Zentrale Aspekte der Alten Kirchengeschichte. Johannes Hofmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Hofmann
Издательство: Bookwire
Серия: Theologische Lehr- und Lernbücher
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783429061180
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in dieser Ära nichts Ungewöhnliches dar. Sie spiegelt vielmehr das in den ersten drei christlichen Jahrhunderten rechtlich noch nicht geklärte Verhältnis zwischen Amt und Charisma wider. Die durch Weihe geistlich zugerüsteten Amtsträger und die vom Heiligen Geist selbst beschenkten Charismatiker stehen gewissermaßen noch auf einer Stufe. Folglich stimmt das in der TA dokumentierte Ansehen der Bekenner noch „mit Theorie und Praxis der Kirche vor den großen Verfolgungen überein“53 und liefert so ein wichtiges Kriterium für die Datierung der TA.

      Denn die Möglichkeit, einen Bekenner ohne Handauflegung ins Presbyterium aufzunehmen, erlischt seit den großen Verfolgungen in der Mitte des 3. Jahrhunderts, da seither ein sprunghafter Anstieg der Bekenner zu verzeichnen ist.54 Die Eingliederung der Bekenner in den höheren Klerus und die damit verbundene volle oder partielle Besoldung hätte die betroffenen Gemeinden zu sehr belastet. Hinzu kommt, dass in der nunmehr voll ausgebauten Kirchenorganisation für charismatische Bekenner kein Platz mehr ist.

       2.6.2 Die Dienste in der Traditio Apostolica

      Neben den in der Regel durch eine Weihe verliehenen Ämtern, die bisher im Blick waren, gibt es in der Gemeinde der TA auch eine Reihe von Diensten, mit denen Frauen und Männer durch Ernennung beauftragt werden.

       2.6.2.1 Die Witwe

      Als Witwe (vidua, χήϱα) wird in der TA einerseits die für kirchliche Aufgaben eingesetzte verwitwete Frau, die so genannte Gemeindewitwe, bezeichnet (TA 10). Es kann damit aber auch die der Unterstützung bedürftige, arme Witwe gemeint sein. Denn auch sie ist der Sorge der Gemeinde anvertraut, weshalb z.B. vor der Zulassung der Taufbewerber ihr Einsatz zugunsten der Witwen überprüft wird (TA 20)55.

      Voraussetzung für die Zulassung zur Gemeindewitwe ist ein höheres Alter sowie eine längere Zeit der Witwenschaft. Außerdem wird sie dazu nicht geweiht (non ordinatur), sondern namentlich erwählt (eligitur ex nomine). Mit letzterer Formulierung ist wohl gemeint, dass sie aufgrund ihres Rufs zur Gemeindewitwe ernannt wird. In ihren Stand möge sie durch ein Wort eingeführt werden (instituatur per verbum) und sich dann den übrigen Gemeindewitwen, gewissermaßen einem Witwenkollegium, anschließen. Doch „darf ihr nicht die Hand aufgelegt werden (non imponetur manus super eam), weil sie nicht die Gaben darbringt (non offert oblationem) und kein priesterliches Amt (liturgia) innehat“ (TA 10). Vielmehr sei sie vor allem für das Gebet bestellt. Die ausdrückliche Anweisung, die Gemeindewitwe nicht zu weihen und ihr nicht die Hand aufzulegen, da sie die Gaben nicht darbringe und kein priesterliches Amt innehabe, lässt die Vermutung aufkommen, dass das vor dieser Bestimmung gelegentlich der Fall war.56

       2.6.2.2 Der Lektor

      Zu Beginn des 3. Jahrhunderts taucht in TA 11, aber auch bei Tertullian († nach 220) und Origenes († um 253) der Leser (lector, ἀναγνώστης) auf. Verschiedene Faktoren haben zur Entstehung dieses Dienstes geführt. An erster Stelle ist hier die jüdische Tradition des Vorlesens biblischer Texte im Synagogen-Gottesdienst zu nennen.57 Die Kirche ist also schon aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln mit der Aufgabe des Vorlesers vertraut. Darüber hinaus fördert die kontinuierliche Ausgestaltung des christlichen Gottesdienstes eine Differenzierung zwischen den einzelnen gottesdienstlichen Funktionen. So werden die Heiligen Schriften, die der Bischof auslegt, nunmehr von einem eigenen Lektor vorgetragen. Die TA stuft seinen Dienst verhältnismäßig niedrig ein, da ihm der Bischof bei seiner Einführung ein Buch überreichen, ihm jedoch keine Handauflegung erteilen soll.

       2.6.2.3 Die Jungfrau

      Die Bestimmung von TA 12 über die Jungfrau (virgo, παρθένος) ist sehr knapp, da die Einweisung in ihren Stand wohl ähnlich verläuft wie bei der Gemeindewitwe. Wie der Letzteren und dem Lektor soll ihr bei ihrer Einführung nicht die Hand aufgelegt werden, da allein ihr Entschluss (propositum tantum) sie zur Gemeindejungfrau mache. Ihre persönliche Entscheidung und noch nicht das kirchenrechtlich bindende Gelübde charakterisieren also ihren Status, wenn sie auch schon den Nonnenstand erahnen lässt. Gemeinsame Aufgaben der Gemeindewitwe und -jungfrau sind Fasten und Gebet für die Kirche (TA 23), wobei die Jungfrau auch zum Psalmengesang beim abendlichen Gemeindemahl (TA 25) verpflichtet wird.

      Abb. 13 Die spätestens Mitte des dritten Jahrhunderts voll ausgebildeten kirchlichen Ämter und. Dienste nach dem Zeugnis der Traditio Apostolica.

       2.6.2.4 Der Subdiakon

      Der Subdiakon (subdiaconus) der TA ist direkt dem Diakon untergeordnet, auf dass er dem Diakon folge (ut sequatur diaconum) (TA 13). Sein Dienst entsteht – wie der des Lektors – aufgrund zunehmender kirchlicher Aufgaben, was zu einer wachsenden Differenzierung der kirchlichen Ämter und Dienste führt. Terminologisch werden Diakon und Subdiakon in der Folgezeit oft nicht voneinander unterschieden, freilich zu Unrecht, da der Subdiakon der TA ausdrücklich keine Handauflegung empfängt.

       2.6.2.5 Das mit der Gabe der Heilung beschenkte Gemeindemitglied

      In Anlehnung an 1 Kor 12,9, wo von der Gnadengabe des Krankenheilens die Rede ist, formuliert TA 14 eine Vorschrift für Gemeindemitglieder, die für sich in Anspruch nehmen, „in einer Offenbarung die Gabe der Heilung empfangen“ zu haben. Die nach eigenen Angaben auf diese Weise Ausgezeichneten sollen zunächst keine Handauflegung erhalten, da erst die Praxis ihren Anspruch erweisen müsse. Ob ihnen nach Erweis ihres Charismas die Hände aufgelegt werden, ist nicht bekannt. Wie spätere Kirchenordnungen nahe legen, wird man ihre Aufgabe aber wohl als eine Vorform des späteren Exorzistendienstes ansehen dürfen.

      Mit dieser Vorschrift schließen die Ausführungen der TA über die zeitgenössische Kirchenverfassung. Anhand ihrer umfangreichen Bestimmungen dürfte deutlich geworden sein, dass die kirchlichen Ämter und Dienste spätestens Mitte des 3. Jahrhunderts ihre wesentliche Ausformung gefunden haben.

      19 Vgl. hier und im Folgenden KERTELGE, Karl, Apostel. I. Im Neuen Testament, in: Lexikon für Theologie und Kirche3 1 (1993) 851f.; hier 852.

      20 Zur Datierung der beiden Paulusbriefe vgl. SCHNELLE (wie S. 32) 74 (1 Kor), 113 (Gal).

      21 Zur Datierung der Apostelgeschichte vgl. SCHNELLE (wie S. 32) 305.

      22 HÜBNER (wie S. 32) 48.

      23 Zur sprachlich-kulturell in griechischsprachige Hellenisten und aramäischsprachige Hebräer aufgeteilten Jerusalemer Urgemeinde vgl. Kapitel 1.2.2.

      24 DASSMANN (wie S.