Wie wichtig, ja allem Anschein nach beinahe unentbehrlich Huber für Steichele schließlich geworden war, zeigte sich Ende 1883, als jener infolge zunehmender gesundheitlicher Probleme einen längeren Kuraufenthalt antreten sollte. „Ich habe sichere Beweise, daß dem R[everendissi]mus meine Abreise sehr unlieb wäre, u. deßhalb käme es mich auch schwer an. Bei d. Kirchweihe in Rosenheim Anfangs Oktober gab es z. B. Champagner, der mir nicht blos gut mundete, sondern auch für meinen ‚Zustand’ sehr zuträglich war. Auf das hin hat er nach der Rückkehr 3 Flaschen spendirt, was viel heißen will. Als ich dann später vom Arzt mich untersuchen ließ, wovon Abreise oder Nicht-Abreise abhing, u. dann meldete, vorläufig brauche ich nicht abzureisen, bekundete er darüber eine so ungekünstelte Freude, daß sie nothwendig vom Herzen kommen mußte. Abgesehen von seinem theilnahmsvollen Benehmen gegen mich hat er auch Andern gegenüber, die es mir wieder erzählten, seither wiederholt die Besorgniß geäußert, ich möchte abreisen müssen. Darum werden Sie es mir nicht verargen, wenn ich mich nur schwer dazu entschließen könnte“, bemerkte Huber anschließend gegenüber Steinhuber38.
In der Folgezeit kam der Erzbischöfliche Sekretär in seinen Briefen an Steinhuber nicht mehr näher auf seinen Oberhirten zu sprechen, sieht man von einigen Äußerungen zu der wiederholt geplanten, letztlich aus diversen Gründen jedoch nicht zustande gekommenen Reise in die Ewige Stadt ab. Möglicherweise hatten sich die beiden nach ihrer konstruktiven, in aller Offenheit geführten Aussprache Ende 1882 derart gut arrangiert, dass sie fortan, bis zu Hubers frühzeitigem Ableben knapp vier Jahre später39, ohne nennenswerte Differenzen und Probleme miteinander auskommen konnten.
Wie dem auch sei, die hier wiedergegebenen, allesamt aus persönlichen Eindrücken, Erfahrungen und Erlebnissen resultierenden Schilderungen seines engsten Mitarbeiters liefern ohne Zweifel wertvolle, bislang so nicht bekannte Aufschlüsse über den vierten Erzbischof von München und Freising.
1 Zu Steichele (1816-1889), von 1847/48 bis 1873 Domkapitular, von 1873 bis 1878 Dompropst in Augsburg, dann Erzbischof von München und Freising: A. Landersdorfer, Antonius von Steichele (1816-1889), in: Weitlauff, M. (Hg.), Lebensbilder aus dem Bistum Augsburg. Vom Mittelalter bis in die neueste Zeit (Jahrbuch des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte 39), Augsburg 2005, 323-338 (mit Literaturhinweisen).
2 Zu Scherr (1804-1877), von 1840 bis 1856 Abt von Metten, dann Erzbischof von München und Freising: A. Landersdorfer, Gregor von Scherr (1804-1877). Erzbischof von München und Freising in der Zeit des Ersten Vatikanums und des Kulturkampfes, München 1995.
3 Zu Huber: Dr. Johann Baptist Huber (Abriß eines Priesterlebens.), in: Beilage zum Amtsblatt für die Erzdiöcese München und Freising, Nr. 1, 25. Januar 1888, 1-16; Nr. 2, 21. Februar 1888, 17-34; abgedruckt auch in: Licht- und Lebensbilder des Clerus aus der Erzdiöcese München-Freising (1840-1890), zusammengestellt von Ernest Zeller, München 1892, 215-248. – J. Speigl, Die Münchner Germaniker zur Zeit des Vatikanums. Versuch einer Darstellung nach ihren Briefen ins Kolleg, in: Korrespondenzblatt für die Alumnen des Collegium Germanicum et Hungaricum, Mai 1957, 1-24, hier: 5, 18-24. – A. Landersdorfer, Johann Baptist Huber (1842-1886) – vom Mettener Absolventen und Konzilsstenographen zum Erzbischöflichen Sekretär und Domkapitular in München, in: Alt und Jung Metten 78, Heft 1 (2011/12) 64-77.
4 Zur Geschichte des Germanikums: A. Steinhuber, Geschichte des Kollegium Germanikum Hungarikum in Rom, 2 Bde., Freiburg i. Br. 21906; P. Schmidt, Das Collegium Germanicum in Rom und die Germaniker. Zur Funktion eines römischen Ausländerseminars (1552–1914), Tübingen 1984.
5 Zum Römischen Kolleg, heute Päpstliche Universität Gregoriana: G. Martina, Art. Gregoriana, in: LThK 4, Freiburg 31995, 1029f.
6 Grundlegend zum Ersten Vatikanum (1869/70): K. Schatz, Vaticanum I (1869/70), 3 Bde., Paderborn-München-Wien-Zürich 1992-1994.
7 Siehe dazu: K. Hausberger, Auf Konfrontation zur Katholischen Kirche. Der Kulturkampf in Bayern, in: Bonk, S. / Schmid, P. (Hg.), Königreich Bayern. Facetten bayerischer Geschichte 1806-1919, Regensburg 2005, 119-137, hier 128.
8 Zu Steinhuber (1825-1907), geb. in Uttlau (Bistum Passau), von 1867 bis 1880 Besuch des Germanikums, später Kurienkardinal und Präfekt der Indexkongregation: H. H. Schwedt, Prosopographie von Römischer Inquisition und Indexkongregation 1814-1917, L-Z, Paderborn u. a. 2005, 1415-1418.
9 Die Briefe befinden sich im Archiv des Pontificium Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom (ACGU Bf. 19, Huber Joh.) und werden vom Verfasser dieses Beitrages demnächst im vollen Wortlaut ediert. – Weitere Schreiben richtete Huber zudem an seinen ehemaligen Spiritual P. Franz Xaver Huber SJ (1801-1871) sowie an seine „Mitbrüder“ in Rom.
10 Siehe dazu: A. Landersdorfer, Gregor von Scherr, 506f, 512f.
11 Zu den wörtlichen Zitaten siehe die Briefe Hubers an Steinhuber vom 7. Januar 1873, 21. November 1877 und 31. Januar 1879. ACGU Bf. 19, Huber Joh. – Sonstige Aussagen Hubers über Scherr finden sich bei A. Landersdorfer, Gregor von Scherr, 506f, 512f.
12 Zu Lutz (1826-1890), von 1869 bis 1890 Minister des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten, von 1880 bis 1890 Vorsitzender im Ministerrat: W. Grasser, Johann Freiherr von Lutz (eine politische Biographie) 1826-1890, München 1967.
13 Dr. Michael Rampf. – Zu Rampf (1825-1901), seit 1864 Domkapitular, von 1874 bis 1889 Generalvikar in München, dann Bischof von Passau: F. X. Bauer, Das Bistum Passau unter Bischof Dr. Michael von Rampf (1889-1901), Passau 1997.
14 Huber an Steinhuber, München, 8. Juli 1878. ACGU Bf. 19, Huber Joh.
15 Huber an Steinhuber, München, 27. November 1878. ACGU Bf. 19, Huber Joh.
16 Generalien-Sammlung der Erzdiöcese München und Freising, IV: Die oberhirtlichen Verordnungen und allgemeinen Erlasse vom 16. September 1878 bis 10. März 1890, München 1890, 5-11, hier 10.