„Kann’s losgehen?“, fragte er.
„Bringt ihn rein“, befahl der Bärtige.
Der Glatzkopf sprang aus dem Wagen und drehte sich zum Führerhaus um. Ein zweiter Mann, genauso kahlköpfig, packte dort einen dritten, der auf dem mittleren Sitz in sich zusammengesunken lag, vorne am Hemd und zerrte ihn unsanft in eine sitzende Position.
„Der Kerl ist noch total weggetreten“, stellte er fest.
„Ich hoffe, er kommt schnell zu sich“, äußerte der Bärtige, „sonst kann es Ärger geben.“
„Keine Sorge, ein paar aufmunternde Worte und er ist wieder topfit.“ Er lachte keckernd.
Die beiden packten den schlanken, dunkelhaarigen, etwa ein Meter achtzig großen Mann an den Armen und zerrten ihn aus dem Sprinter. Einer schlug die Schiebetür zu, dann nahmen sie den Mann zwischen sich und betraten den Gang in Richtung Kellerraum. Drinnen schleppten sie den betäubten Mann zu dem Stuhl.
„Zieht ihn aus!“, befahl der Bärtige. Ohne Zögern riss ihm der eine die Kleidung vom Leib, während ihn der andere festhielt.
„Anbinden!“
Die beiden Kahlköpfe setzten ihn jetzt richtig auf den Stuhl und führten den breiten Gurt über seine Brust, damit er nicht vom Sitz herunterrutschen konnte. Seine Hände gurteten sie an den Armlehnen fest, seine Unterschenkel an den Stuhlbeinen. Während der ganzen Prozedur hing ihm der Kopf haltlos auf die Brust, aus seinem Mund lief Speichel.
„Was jetzt?“, wollte einer der Glatzköpfe wissen.
„Wir wecken ihn auf!“, erwiderte der Bärtige. „So kann Mustafa al-Asmani jedenfalls nichts mit ihm anfangen.“ Er stellte sich vor den Gefangenen und gab ihm ein paar klatschende Ohrfeigen. Sein Kopf pendelte dabei haltlos hin und her und aus seinem Mund kam halblaut ein weinerlicher Ton, ansonsten veränderte sich nichts. Der Bärtige zuckte mit den Schultern. Das war ziemlich sinnlos.
Er trat an die andere Seitenwand und öffnete eine Klappe. Auch hier öffnete sich die Wand auf Knopfdruck, fuhr nach oben und gab eine Nische frei. Der Bärtige zog einen kleineren Tisch und verschiedene Gerätekonsolen heraus, von denen Stromkabel abgingen. Als die beiden Kahlköpfe die Utensilien sahen, wurden sie ganz unruhig. Der Bärtige bemerkte es und zeigte ein böses Lächeln.
„Macht euch nicht in die Hosen!“, bemerkte er bissig. „Das ist nicht für euch bestimmt. Ihr könnt euch verpissen! Bleibt aber telefonisch erreichbar, es kann sein, dass Ihr heute noch einen weiteren Transport durchführen müsst.“ Er warf dem Mann auf dem Stuhl einen bezeichnenden Blick zu. Das ließen sich die beiden nicht zweimal sagen.
Der Bärtige prüfte den Puls des Gefangenen. Er raste regelrecht. Seine medizinischen Kenntnisse sagten ihm, hier musste gegengesteuert werden, sonst bestand die Gefahr eines Herzinfarkts. Die beiden Kerle hatten dem Mann offenbar eine ziemlich hohe Dosis des Narkotikums verabreicht, um zu verhindern, dass er ihnen während der Fahrt Schwierigkeiten machte. Er öffnete einen Kühlschrank und entnahm ihm eine verschweißte Packung einer Einwegspritze. Er durchstieß mit der Nadel die Alumembran einer Medikamentenflasche und zog den Kolben der Spritze hoch, bis die Kammer zur Hälfte gefüllt war. Das müsste reichen, dachte er, dann trat er an die Seite des Gefangenen. Als er den Oberarm mit einem Desinfektionsmittel besprühte, musste er leise lachen. Der Mann würde sicher nicht mehr so lange leben, dass er von dem Einstich eine Infektion bekommen könnte. Er drückte den Kolben ganz herunter, dann zog er die Nadel heraus und wischte flüchtig mit dem Tupfer über die Einstichstelle. Die Wirkung setzte relativ schnell ein. Langsam richtete sich der Mann auf und hob den Kopf. Sein trüber Blick klärte sich und er musterte mit erstaunten Augen seine Umgebung. Aus seinem Mund kam ein heiseres Krächzen.
„Na, ausgeschlafen?“ Der Bärtige stelle sich direkt vor ihn, packte ihn an den Haaren und sah ihm direkt in die Augen. „Willkommen in der Hölle!“
Jetzt bemerkte der Gefangene, dass er nackt und gefesselt war, und begann panisch an den Gurten zu zerren. Der Bärtige ließ die Haare des Mannes los und gab ihm eine schallende Ohrfeige. „Lass das, sonst wird es sofort unerfreulich für dich!“ Er sprach dabei ganz ruhig, als würde er ein paar Sätze über die aktuelle Wetterlage äußern.
„Was ist …?“, lallte der Mann auf dem Stuhl. „Wo bin ich hier?“
„Das wirst du schon noch früh genug erfahren“, erklärte der Bärtige emotionslos. Er musterte den Gefangenen kurz. Es würde noch einen Moment dauern, bis er wieder voll da war. Ohne eine Erklärung abzugeben, verließ er den Raum und betrat die Tiefgarage. Sie war technisch so ausgestattet, dass man hier Funkempfang hatte. Die Zielnummer war als Kurzwahl auf seinem Handy eingespeichert. Es dauerte zwei Klingeltöne, ehe die Gegenstelle abnahm.
„Hier Jamal“, meldete er sich, „es ist alles vorbereitet.“
Die Antwort war knapp. Langsam schlenderte der Bärtige zurück. Auf dem Weg dahin holte er aus dem angrenzenden Kellerraum einen bequemen Campingstuhl. Der Gefangene saß mittlerweile mit klarem Blick auf dem Stuhl und sah Jamal ängstlich entgegen. Anscheinend begann er langsam seine Situation zu begreifen, wusste aber nicht, wo er war und mit wem er es zu tun hatte. Jamal stellte den Stuhl vor dem Mann auf. Dann machte er einige Schritt in den Raum hinein, so dass er hinter dem Gefangenen zu stehen kam. Jetzt konnte der ihn nicht mehr sehen. Eine stressige Situation, da er die Bedrohung hinter sich fühlte, aber nicht erkennen konnte, was sein Bewacher machte. Ständig drehte er den Kopf, aber Jamal stand im toten Winkel. Er begann zu zittern.
Wenig später öffnete sich die Tür und Mustafa al-Asmani betrat langsam den Raum. Als der Gefangene den Clan-Chef erkannte, erschrak er zutiefst. Mustafa al-Asmani fixierte den nackten Mann einige Zeit. Ohne Gemütsbewegung registrierte er jede Reaktion des Gefangenen. Schließlich trat er noch immer wortlos einige Schritte nach vorne und ließ sich in den Campingstuhl fallen.
„Du weißt, wer ich bin?“, fragte er auf Arabisch.
Der Gefangene nickte. „Ja, Ya Sayyid, Herr.“ Er antwortete automatisch in derselben Sprache.
„Du bist Fahdi, der Sohn meines verstorbenen Cousins aus dem Norden Syriens, wie man mir sagte.“
Der Gefangene nickte erneut.
„Gib eine respektvolle Antwort!“, kam Jamals Stimme scharf aus dem Hintergrund, garniert mit einem Schlag. Der Gefangene zuckte zusammen.
„Ja, Ya Sayyid.“, beeilte er sich zu antworten.
„Du bist 2015 mit dem großen Flüchtlingstreck nach Deutschland gekommen und wurdest von meinem ältesten Sohn Malik in seine Familie aufgenommen, da dein Vater und seine Familie von dem Henker in Damaskus getötet wurden.“
„Ja, Ya Sayyid.“
„Malik hat dir Essen, Kleidung und eine neue Familie gegeben. Er gab dir Arbeit und die Möglichkeit, viel Geld zu verdienen, damit du auf eigenen Füßen stehen kannst. Du hast eine schöne Wohnung, ein teures Auto und viel Spaß mit Frauen, die man für Geld kaufen kann. Mein Sohn hat dich ins Vertrauen gezogen und mit dir über Geschäftsgeheimnisse gesprochen, was er nicht hätte tun sollen.“
„Ja, Ya Sayyid.“, antwortete er leise.
Al-Asmani sah ihn lange an, dann fuhr er fort: „Kannst du mir dann sagen, weshalb du dich dann von der al-Hilabar-Familie bezahlen lässt, um unsere Geschäfte zu verraten? Um uns, deinen Wohltätern, zu schaden?“
„Herr, das habe ich nicht getan! Ich schwöre bei Allah und sämtlichen Propheten, dass ich das nicht getan habe!“ Seine flehende Stimme überschlug sich.
Al-Asmani schüttelte bedauernd den Kopf. „Du solltest nicht solche frevelhaften Schwüre ausstoßen. Du bist ein Lügner und wirst in der tiefsten Hölle brennen. Du solltest deine Seele erleichtern und ein Geständnis ablegen. Jamal, mein Sohn, ist ein Spezialist auf dem Gebiet dieser Art der Befragung. Je schneller du redest, desto leichter wird dein Tod sein. Das solltest du bedenken. Ich will wissen, was du genau Safar verraten hast. Wir haben demnächst, wie du von Malik erfahren hast, ein großes