Aufgrund der unterschiedlichen Interessen gab es innerhalb der Zweckbündnisse zwischen Kirche und Kommunisten von Anfang an Spannungen in den verschiedenen Gremien, so z. B. bereits bei der Zusammenarbeit im Zentralen Jugendausschuss.46 Trotzdem wurde das Miteinander seitens der katholischen Kirche solange als möglich aufrechterhalten. Denn für den Aufbau einer eigenen Jugendseelsorge war die katholische Kirche vom Wohlwollen der staatlichen Stellen abhängig. Diese Möglichkeit wollten die Verantwortungsträger der Kirche durch eine grundsätzliche Verweigerung der Kooperation nicht aufs Spiel setzen. Über die Art und Weise der Zusammenarbeit mit der staatlichen Jugendorganisation gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine einheitliche Auffassung innerhalb der katholischen Kirche.47 Die katholischen Vertreter standen zunächst dem Einheitsgedanken mit einer zentralen Jugendorganisation nicht unbedingt ablehnend gegenüber.48 Tendenziell sollte aus Sicht der ostdeutschen Ordinarien zu keinem Zeitpunkt eine eigene katholische Jugendorganisation in der SBZ aufgebaut werden. Denn schon früh war abzusehen, dass eine katholische Jugendorganisation unter den Bedingungen der SBZ keine Chance haben würde. Noch weniger sollte Arbeit an der katholischen Jugend der FDJ überlassen bleiben. Vielmehr war es das Anliegen der Ordinarien, die noch nicht flächendeckend vorhandenen Strukturen der Pfarrjugendseelsorge von den Städten auf die gesamte SBZ auszuweiten.
Wenn noch der Befehl Nr. 2 der SMAD vom 10. Juni 194549 die Bildung von antifaschistischen Organisationen verschiedenster Arten und damit implizit auch von verschiedenen Jugendorganisationen zuließ, so schloss bereits der Aufruf der sowjetischen Militärverwaltung vom 31. Juli 1945 zur Bildung von Jugendausschüssen in Städten explizit andere als antifaschistische Jugendorganisationen aus.50 Antifaschistisch wurde in der Folgezeit aber immer enger im Sinne von „einheitssozialistisch“ interpretiert. Die häufig gemachte Erfahrung der katholischen Kirche, von den staatlichen Stellen vereinnahmt oder zurückgedrängt zu werden, traf auch für den Bereich der Jugendarbeit zu.51 Dabei wurde anfangs von sowjetischer Seite sogar noch regulierend eingegriffen. Vor allem dann, wenn eingesetzte KPD/SED-Funktionäre zu radikal bei der Gleichschaltung aller „antifaschistischen” Kräfte vorgingen.52 Die Gestaltungsmöglichkeiten der kirchlichen Vertreter in den staatlichen Jugendgremien aber blieben von Anfang an begrenzt. Bemühten sich die Kirchen, den ihnen eingeräumten Handlungsspielraum zu erhalten, wurde von der staatlichen Seite aus versucht, die Kirchenpolitik für ihre eigenen Interessen zu funktionalisieren. Sie war vor allem Mittel zu dem Zweck, möglichst alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens kontrollieren zu können.
In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus geschulte Köpfe wie H. Aufderbeck53 schienen die Strategie der Kommunisten bereits früh zu erahnen.54 Er war den neuen Machthabern gegenüber sehr skeptisch und distanzierte sich von anderenorts praktizierten Versuchen, die eine Mitgliedschaft katholischer Vertreter in den Leitungsorganen staatlicher Organisationen einschloss. Katholiken waren in der Leitungsebene der FDJ im Bereich der Bistümer Meißen und Berlin vertreten. In Meißen wurden die katholischen Jugendlichen anfangs sogar ermuntert, aktiv in der FDJ mitzuarbeiten.55 Im Unterschied zum Kommissariat Magdeburg gab es in diesen beiden Ordinariaten einen hauptamtlichen Vertreter der katholischen Kirche, der zugleich auch Sekretär der FDJ war. Das staatlicherseits propagierte “brüderliche Verhältnis” zwischen Kirche und FDJ, das darauf abzielte, nicht nur Kleriker, sondern auch Jugendliche zur Mitarbeit in den sozialistischen Einheitsorganisationen zu gewinnen, blieb zwar auch in der Folge offizielles Ziel von SED und FDJ.56 Doch die Strategien, mit denen dieses Ziel verfolgt wurde, waren zweischneidig. Einerseits nahmen sie in den folgenden Jahren immer repressivere Formen an. Schon bald wurden die ersten unliebsamen katholischen Jugendführer verhaftet.57 Andererseits wurde noch lange Zeit später nach außen hin demonstriert, dass die von der SED geführte Regierung versuche, „unter den Anhängern aller Religionsgemeinschaften ... eine feste Massenbasis für den Kampf um die Erhaltung und Sicherung des Friedens ... für die aktive Teilnahme an der friedlichen Aufbauarbeit in der Deutschen Demokratischen Republik” zu schaffen.58 Mit den Jahren aber sollten die Skeptiker wie H. Aufderbeck Recht behalten. Grundsätzlich war unter den Bedingungen der „sozialistischen Gesellschaft“ keine gemeinsame Basis für ein konstruktives Miteinander von Kirche und Staat vorhanden. Das galt auch für die Jugendorganisation. Die nicht nur für die SBZ als Auffangbecken aller Strömungen der Jugendarbeit konzipierte „Freie“ Deutsche Jugend war von staatlicher Seite von Anfang an als gelenkte sozialistische Einheitsjugendorganisation konzipiert, mit dem Ziel der Gleichschaltung unter einem Dach. Die Verantwortungsträger der neuen Regierung hatten offensichtlich aus den Erfahrungen mit der Hitlerjugend gelernt, welche systemtragenden Wirkungen eine zentralistische Jugendorganisation haben konnte.
Bereits auf der konstituierenden Tagung der neuen Einheitsorganisation für die Jugend, dem I. Parlament der FDJ, 1946 in Brandenburg, kam es zu einem Vorfall,59 bei dem infolge einer Unachtsamkeit kommunistische Interna zum Umgang mit den katholischen Jugendvertretern eben jenen zu Ohren kamen, weshalb es fast zum Scheitern der Gründungsversammlung der FDJ gekommen wäre.60 Dieser Vorfall zeigte, dass der Einflussbereich der Kirchen in der SBZ bereits sehr begrenzt war und mehr und mehr beschnitten werden sollte. Außerdem legte er die unüberbrückbaren Gegensätze zwischen kommunistischen und kirchlichen Erwartungen an die Jugendarbeit offen.61 Im Bereich der Jugendarbeit scheiterte bereits in Brandenburg der Versuch der FDJ, auch die christliche Jugend zu vertreten. Es war der Anfang vom Ende des „Miteinanders” von katholischer und kommunistischer Jugendarbeit. Die orthodoxen Kommunisten sprachen aus, was sich im Hinterkopf der Strategen der FDJ in ähnlicher Form wiederfand, obwohl die kirchlichen Vertreter durch ihre formale Mitarbeit noch einige Zeit versuchten, zu retten, was noch zu retten war. Es wurde deutlich: Die Entscheidungsträger in der SBZ waren die kommunistischen Vertreter. Die katholischen Vertreter M. Klein und R. Lange konnten in der FDJ-Leitung nicht konstruktiv im Sinne katholischer Interessen wirksam werden. Lediglich eine Schadensbegrenzung blieb in der Folgezeit das Ziel ihrer Bemühungen.
Der Zwischenfall auf dem I. Parlament der FDJ in Brandenburg zeigte weiterhin: Bei dem bisher eingeräumten Spielraum stand über aller „Freiheit” des Handelns politischer Organisationen das Votum der SMAD. Diese war die entscheidende Instanz, die den Rahmen vorgab. Nur durch das Einschreiten der SMAD konnte verhindert werden, dass bereits 1946 die katholische Kirche ihre Mitarbeit in der FDJ beendete. Daneben wurde deutlich, dass die Absicht der kommunistischen Seite, mit der Kirche zusammenzuarbeiten, nur taktischer Natur war. Auch in den Länderverfassungen und danach in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik wurde diese Strategie der SED den Kirchen deutlich vor