Erst viel später wird Teresa ein hübsches Bild für dieses Sich-immer-mehr-in-Ihn-Versenken finden: die sieben Wohnungen der Inneren Burg, in dessen Zentrum Er, Gott, wie ein liebender Bräutigam die Seele als Seine Braut erwartet. Erst dann ist sie wirklich angekommen, wird sie in Ihn selber verwandelt, wird sie zu Teresa de Jesús, was so viel bedeutet wie ganz die Seinige.
1554: Bekehrungserlebnis vor einer mit Wunden übersäten Christusstatue
Da geschieht 1554 etwas Unerwartetes: Vor einem Bild Christi, das ihn als Schmerzensmann zeigt („ante un Cristo muy llagado“), wird Teresa angerührt, aufgewühlt, bis sie, in Tränen aufgelöst, sich vor ihm niederwirft und gelobt, von nun an nur noch Ihm zu leben. Dieses Erlebnis einer Konversion wird der Beginn eines völlig neuen Weges radikaler Selbstaufgabe, der sie in ungeahnte Höhen mystischer Vereinigung führen sollte. Immer wieder ist Gott selbst derjenige, der die Initiative ergreift. Teresas „Ant-Wort“ ist sie selbst, die Hingabe ihrer Kräfte, ihrer Zeit und vor allem ihres feurigen, liebesbedürftigen Herzens.
Was die Heilige ab jetzt allein interessiert, ist nicht, uns ihr äußeres Leben zu erzählen, sondern Gottes Handeln in ihm zu veranschaulichen.
Fortan ist es nur allzu konsequent, dass sie nach Mitteln und Wegen sucht, diese ihre innere Erfahrung auch den anderen – zunächst den sie umgebenden Mitschwestern – mitzuteilen. Dies ist der eigentliche Antrieb all ihres Schreibens und ihrer Reformpläne, die sie trotz aller Widerstände und Strapazen mit der Gründung von insgesamt 18 Reformklöstern verwirklicht.
Ihr ganzes Leben lang – besonders aber auf dem Höhepunkt ihrer rastlosen Gründungsaktivitäten – wird Teresa bestimmt von jener „unaussprechlich“ (ineffabile) zu nennenden Erfahrung einer innigen, intimen Freundschaft mit Gott, den sie in ihrem Innern, aber auch in Menschen und Situationen erfährt. Sie erlebt seine Menschheit und Nähe in einer wachsenden Vertrautheit. Gleichzeitig beklagt sie ihre eigene Armseligkeit und Sein Anderssein. Und so geht es Teresa wie allen Mystikern: Sie ringt um den Ausdruck des Unerhörten, das ihr widerfährt. In Wort und Schrift – auf Geheiß und im Gehorsam gegen ihre Beichtväter – lässt sie ihre damaligen und uns heutige Leser teilhaben an jener Erfahrung in einem Gesamtwerk, das zum Schönsten der spanischen Literatur zählt und das uns heute in verschiedenen Ausgaben – und in unzählige Sprachen übersetzt – erhalten ist.
Christus wird immer mehr zum „liebenden Antlitz Gottes“ für Teresa
Auf diese Weise konkretisiert sich ihre Gotteserfahrung in einer Erfahrung der Gegenwart Christi. Gott zeigt sich ihr mit einem menschlichen Antlitz. In den Kapiteln 27 und 28 ihrer Autobiographie beschreibt Teresa die sogenannten christologischen Visionen. Deren erste ereignete sich 1559 und ist eine intellektuelle Vision, in welcher sie Christus als gegenwärtig erfährt; sie spürt Ihn „an ihrer rechten Seite“, „neben mir“, aber gleichzeitig ist Er in ihrem Inneren präsent und spricht zu ihr ohne Worte: „Der Herr legt das, was er möchte, dass es die Seele verstehe, in das tiefste Innere der Seele hinein …“ (V 27,6). (Hier haben wir eine weitere Anspielung auf das spätere große Thema der Seelenburg!)
Insgesamt vermittelt uns Teresa wenig „äußere Daten“ in ihren Hauptwerken, aber unzählige über das, was sich in ihrem Inneren abspielt. Das Faszinierende ist, dass Gott immer und immer wieder die Initiative ergreift und dass Teresa ein Leben lang um Antwort ringt. Erst als Teresa 1554, dem Jahr ihrer „Konversion“, nach und nach den Blick nach innen und auf Ihn richtet, erfüllt sich endgültig dieser Hang zum Großen, Nie-da-Gewesenen, der sie bereits als Kind erfüllt hatte – aber auf völlig andere Weise: Sie lässt sich ein auf das Wagnis, das „Gott“ heißt.
Eingetaucht in die Abgründe mystischen Geschehens, wird sie gleichzeitig zu höchster Aktivität getrieben, wenn wir neben den aufreibenden Klostergründungen, über die noch zu berichten ist, ihre mystischen Schriften und die stattliche Zahl von ca. 25 000 Briefen in Betracht ziehen. Man kann sagen, Teresa sei eine „inkarnierte Kommunikation“ zwischen Gott und den Menschen gewesen.
Und dennoch ist dies keine – heute so weit verbreitete – Sucht nach narzisstischer Selbstbespiegelung; sondern eine im Raum der Kirche verankerte Gotteserfahrung. Die dialogische Struktur dieser Erfahrung gibt ihr gleicherweise Demut wie Sicherheit, birgt ständig das Risiko des Missverstandenwerdens, schenkt aber auch Geborgenheit. Sie spricht mit ihren geistlichen Beratern, sie vertraut sich immer wieder auch der amtlichen Kirche an, und schließlich schreibt sie – auch ihr Schreiben bleibt Gespräch – für ihre Mitschwestern. Der Dialogpartner schlechthin aber ist „Seine Majestät“, wie sie Gott liebevoll-ehrfürchtig nennt. Jetzt ist sie auch bereit, die vielzitierte „honra“, die Ehre, aufs Spiel zu setzen, denn nunmehr gelten neue Wertmaßstäbe.
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