Albert Damblon
verbeult verschlafen – durchgehalten
Wie ich als Pfarrer Kirche erlebe
Albert Damblon
verbeult
verschlafen –
durchgehalten
Wie ich als Pfarrer Kirche erlebe
echter
Allein die Erfahrung macht die Theologie (Martin Luther, Tischreden)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2017
© 2017 Echter Verlag GmbH, Würzburg
Umschlag: Peter Hellmund (Foto: gettyone)
Satz: Hain-Team (www.hain-team.de)
eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim (www.brocom.de)
ISBN
978-3-429-04394-0
978-3-429-04935-5 (PDF)
978-3-429-06355-9 (ePub)
Inhalt
Anstoß
Der verbeulte Gefährte
Kapellengeschichte I – Tränen
Kapellengeschichte II – Es geht!
Die brennende Kerze
Der Beistand
Martin und Mauer
Friede auf Erden …
Urlaubsgeschichte I – Altes und Neues
Der bewegte Mann
Ungleichzeitigkeit
Urlaubsgeschichte II – Die Grauhaarigen und die Gefärbten
Die Loser
Heilige des Wartens
Urlaubsgeschichte III – Kopflos
Der selbstbewusste Mensch
Urlaubsgeschichte IV – Menschentheater
Ich glaube gern …
Der Schluck Wasser
Rezept gegen Trockenheit
Der Silvestersegen
Das alltägliche Gottesreich
Schlaf gut oder wachet auf …
Der gesunde Kirchenschlaf
Die heilsame Pause
Schlaf gut mit Bruder Martinus …
Im ökumenischen Gestrüpp
Ich stehe auf …
Der Unterschied
Freistoß – ökumenisch
Eine ökumenische Litanei
Wozu brauchen wir Kirchen?
Die Geschichte vom barmherzigen Wirt I
Die Geschichte vom barmherzigen Wirt II
Alte, kluge Sätze …
Quellenverzeichnis
Anstoß
Ich werde 70 Jahre alt. Es ist ein runder Geburtstag, den ich anders als die Feste in den Jahren vorher feiern werde. Denn der Wunsch zurückzublicken ist viel stärker als zuvor. Die Zahl 70 lässt nicht mehr viel Zukunft. Sie birgt aber einen Schatz an Vergangenheit. Das Erinnern prägt die Gefühle, das Erhoffen hat sich ein wenig zurückgezogen. Vielleicht sollte ich wie viele andere meine Erinnerungen erzählen. Aber was ich erzählen würde, wäre nur für mich interessant. Wen würde die Geschichte eines gewöhnlichen Pfarrers beeindrucken? Ein bisschen Extravaganz müsste die Erzählung würzen. Mit Extravagantem kann ich nicht dienen, denn ich habe normal gelebt und gearbeitet, ohne Sensationen und Skandale. Über die Strafzettel des Ordnungsamtes lohnt sich kaum zu erzählen. Mein Leben kennt keine herausragenden Ereignisse. Ich habe keinen Gipfel bestiegen, genauso wenig habe ich einen Weltrekord aufgestellt. In meinem Beruf gründete ich kein Hilfswerk, und kirchliche Karriere habe ich nicht gemacht. Auf meinem Kopf passt kein Prälatenhut. Widerstand musste ich nicht leisten, und Weltreisen habe ich vermieden. Mein Buch wird auch dieses Mal kein Bestseller. Ich bin nie in den Rhein gesprungen, um einem Menschen das Leben zu retten. Bis vor Kurzem waren meine Freunde und ich gesund, und von meinem Gehalt konnte ich leben. Selbst vor tragischen Todesfällen wurde ich im Familienkreis bewahrt.
Über 40 Jahre arbeitete ich als Gemeindepfarrer. Ich stand morgens auf und ging abends zu Bett. Jedes Mal erlebte ich einen üblichen Tag. Ärger, Freude, Trauer. Über die Tage eines Normalen könnte ich berichten, doch wen interessieren Alltäglichkeiten? Trotzdem erzähle ich, weil es für mich wichtig ist. Hinter dem Einerlei stehen wunderbare Menschen, die ich kennengelernt habe. In vielen Gesprächen durfte ich in meiner Kirche trösten, ermutigen, bestärken, und ich habe Gottesdienste gefeiert, die die Freude am Evangelium spüren ließen. Sie eröffneten Wege zu gelingendem Leben. Nur so konnte ich den Niedergang volkskirchlicher Mentalität aushalten, ohne in eine Depression zu verfallen.
Anderseits staune ich, dass ich als Pfarrer trotz allem durchgehalten habe. Ich bin heute noch gern das, was ich einmal begonnen habe. Vielleicht hat sich die Beamtenseele meines Vaters durchgesetzt. Sie vermittelte mir auszuhalten. Wenn ich ehrlich zurückblicke, erkenne ich, dass meine Beständigkeit kein persönliches Verdienst ist. Es ist so gelaufen. Dabei hätte es auch anders kommen können. Manche Mitbrüder gerieten in Krisen, die sie bis ins Mark erschüttert haben. Sie wussten weder ein noch aus. Rettung bot nur, die Kirche zu verlassen. Ich selbst bin an mancher Klippe haarscharf vorbeigeschrammt und bin krumme Wege gegangen. Doch bekanntlich schreibt Gott auf krummen Zeilen gerade. Unabhängig von der gesellschaftlichen Entwicklung hinterfrage ich einiges in der Kirche. Die innerkirchlichen Phänomene hat das II. Vatikanische Konzil besprochen, aber kaum bearbeitet. Theologen haben sich die Finger wundgeschrieben, um endlich zu einer Lösung zu kommen. Nichts hat sich bewegt. Das Zölibat, die Homosexualität,