander, arbeite mit ihnen an Geschäftsmodellen und veranstalte Konferenzen für sie.
Ich selbst habe das unternehmerische Denken von meiner Familie. Meinem Vater gehört eine Firma, die bei Technologien für höhenverstellbare Möbel Weltmarktführer ist. Unternehmerisch zu denken ist aber nichts Genetisches. Mein jüngster Bruder ist ein Adoptivkind aus Äthiopien, und auch er denkt so. Es liegt daran, dass viele unserer Gespräche in der Familie und deshalb auch viele unserer Gedanken um unternehmerische Fragen kreisen.
Kurz vor meinem Uni-Abschluss habe ich zudem mit einem Freund ein Start-up gegründet. Unser Produkt ist ein auf Emotion und Spiel basierendes digitales Mitarbeiterfortbildungsprogramm für Unternehmen. Derzeit entwickle ich außerdem eine Universität mit dem Arbeitstitel WizHub, die sich auf Kompetenzen, die in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden, für Menschen zwischen 17 und 35 Jahren konzentriert und die Lücke, die unser Bildungssystem in diesem Bereich hat, schließen soll.
Wie es zwischen euch und uns läuft. Ich erlebe dabei jeden Tag, wie ihr über uns denkt, und ich habe es ziemlich satt. Ihr haltet uns für demotiviert, leistungsfeindlich, politisch uninteressiert und auf unsere Handys fixiert.
Die Wahrheit ist, dass wir nur demotiviert sind, uns in eurer Welt mit euren Maßstäben messen zu lassen, dass wir keine Lust auf eure Vorstellung von Leistung haben, die immer etwas mit Unterordnen und sinnlosen Regeln zu tun hat, dass wir uns zwar für Politik, nicht aber für eure Version davon interessieren, und dass wir ständig an unseren Handys hängen, weil dort die Welt entsteht, in der wir in Zukunft leben werden.
Genauso wenig wie ihr wisst, was ihr mit uns anfangen sollt, wissen wir, was wir mit euch anfangen sollen. Keine der Möglichkeiten, die wir haben, ist befriedigend.
Bei euch nach euren Regeln mitzuspielen macht ungefähr so viel Sinn, wie auf einem sinkenden Fischkutter unter strenger Aufsicht die Planken zu lackieren, statt auf dem modernen Schiff, das gerade für die Fahrt in ein spannendes Abenteuer ablegt, einen guten Platz unter Gleichgesinnten zu finden. Trotzdem verbiegen sich einige von uns für euer System, lassen sich von eurem Denken infizieren und haben am Ende für die Zukunft dieses Planeten so wenig Bedeutung wie ihr selbst. Denn wer alt denkt, der ist alt.
Andere von uns versuchen, möglichst nicht mit euch in Kontakt zu kommen. Sie verschanzen sich in unserer Welt. Wenn ihr dann zum Beispiel eines unserer sozialen Medien infiltriert, wie Facebook, ziehen wir weiter zum nächsten, bis ihr nicht mehr nachkommt. Schließlich hat es schon immer den Spaß verdorben, wenn die Alten zu den Partys der Jungen gekommen sind. Ihr habt auch noch das Problem, dass ihr vierzig für das neue zwanzig und fünfzig für das neue dreißig haltet.
Auch viele der High Potentials unter uns verschanzen sich in unserer Welt, weil sie frustriert einsehen müssen, dass mit euch kaum Pläne oder Geschäfte zu machen sind. Wozu mit jemandem, für den eine Schule noch immer ein Gebäude mit Klassenzimmern, Tafeln und einem hübschen Eingang mit einem würdevollen Namen darüber ist, über eine digitale Akademie sprechen?
Doch die Strategie des Sichverschanzens funktioniert auch nicht. Es entsteht nur eine Enklave glückloser Genies, ein digitaler Elfenbeinturm mit Menschen darin, die zwar Potenzial haben, deren Kreativität aber mangels Möglichkeiten, sie an der Praxis zu erproben, verkümmert. Denn über den Großteil der Ressourcen an Geld, Einfluss und Kontakten, die sie brauchen würden, um von High Potentials zu Highflyern zu werden, verfügt ihr.
Schließlich gibt es noch die unter uns, die auf die Straße gehen. Zum Beispiel im Rahmen von Fridays For Future, um mit der 16-jährigen schwedischen Umweltaktivistin Greta Thunberg im Sinne unserer Zukunft Politiker weltweit von einer mutigen Klimapolitik zu überzeugen.
Diese Strategie ist ebenfalls fragwürdig. Denn ihr findet die Demos für das Klima bloß süß. Ihre Anführer findet ihr sympathisch. Ihr ladet sie in eure Runden ein und präsentiert sie als neue Gesichter in euren alten Medien. Die vermeintlich beschränkte junge Generation kann doch für etwas brennen, denkt ihr und hofft, dass sie als Nächstes doch noch für eure Sache brennt. Hinter Greta Thunberg steht so also auch im Grunde wieder ihr.
Doch wenn ihr unsere Forderungen nicht zügig erfüllt, anstatt sie als Infotainment zu missbrauchen, werden andere kommen. Dann werdet ihr Jugenddemos nicht mehr so gönnerhaft sehen. Denn je klarer uns wird, dass ihr leichtfertig unsere künftigen Lebensräume zerstört und die Ressourcen, die wir für die Entwicklung unserer Zukunft brauchen, zur Erhaltung eurer Vergangenheit vergeudet, desto grimmiger werden bei den Demonstrationen unsere Gesichter sein. Irgendwann werdet ihr Polizeieinheiten mit Helmen, Schildern und Wasserwerfern losschicken und über den Straßen wird Rauch aufsteigen.
Was ich über euch gelernt habe. Ich habe mich schon immer gefragt, was eigentlich los ist mit euch. Was ist, abgesehen von der Erhaltung eurer Komfortzonen, eure Mission? Habt ihr überhaupt eine? Warum bleibt ihr zurück? Warum lasst ihr uns allein? Warum seid ihr so? Wie seid ihr eigentlich? Wie lasst ihr euch noch ändern? Lasst ihr euch überhaupt noch ändern?
Die Antworten auf die meisten dieser Fragen habe ich während meines Zivildienstes im Haus Malta, einem Altenheim der Malteser in Wien, gefunden. Dabei habe ich festgestellt, dass alte Menschen starre Glaubenssätze und Denkmuster haben. Im Umgang mit ihnen gibt es keine andere Möglichkeit, als sich mit diesen Glaubenssätzen und Denkmustern abzufinden.
Vielleicht ärgert euch der Vergleich mit Menschen im Altenheim, doch eure Glaubenssätze und Denkmuster sind schon ziemlich starr. Dass ihr euch trotzdem noch jung fühlt, liegt nicht etwa an einem zweiten