„Dem Hohenpriester sind eigene priesterliche Dienste (λειτουϱγίαι) übertragen, den Priestern
Clemens vergleicht hier also die Struktur des dreigestuften levitischen Priestertums mit der für den priesterlichen Dienst der Christengemeinde festgelegten Regel. Ohne einen wesensmäßigen Zusammenhang zwischen der jüdischen Kulthierarchie und den christlichen Dienstämtern herstellen zu wollen, dürfte er dieses Beispiel auch deshalb aufgegriffen haben, um damit auf ein anscheinend in der römischen und korinthischen Gemeinde in ersten Ansätzen vorhandenes dreigestuftes Dienstamt – bestehend aus Episkopen, Presbytern und Diakonen – anzuspielen. Es ist daher möglich, „daß uns hier der christliche Gemeindegottesdienst beschrieben wird, bei dem der Bischof den doppelten Dienst (Liturgie) von Verkündigung und Gebet, nämlich Eucharistiegebet, leistet, die Presbyter ihn an ihrem Ehrenplatz schweigend umgeben und die Diakone die vielfältigen Dienste vom Herbeibringen der Gaben bis hin zur Hauskommunion leisten“35. Vogt dürfte also wohl das Richtige getroffen haben, wenn er zu der zitierten Clemensstelle bemerkt, Clemens habe sich damit auf dem Weg zum Monepiskopat befunden. Freilich beschreibt Clemens noch eine Situation, in der die Episkopen stets in der Mehrzahl auftreten.
HOFMANN, Johannes, Die amtliche Stellung der in der ältesten römischen Bischofsliste überlieferten Männer in der Kirche von Rom, in: Historisches Jahrbuch 109 (1989) 1-23; hier 7-19 (Episkopen, Presbyter und Diakone bei Clemens).
HÜBNER (wie S. 32) 69-75 (Episkopen, Presbyter und Diakone bei Clemens).
2.3.2 Der Bischof, die Presbyter und die Diakone in den Pastoralbriefen
In den Pastoralbriefen, die den 1. und 2. Timotheusbrief sowie den Titusbrief umfassen und um 100 entstanden sind,36 macht sich gegenüber dem Clemensbrief eine weiter fortgeschrittene Entwicklung bemerkbar, die sich in folgenden klar umrissenen Ämtern manifestiert:
1. Der Bischof (1 Tim 3,1-7; Tit 1,7-9),
2. die Presbyter (1 Tim 5,17-19, Tit 1,5f.), deren Kollegium fest organisiert ist und daher πϱεσβυτέϱιον heißt (1 Tim 4,14), und
3. die Diakone (1 Tim 3,8-13).
Bezeichnend ist, wie intensiv der Bischof und die Diakone aufeinander zugeordnet sind. Wenn diese enge Verknüpfung auch schon in Phil 1,1 begegnet, so wird der Bischof (ἐπίσκοπος) in 1 Tim – im Unterschied zu Philippi – als einzelner und nicht mehr als Mitglied einer Gruppe von Episkopen (ἐπίσκοποι) erwähnt. Darüber hinaus ist das Kollegium der Presbyter als eigenständige Größe in die Gemeindeverfassung integriert.
Die Voraussetzungen für einen Bischofskandidaten beschreibt 1 Tim 3,2-7 in nüchterner Sprache. Der für dieses Amt geeignete Mann müsse besonnen sein, gastfreundlich, zum Lehren befähigt, kein Trinker und Raufbold, bescheiden, nicht streitsüchtig und geldgierig. Ferner müsse er sich bisher als guter Vorsteher seines eigenen Hauses und als bewährter Erzieher seiner Kinder erwiesen haben. Aus diesen Anforderungen geht also hervor, dass der Bischof in der Gemeinde autoritative, pastorale und ökonomische Funktionen wahrzunehmen hat. Vor allem hat er über die offensichtlich gefährdete Reinheit der apostolischen Lehre zu wachen.
Freilich ist der Bischof dieser nachapostolischen Zeit nicht nur auf seine natürlichen Anlagen angewiesen. Der unter dem Pseudonym des Paulus schreibende Verfasser der Pastoralbriefe ermuntert seinen bischöflichen Adressaten Timotheus vielmehr, er möge die Gnadengabe neu entfachen, die er durch die Handauflegung des Apostels empfangen habe (2 Tim 1,6). Ähnlich heißt es in 1 Tim 4,14:
„Vernachlässige die Gnade nicht, die in dir ist und die dir verliehen wurde, als dir die Presbyter aufgrund prophetischer Worte gemeinsam die Hände auflegten.“
Mit diesen Worten wird erstmals der Akt einer kirchlichen Amtsübertragung beschrieben. Demnach wird dem neu bestellten Amtsträger durch die Handauflegung der Heilige Geist verliehen, eine göttliche Gnadengabe, die ihn auf Dauer zur Ausübung seines Dienstes befähigt. Wie außerdem die Anweisung von 1 Tim 5,22 nahe legt, keinem vorschnell die Hände aufzulegen, sollen entsprechende Kandidaten vor der Einsetzung ins Amt einer Prüfung unterzogen werden. Darüber hinaus kann man die hier erstmals erwähnte Mitteilung des Heiligen Geistes durch das äußere Zeichen der Handauflegung als sakramentale Weihe interpretieren. Sie wirkt nach 2 Tim 2,2 auch insofern fort, als Timotheus das, was er selbst empfangen hat, durch Weihe „an zuverlässige Menschen [weitergeben kann], die fähig sind, wiederum andere zu lehren“.
Schwer lösbar ist die Frage, welches Verhältnis zwischen Bischof und Presbyterkollegium besteht. Gehört er ihm als Gleicher unter Gleichen an oder steht er an seiner Spitze? Nach Gnilka dürfte eher das Letztere der Fall gewesen sein.37
Die Diakone der Pastoralbriefe sind schließlich dem Bischof untergeordnet und dienen ihm und der Gemeinde auf vielfältige Weise. Man hält sie in der Regel – aufgrund der von ihnen in 1 Tim 3,8-10 verlangten Eigenschaften – für Armenpfleger, Gemeindefürsorger und karitativ tätige Amtsträger. Vermutlich sind sie aber auch in der Verkündigung tätig.
DASSMANN (wie S. 12) 166f. (Bischof und Presbyter in den Pastoralbriefen).
HÜBNER (wie S. 32) 64-69 (Bischof, Presbyter und Diakone in den Pastoralbriefen).
2.4 Der eine Bischof, die Presbyter und die Diakone bei Ps.-Ignatius
Eindeutig taucht der so genannte Monepiskopat erstmals in einem wohl pseudepigraphischen Briefcorpus auf, das sieben fingierte Briefe an hauptsächlich kleinasiatische Gemeinden umfasst. Diese gehen höchstwahrscheinlich auf einen unbekannten Autor zurück, der seinen Lesern um 170 unter dem Pseudonym des hochangesehenen Märtyrerbischofs Ignatius von Antiochien38 sein kirchliches Idealbild nahe bringen will. Besonders am Herzen liegt ihm die von Irrlehren bedrohte Einheit diverser Ortskirchen, die ihm der jeweils eine Ortsbischof garantiert. So schreibt Ps.-Ignatius an die Smyrnäer:
„Folgt alle dem Bischof wie Christus dem Vater, und dem Presbyterium wie den Aposteln; die Diakone aber achtet wie Gottes Gebot! Keiner soll ohne Bischof etwas, was die Kirche betrifft, tun. Jene Eucharistiefeier gelte als zuverlässig, die unter dem Bischof oder einem von ihm Beauftragten stattfindet. Wo der Bischof erscheint, dort soll die Gemeinde sein, wie da, wo Jesus Christus ist, die katholische Kirche ist. Ohne den Bischof darf man weder taufen noch das Liebesmahl halten; was aber jener für gut findet, das ist auch Gott wohlgefällig, auf dass alles, was ihr tut, sicher und zuverlässig sei“ (Smyrn. 8,1f.).
Aufrufe dieser Art durchziehen die Ps.-Ignatiusbriefe wie ein roter Faden. Immer ist dabei vom einen Bischof die Rede, während die Presbyter und Diakone stets in der Mehrzahl genannt werden und dem Bischof zu- und untergeordnet sind. Hier macht sich also eindeutig der Monepiskopat bemerkbar, ein Gemeindemodell, in dem der Bischof eine überragende Stellung einnimmt. Er allein ist befugt, den Gottesdienst zu leiten. Taufe, Eucharistie und Agape können nur unter seiner Leitung oder mit seinem Einverständnis vollzogen werden und selbst die Eheschließung unterliegt seiner Zustimmung. Schließlich kann von Kirche nur dort die Rede sein, wo sich die Gemeinde in Eintracht um den Bischof und die seiner Leitung anvertrauten Presbyter