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BASLER KIRCHENBOTE
Der Basler Kirchenbote, 1934 erstmals erschienen, verband die Nachrichten aus den einzelnen Kirchgemeinden mit einem allen Ausgaben gemeinsamen, zwei- bis achtseitigen Redaktionsteil. Ab 1950 wurden die verschiedenen Ausgaben der Kirchengemeinden zu einem einzigen Dachblatt der evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt zusammengefasst. Der Kirchenbote verstand sich weiterhin in erster Linie als Informationsorgan der Kirchgemeinden, daneben fanden sich aber auch mehr oder weniger richtungsneutrale redaktionelle Texte. Um seine Abonnentenzahlen musste sich der Kirchenbote im Gegensatz zu den anderen Zeitschriften keine Sorgen machen – das Blatt wurde und wird auch heute noch, begleitet von Spendenaufrufen, kostenlos sämtlichen Haushalten mit Mitgliedern der evangelisch-reformierten Kirche zugestellt.
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EVANGELISCHE VOLKSZEITUNG
Die Evangelische Volkszeitung, das Organ der Evangelischen Volkspartei der Schweiz, wurde 1920 gegründet. Die Evangelische Volkspartei wollte mit ihrer zuerst monatlich, ab 1922 wöchentlich erscheinenden Zeitschrift «in die praktische politische Tätigkeit der christlichen Kreise Grundsätzlichkeit, Geschlossenheit und Zusammenhang bringen»,103 selbstredend auch in die eigene Politik der Evangelischen Volkspartei. Dieses Blatt diente beispielhaft der Selbstvergewisserung einer politischen Partei, wenn die Redaktion zur Einführung schreibt, «schwerer als andere Parteien werden wir in vielen Dingen zu einhelligen Entschlüssen kommen [...]. Dringend notwendig ist also Abklärung und Austausch unserer Ansichten [...].»104 Das Blatt erschien bis 1953.
Auflagenzahlen publizierten die protestantischen Zeitschriften in der Regel keine. Einen Hinweis zur Verbreitung geben die oben erwähnten Abonnentenzahlen des Kirchenfreunds und des Christlichen Volksfreunds zum Zeitpunkt der Aufgabe der Zeitschrift. Zieht man weitere indirekte Informationen in Betracht, wie zum Beispiel die Kosten der Zeitschrift,105 Spendenaufrufe an die Leserinnen und Leser oder andere mehr oder weniger verborgene Hinweise zur (meist) schwindenden Leserschaft, dürfte die Zahl der Abonnements je zwischen 1500 und höchstens 5000 betragen haben.106 Eine Ausnahme davon bildet der Kirchenbote, der dank der Besonderheit seiner Zustellungsweise in sämtliche Haushaltungen in einer Auflage von rund 44 000 (1935) bis 50 000 (1942) verbreitet wurde.107 Eine Hochrechnung eher spielerischen Charakters zeigt, dass nur ein kleiner Teil der evangelisch-reformierten Haushaltungen zusätzlich zum Kirchenboten eine zweite kirchliche Zeitschrift abonniert hatte: Nimmt man für die fünf kirchlichen Zeitschriften (ohne Kirchenbote) eine durchschnittliche Auflagenzahl von 3000 an, ergibt sich eine Gesamtauflage von 15 000. Verschiedene Haushaltungen bezogen wohl mehr als eine Zeitschrift im Abonnement, viele dagegen wohl keine, deshalb verteilen sich die 15 000 Zeitschriften nicht auf dieselbe Anzahl Haushaltungen, sondern eher auf zwei Drittel davon. Somit erreichten die kirchlichen Zeitschriften höchstens rund ein Viertel bis ein Fünftel der evangelisch-reformierten Gemeinde Basels. Alle erwähnten Zeitschriften sind im Übrigen an der Universitätsbibliothek Basel archiviert und einsehbar.
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TAGESPRESSE
Je nach Thema werden auch Presseerzeugnisse ausserhalb der kirchennahen Herkunft als Quellen herbeigezogen. Immer vorausgesetzt, diese haben sich zu den innerhalb des kirchlichen Zirkels geführten Debatten vertieft geäussert (das heisst nicht nur in Form einer Randnotiz). Bei den punktuell verwendeten Zeitungen handelt es sich um die Neue Zürcher Zeitung NZZ, die in Basel erscheinende, aber auch überregional Wirkung entfaltende National-Zeitung sowie die Wochenzeitung Weltwoche. In aller Regel wurden die aus diesen Zeitungen verwendeten Artikel von Pfarrern oder Theologen verfasst.
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VEREINSAKTEN
Im dritten Teil der Untersuchung werden die Strukturen des Vereinswesens im Basel-städtischen Protestantismus aufgearbeitet. Hier steht die sogenannte «entlastete Kirchlichkeit» im Zentrum.108 Neben der Kirchlichkeit der engagierten «Kerngemeinde» und der distanzierten Kirchlichkeit der Kasualfrommen existierten Formen der Teilhabe an der kirchlichen Institution, die es erlaubten, Mitglied der Kirche zu sein, ohne starkem sozialen Konformitätsdruck oder autoritärer Disziplinierung zu unterliegen. Die Bildung eines breit gefächerten religiösen Vereinswesens, die Expansion des kirchlichen Zeitschriftenmarkts und die Entstehung eines organisatorisch selbständigen Sozialprotestantismus der diakonischen Vereine und Verbände ermöglichte es dem Einzelnen, sich durch selbst bestimmte «Ersatz-Leistungen» am kirchlichen Leben zu beteiligen – er war dadurch vom Konformitätsdruck der Kirche entlastet.
Entscheidende Indizien für ein protestantisches Milieu sind nach Blaschke und Kuhlemann die Bedeutung und Struktur des protestantischen Vereinswesens.109 Zur Bedeutung des protestantischen Vereinswesens und des Verbandsprotestantismus in Deutschland hat Jochen-Christoph Kaiser wegweisende Studien veröffentlicht. Nach Kaiser trat in Deutschland mit den protestantischen Vereinsgründungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine bewusste Politisierung des Protestantismus an die Stelle der kultivierten Überparteilichkeit des Kirchlichen; eine eigentliche protestantische Milieubildung habe sich erst in der Weimarer Republik vollzogen.110
Neben strukturellen Fragen, die sich zu diesen Vereinen stellen, wie jene nach ihrer Anzahl, deren Zwecksetzungen, nach Entstehungs- und Auflösungsgründen und nach den wichtigsten Akteuren, sind auch tiefer gehende Fragen zu stellen. So ist das Verhältnis von Verbandsprotestantismus und Säkularisierung noch ungeklärt.111 Zu fragen ist auch, ob es den protestantischen Vereinen gelang, den Prozess der Entkirchlichung zu verzögern, und ob die Vereine über das eigene Mitgliederpotenzial hinaus Wirkung entfalten konnten. Ein besonderes Problem im Rahmen der Frage nach sozialen und kulturellen Deutungsmustern ist die Differenzierung des Protestantismus in einen liberalen und einen konservativen Flügel. Insofern genügt eine konfessionelle Differenzierung nicht. Sie muss vielmehr, gerade im Protestantismus, begleitet sein von Reflexionen über die unterschiedlichen Aspekte von individueller und institutioneller Kirchlichkeit, das heisst sie muss die verschiedenen Gruppen, die sich im Basler Protestantismus unter dem Dach einer «Volkskirche» zusammenfanden, vor Augen haben. Interessant ist weiter die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Vereinswesen und Milieu in Basel.
Zum Zweck seiner Untersuchung wird das Vereinsund Verbandswesen von den jeweiligen Forschenden in unterschiedlicher Art und Weise systematisiert. Günter Brakelmann differenziert die Protestanten auf der Ebene der Kirchgemeinde in drei Gruppen: traditionelle, kirchlich-theologisch und politisch Konservative; Gemeindegruppen, die zum Beispiel auf die Herausforderung der «sozialen Frage» mit innovativen Reformvorschlägen antworten; Kleinstgruppen und Persönlichkeiten, die eine öffentliche Wirkung ausübten.112 Jochen-Christoph Kaiser unterscheidet zeitliche Phasen in der Entwicklung des Vereinswesens und die im Lauf der Zeit zunehmende Spezialisierung der Vereinszwecke.113