Teresa, die spätere Meisterin der Analyse geistlichen Geschehens, spürt sehr wohl die „Abkühlung“ des ersten jugendlichen Elans ihrer Hinwendung zu Gott, „sodass meine guten Vorsätze lau wurden“ (V 2,1). Fortan ist sie auf Schönheit und weltliche Vergnügungen bedacht und gibt sich allerlei Zeitvertreib hin. „Ich begann, aufwändige Kleider zu tragen und wollte durch mein Aussehen gefallen, wobei ich viel Sorgfalt auf meine Hände und Haare verwendete, mit Parfum und allerlei Schnickschnack, was ich so auftreiben konnte – und das war einiges, denn ich war sehr eitel. Dabei war meine Absicht nicht schlecht und ich wollte keinesfalls, dass jemand meinetwegen Gott beleidigte. Diese große Eitelkeit, mich zu sehr herauszuputzen, und anderes Gebaren, das mir keineswegs als Sünde vorkam, hielt über Jahre an. Heute sehe ich ein, wie verkehrt das alles gewesen sein muss“ (V 2,2).
Als sie beginnt, ihre „weiblichen Reize“ – die nach ihrer eigenen Aussage „zahlreich waren“ – zu entdecken, steht sie immer mehr im Mittelpunkt des Interesses ihrer gleichaltrigen und älteren Cousins. „Auch hatte ich ein paar Cousins – denn andere kamen bei uns gar nicht ins Haus, weil mein Vater da sehr streng war – und hätte es Gott doch gefallen, dass er es auch mit diesen gewesen wäre! (…) Sie (meine Vettern) waren fast in meinem Alter, ein wenig älter als ich. Wir steckten andauernd zusammen. Sie hatten mich sehr gern; und ich unterhielt sie mit allem, was ihnen Spaß machte, und hörte ihnen zu, wenn sie von ihren so gar nicht erbaulichen Liebeleien und Kindereien erzählten. Und was noch schlimmer war: Meine Seele ließ sich auf das ein, was der Grund für ihre ganze Verderbtheit war“ (V 2,2).
Teresa selbst analysiert hier sehr präzise die „Gefahren“, bei diesen „Spielchen“ eventuell ihre „Ehre“ zu verlieren, und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Das Bewahren der Ehre ist ein absolutes „Muss“ für die Gesellschaft des spanischen 16. Jahrhunderts. Und so begibt Teresa sich auf eine andauernde „Gratwanderung“, wie sie uns selbst berichtet: „Diese Furcht gab mir die Kraft, meinen guten Ruf nicht ganz zu verlieren, und ich glaube, ich hätte mich durch nichts auf der Welt hiervon abbringen lassen, noch hätte die Liebe zu einem Menschen mich dazu verführt, in diesem Punkt nachzugeben“ (V 2,3).
Dennoch gelingt es einer „Verwandten“, die es mit dem „guten Ruf“ nicht allzu genau nimmt, Teresa in die Scheinwelt des galanten Zeitvertreibs, der Tändeleien und „Liebeleien“ einzuführen; „dafür nahm ich alles, was mir schadete, von einer Verwandten an, die oft in unserem Hause verkehrte. Sie pflegte so leichtfertigen Umgang, dass meine Mutter alles darangesetzt hatte, sie von unserem Haus fernzuhalten (V 2,3).
Teresa differenziert auch in der Folge ihres Berichts schonungslos: „Später, nachdem diese Furcht ganz weg war, blieb mir nur noch die um mein Ansehen, die mich bei allem, was ich tat, in Qual versetzte. In der Hoffnung, dass es nicht bekannt würde, wagte ich vieles, was gegen mein Ansehen und auch gegen Gott gerichtet war (V 2,5). Teresas „Scharfsinn“ erspäht alle Gelegenheiten, ihrem „riskanten Zeitvertreib“ nachzugehen, und es scheint dann auch eine erste Liebe ins Spiel zu kommen, sodass Teresa erwägt, das Ganze der normalen Lösung in einer Ehe zuzuführen.
Erneute Wende und „Zwischenstation“ bei den Augustinerinnen
Eben wegen jenes „riskanten Zeitvertreibs“ sieht ihr Vater sich schließlich genötigt, seine 17-jährige bildhübsche und geistreiche Tochter in das Kloster der Augustinerinnen, ein Stift für adelige junge Mädchen, zu stecken, wo Teresa durch ihr gewinnendes Wesen sogleich die Herzen erobert und sich ihre bislang ausgeprägte Abneigung gegen den Ordensstand mindert.
Eine besondere Rolle kommt hierbei der dortigen Leiterin, Doña María de Briceño, zu, einer hochgebildeten, feinsinnigen und frommen Ordensfrau, die es versteht, Teresas unruhigen Geist zu führen und ihr verschüttetes Interesse für „die ewigen Dinge“ wieder zu erwecken: „Als ich an der guten und frommen Unterhaltung mit dieser Schwester zunehmend Gefallen fand, freute es mich zu hören, wie gut sie von Gott sprach“ (V 3). Noch als reife Frau erinnert Teresa sich daran, dass für die Berufung der besagten Klosterfrau das Matthäus-Zitat „Viele sind berufen, wenige aber auserwählt“ (Mt 20,16) ausschlaggebend gewesen war (V 3,1).
Gott rückt wieder mehr in den Mittelpunkt von Teresas Denken und Beten. Während sie sich zunächst mit dem mündlichen Beten begnügt, einem Beten mit vorgegebenen Worten, taucht erneut ein Thema auf, das sie fortan lebenslang begleiten wird: Sie wendet sich in der Meditation dem leidenden Herrn zu, um ihn in seiner Not zu trösten.
Es beginnt eine dreimonatige harte Zeit der „Güterabwägung“: Ehe gegen Klostereintritt – wobei sie wiederum beinahe „knallhart“ kalkuliert, wenn sie gesteht: „In diesem Kampf verbrachte ich drei Monate, wobei ich mir mit folgender Argumentation Zwang antat: dass die Härten und die Qual eines Lebens im Kloster nicht größer sein könnten als die des Fegefeuers, dass ich aber sehr wohl die Hölle verdient hatte, und dass es nicht viel bedeutete, mein Leben wie in einem Fegefeuer zu verbringen, weil ich danach geradewegs in den Himmel kommen würde, was ja ohnehin mein Wunsch war“ (V 3,6).
Und an anderer Stelle verhehlt Teresa auch nicht, dass sie nicht bereit war, die dauerhaften Mühen einer Ehe mit andauernden Schwangerschaften – wie sie es an ihrer Mutter leidvoll erlebt hatte – auf sich zu nehmen.
3.Teresas beschwerlicher Weg ins „Menschwerdungskloster“ (1535) und die folgenden „dürren Jahre“
Teresa ist hin- und hergerissen: Einerseits zieht es sie zu einem standesgemäßen Leben mit Festen und guten Freunden, andererseits bricht erneut und mit Macht diese „unstillbare Sehnsucht“ ihrer Kindheit nach einem „Seelenheil „für immer und ewig“ in ihr auf. Schließlich ergreift Gott selbst die Zügel … „Obwohl ich in dieser Zeit ziemlich um mein Seelenheil besorgt war, lag dem Herrn noch mehr daran, mich auf die Lebensform vorzubereiten, die am besten für mich war. Er ließ mich sehr krank werden, so dass ich zu meinem Vater nach Hause zurückkehren musste. (…) Als ich wieder gesund war, brachte man mich zu meiner Schwester, die in einem nahegelegenen Dorf wohnte, denn ihre Liebe zu mir war extrem (…).
Auf dem Weg dorthin lebte ein Bruder meines Vaters, ein sehr gebildeter und tugendhafter Witwer, den der Herr mehr und mehr darauf vorbereitete, ihn an sich zu ziehen (…). Er wollte, dass ich einige Tage bei ihm verbrachte. Seine Beschäftigung bestand in der Lektüre guter Bücher in der Muttersprache und seine Gespräche waren auf Gott und die Nichtigkeit der Welt gerichtet. Er bat mich, ihm vorzulesen, und obwohl mich seine Bücher nicht wirklich interessierten, tat ich so als ob. In diesem Punkt, anderen eine Freude zu machen, war ich extrem, auch wenn es mir schwerfiel (…).
Wenn ich auch nur wenige Tage dort blieb, erinnerte ich mich durch die Kraft, mit der sich die gelesenen oder gehörten Worte Gottes in mein Herz einprägten, und durch die gute Gesellschaft an die Wahrheit meiner Kindheit, die Nichtigkeit und Vergänglichkeit dieser Welt, und ich fühlte Angst in mir hochsteigen, dass ich in die Hölle käme, wenn ich jetzt sterben würde. Und wenn mein Wille auch noch nicht zu einem Eintritt ins Kloster bereit war, so sah ich doch ein, dass dies wohl die beste und sicherste Lebensform wäre, und beschloss, mich nach und nach zum Eintritt in ein Kloster zu zwingen (V 3,3 ff.).
Teresas rätselhafte Krankheiten und ein „Klostereintritt aus Höllenfurcht“
Wir begegnen hier einem weiteren für Teresa charakteristischen Phänomen: ihren lebenslangen Krankheiten, die einerseits – nach heutigem Verständnis – Ausdruck eines permanenten Somatisierungsprozesses waren, sich andererseits aber durch die nie endenden inneren Spannungen zwischen dem, was sie im Gebet zu erkennen glaubte, und ihrer „ungenügenden Ant-Wort“ erklären lassen: „Es befielen mich neben Fieberschüben auch immer wieder starke Ohnmachtsanfälle, da ich schon immer eine sehr schwache Gesundheit hatte. Indessen erfüllte mich die Freude an guten Büchern mit Leben.