"numquam abrogata"?. Christian Binder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Binder
Издательство: Bookwire
Серия: Mainzer Beiträge zum Kirchen- und Religionsrecht
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783429063047
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receptio legis beinhalten wird, andererseits die Haltung von Papst Franziskus zur alten Messe anhand seines Apostolischen Schreibens Evangelii Gaudium beleuchten soll. Am Ende der Arbeit soll ein Gesamtfazit der zuvor behandelten Aspekte und Theorien gezogen werden.

      1 Vgl. Benedikt XVI., Apostolisches Schreiben Motu Proprio Summorum Pontificum vom 7. Juli 2007, in: AfkKR 176 (2007), 519-525.

      2 Vgl. ebd., 521.

      3 Benedikt XVI., Litterae apostolicae. «Motu proprio» datae. De usu extraordinario antiquae formae Ritus Romani, in: AAS 99 (2007), 779.

      4 Benedikt XVI., Brief des Heiligen Vaters Papst Benedikt XVI. an die Bischöfe anlässlich der Publikation des Apostolischen Schreibens Motu Proprio Summorum Pontificum über die römische Liturgie in ihrer Gestalt vor der 1970 durchgeführten Reform vom 7. Juli 2007, in: AfkKR 176 (2007), 526.

      Kapitel 1: Das Motu Proprio Summorum Pontificum

      Das Motu Proprio beginnt mit der grundlegenden Feststellung, dass

       „die Sorge der Päpste […] es bis zur heutigen Zeit stets gewesen [sei], dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt, „zum Lob und Ruhm Seines Namens“ und „zum Segen für Seine ganze heilige Kirche.““ 5

      Es sei also der Grundsatz zu wahren, dass von jeder Teilkirche die gemäß der Überlieferung empfangenen Gebräuche eingehalten werden, um eine unversehrte Weitergabe des Glaubens zu ermöglichen – das Gesetz des Betens (lex orandi) der Kirche entspreche ihrem Gesetz des Glaubens (lex credendi)6. Es folgt ein geschichtlicher Abriss mitsamt der Erwähnung der Päpste, die nach Ansicht Papst Benedikts XVI. eine derartige Sorge walten ließen. Dieser beginnt bei Gregor dem Großen, der die in Rom gefeierte Form der heiligen Liturgie festgelegt und bewahrt habe, führt weiter über Pius V., der „den ganzen Kult der Kirche erneuerte“ und die Päpste der folgenden Jahrhunderte, die sich um eine „Erneuerung oder […] Festlegung der liturgischen Riten und Bücher bemühten“. Das Zweite Vatikanische Konzil habe schließlich „den Wunsch zum Ausdruck [gebracht], dass die gebotene Achtsamkeit und Ehrfurcht gegenüber dem Gottesdienst wiederhergestellt und den Erfordernissen unserer Zeit angepasst werden sollte.“7 Papst Paul VI. habe dann – von diesem Wunsch des Konzils geleitet – „die reformierten und zum Teil erneuerten liturgischen Bücher im Jahr 1970 für die lateinische Kirche approbiert.“8 In der Folge sei jedoch der Umstand in den Vordergrund gerückt, dass „in manchen Gegenden nicht wenige Gläubige den früheren liturgischen Formen [anhingen]“. „Geleitet von der Hirtensorge für diese Gläubigen“ habe Papst Johannes Paul II. im Jahr 1984 mit dem Indult Quattuor abhinc annos bereits eine Vollmacht zum Gebrauch des Römischen Messbuchs von 1962 erteilt und seine dementsprechenden Absichten mittels des Motu Proprio Ecclesia Dei im Jahr 1988 nochmals betont9. „Die inständigen Bitten dieser Gläubigen“, die den früheren liturgischen Formen weiterhin anhängen, seien nun auch der Auslöser für die folgenden Bestimmungen dieses Apostolischen Schreibens. Papst Benedikt XVI. legt nun zuallererst fest, dass das „von Paul VI. promulgierte Römische Messbuch […] die ordentliche Ausdrucksform der Lex orandi der katholischen Kirche des lateinischen Ritus“ sein soll, während „das vom heiligen Pius V. promulgierte und vom seligen Johannes XXIII. neu herausgegebene Römische Messbuch [… ] außerordentliche Ausdrucksform derselben Lex orandi der Kirche“ sein soll. Es soll nun also zwei Anwendungsformen des „einen Römischen Ritus“ geben, ohne eine Spaltung der Lex credendi der Kirche herbeizuführen10.

      Nun folgt die für diese Arbeit grundlegende Formulierung: Benedikt XVI. erlaubt es, „das Messopfer nach der vom seligen Johannes XXIII. promulgierten und niemals abgeschafften Editio typica des Römischen Messbuchs als außerordentliche Form der Liturgie der Kirche zu feiern“. Die Messe von 1962 wird an dieser Stelle also als „niemals abgeschafft“11 – im Lateinischen: numquam abrogata12 – bezeichnet. Im darauf folgenden Teil des Motu Proprio verweist Benedikt XVI. darauf, dass die durch die vorangegangenen Dokumente Quattuor abhinc annos und Ecclesia Dei aufgestellten Bedingungen für den Gebrauch des Missale von 1962 folgendermaßen ersetzt werden13: Jeder katholische Priester des lateinischen Ritus hat nun das Recht selbst zu entscheiden, ob er in Messen ohne Volk das alte oder das neue Missale gebraucht – eine diesbezügliche Erlaubnis vom Apostolischen Stuhl oder vom jeweiligen Ordinarius ist nicht mehr erforderlich14. Ebenso erhalten nun die Gemeinschaften der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften des apostolischen Lebens das Recht, zwischen den beiden Formen der Messe frei zu wählen15. Die relevanteste Neuregelung bezieht sich jedoch auf die Feier der Messe mit Gemeinde:

       „In Pfarreien, wo eine Gruppe von Gläubigen, die der früheren liturgischen Tradition anhängen, dauerhaft existiert, hat der Pfarrer deren Bitten, die heilige Messe nach dem im Jahr 1962 herausgegebenen Römischen Messbuch zu feiern, bereitwillig aufzunehmen.“ 16

      Die Feier der alten Messe kann hierbei sowohl an den Werktagen, als auch an Sonntagen und Festen stattfinden – ebenso zu besonderen Gelegenheiten, wie etwa Trauungen und Begräbnisfeiern. Priester, die die alte Form der Messe feiern, müssen dazu jedoch geeignet sein. Sollte ein Pfarrer der Bitte von Laien nach der Feier der Messe von 1962 nicht entsprechen, soll der Diözesanbischof in Kenntnis gesetzt werden und – falls auch dieser dem Wunsch der Laien nicht entsprechen sollte – soll dies der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei mitgeteilt werden17. Pfarrer können nun – aber müssen nicht – „die Erlaubnis geben, dass bei der Spendung der Sakramente der Taufe, der Ehe, der Buße und der Krankensalbung das ältere Rituale verwendet wird, wenn das Heil der Seelen dies nahelegt“. Die gleiche Regelung gilt für Bischöfe bei dem Sakrament der Firmung. Nicht zuletzt erhalten Priester und Diakone das Recht, das Römische Brevier des Jahres 1962 zu gebrauchen18.

      Die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei erhält die Aufgabe, über die Beachtung und Anwendungen dieses Motu Proprio zu wachen. In Kraft treten sollen diese Bestimmungen zum 14. September 200719. Kurz zusammengefasst stellt Papst Benedikt XVI. mittels der Bestimmungen des Motu Proprio Summorum Pontificum die im Jahr 1962 bestehenden liturgischen Formen der Riten – insbesondere auch die Form der Messe von 1962 – mit den nachfolgenden weitestgehend gleich.

      5 Benedikt XVI., Apostolisches Schreiben Motu Proprio Summorum Pontificum, 519.

      6 Vgl. ebd., 519f.

      7 Ebd., 520.

      8 Ebd., 520f.

      9 Vgl. ebd.

      10 Vgl. ebd., 521.

      11 Ebd.

      12 Benedikt XVI., Litterae apostolicae. «Motu proprio» datae. De usu extraordinario antiquae formae Ritus Romani, in: AAS 99 (2007), 779.

      13 Vgl. Benedikt XVI., Apostolisches Schreiben Motu Proprio Summorum Pontificum, 521f.

      14 Vgl. ebd., 522.

      15 Vgl. ebd., 522.

      16 Ebd.

      17 Vgl. ebd., 523.

      18 Vgl. ebd., 524.

      19 Vgl. ebd.

      Kapitel 2: Überblick über den Forschungsstand

      Trotz der enormen innerkirchlichen Wichtigkeit der Thematik und der Aktualität von Summorum Pontificum ist die Anzahl der Publikationen, die sich um eine genauere Beleuchtung der numquam abrogata-Formulierung Benedikts XVI. bemühen, äußerst übersichtlich. Selbst eine Publikation wie Anselm J. Gribbins Buch „Pope Benedict XVI and the liturgy“ aus dem Jahr 2010, die sich explizit den liturgischen Entwicklungen unter Papst Benedikt XVI. – darunter auch Summorum Pontificum – widmet, erwähnt jene strittige Formulierung eher am Rande und versucht erst gar nicht, diese zu erklären20. Auch das im Jahr 2008 von Albert Gerhards herausgegebene Buch „Ein Ritus – zwei Formen“, das die Bestimmungen des Motu Proprio Summorum Pontificum beleuchtet, bietet keine Lösungsansätze für die Behauptung einer niemals abgeschafften