Anno 1525: Der Stadtschreiber zu Würzburg. Christoph Pitz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph Pitz
Издательство: Bookwire
Серия: Würzburger historische Novellen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783429064563
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Hundsfott!“, schimpften Martin und Johann wie aus einer Kehle.

      Tilman zuckte mit den Schultern. „Der Bermeter macht gemeinsame Sache mit etlichen der Odenwälder Bauern. Wo ist Götz Eisenfaust hingegangen, nachdem er uns verließ?“

      ***

      Die Feuer der Bauern waren vom nördlichen Mauerring des Bischofschlosses auf dem Frauenberg zu Würzburg gut zu sehen, und sie konnten, ob ihrer schieren Menge und Ausbreitung soweit das Auge reichte, Angst einflößen. Selbst das besetzte Kloster Himmelspforten der Zisterzienserinnen ließ sich im Schein der Feuer noch gegen die Dunkelheit erkennen, Heinrich sah es genau. Das Dach der Kirche, die Mauern, die durch Feuerschein verursachten Schattenwürfe. Wie würde das nur ausgehen? Seit Tagen schon waren sie eingeschlossen und wurden von den aus dem ganzen Land herangezogenen Bauernhaufen belagert. Ihr Herr und Bischof hatte sie vor acht Tagen schon verlassen, es hieß, er sei zu einem Fürsten geflohen. Seit fünf Tagen hatte nichts und niemand mehr die Burg verlassen oder betreten. Letzte Wagen mit Lebensmitteln und Material waren damals von den Städtischen aufgehalten worden, welche zwar mit dem Bischof immerzu verhandelt hatten, aber sich letztlich doch mit dem marodierenden Bauernpack gemein machten. Nun waren sie alle hier oben auf dem Berg von der Welt isoliert. Er als einfacher Landsknecht ebenso wie die feinen Domherren, Pfaffen, Adeligen und Vasallen des geflohenen Bischofs, denen sie alle Treue geschworen hatten. Dazu die Frauen, Kinder, Knechte und Mägde der viele Höfe und Klöster rund um Würzburg. Man hoffte auf die Sicherheit der unbezwingbaren Bischofsburg und fand sich nun in einem heillos überfüllten Hühnerstall wieder. Zu viele Menschen, zu wenig Vorräte, zu wenig kampferprobte Ritter, Kämpfer, Knappen und Landsknechte, wenn es zu einem Sturmangriff an allen Mauern kommen würde. Und danach sah es aus, es war nur eine Frage der Zeit. Heinrich wusste das.

      Der Bischof, Konrad II. von Thüngen, hatte die Burg an Sebastian von Rotenhan übergeben, kein Krieger, sondern ein studierter Rechtsverdreher, eben einer wie viele der übrigen Herren auch. Immerhin aber ein Reichsritter und sich dieses Standes sehr bewusst. Das schätzte Heinrich an dem Mann. Er hatte binnen kürzester Zeit eine straffe und wirkungsvolle Organisation aufgebaut. Die gerade einmal 250 wehrtüchtigen Männer auf der Burg operierten nun innerhalb von 18 Rotten nach einem streng festgelegten Plan. Der feine Herr ebenso wie der einfache Landsknecht. Auch das gefiel Heinrich, obwohl er nicht wusste, warum er Gefallen daran fand. Ihrer aller Situation war fatal. Außerdem hatte Rotenhan alle Stellungen rund um die Burg überprüfen lassen, Wehrgangdurchbrüche wurden neu geschaffen, Scharten an strategischen Stellen in Mauern gebrochen, noch vor Zuspitzung der Lage mancher Baum gefällt und verschiedene Palisaden errichtet. Am faszinierendsten aber war ein System von langen Schnüren und Alarmglocken rund um die Beobachtungsposten der Burg, das ganz oben auf dem Bergfried zusammengeführt worden war. Drohte an irgendeiner Seite Gefahr, so meldete es die entsprechende Glocke und die Verteidiger waren in der Lage dort konzentriert den Feind zurückzuschlagen. Auch Heinrich war an diesem Abend für eine dieser Schnüre verantwortlich, die hinauf zu dem schon dreihundert Jahre alten Bergfried führten.

      Jetzt sah er im Schein der Feuer Bewegungen und Schattenwürfe, die sich ganz und gar von denen der vergangenen Nächte unterschieden und ihm seltsam vorkamen. Mit mulmigem Gefühl zog er also mehrfach an der Alarmschnur.

      ***

      In den Bischofsgemächern ging es eng zu. Mehrere Damen von Stand waren dort untergebracht worden, teilweise sogar in einem Raum mit den eigenen Zofen und Mägden, doch niemand beschwerte sich. Die Sicherheit wog in diesen Zeiten schwerer als verletzte Standesgefühle. Für den Fall des Beschusses mit schweren Kanonen oder eines Sturmangriffes waren sie aber auch hier nicht in Sicherheit, dann mussten sie alle in unterirdische Katakomben ausweichen und dort je nach Kriegslage tagelang ausharren. Der Kommandant der Burg hatte auch die Damen von Stand während der vergangenen Tage das Verhalten bei verschiedenen Alarmsignalen üben lassen. So wie er es bei allen anderen Gruppen auf seiner Festung tat. Nicht nur, dass auf diese Weise die Ordnung auch bei sogar schwersten Kriegshandlungen aufrechterhalten würde, es beschäftigte auch das Gemüt der auf engstem Raum zusammengepferchten und belagerten Menschen, wie er es seinen Hauptleuten immer wieder sagte. Man behielt die eigene Ruhe und eben dieses so sehr strapazierte Gemüt beieinander.

      Nur die Schreibstube des Bischofs war nicht bewohnt, sondern wurde als Lage- und Beratungsraum genutzt. Sebastian von Rotenhan hatte diesen Ort im Obergeschoss des fürstlichen Trakts gewählt, weil von hier aus viele strategische Punkte rasch erreichbar waren und auch deshalb, weil der Blick aus dem Fenster hoch über die Stadt hinweg führte. Tat sich dort etwas, sah man es gleich von hier aus.

      „Werden die Bauern uns vom Gleßberg aus beschießen?“, fragte Sebastian von Rotenhan.

      „Ja, das werden sie, aber wir glauben nicht, dass sie mit ihren Feldschlangen unserer Burg großen Schaden zufügen können. Unsere eigenen Kanonen tragen besser als die ihren.“ Diese Worte sprach der sehr junge Domherr und kaum 20-jährige Melchior Zobel von Giebelstadt, der es einfach nicht wahrhaben wollte, dass sein älterer Vetter und Verwandter Florian Geyer einen bedeutenden Haufen dieser Tauberbauern anführte, die jetzt schon bei Heidingsfeld lagen.

      „Aber wie viele haben wir davon? Zu wenig, um die Bauern wirklich zu prügeln.“

      „Lasst uns etwas anderes versuchen und die Städtischen mit unseren Kanonen bestreichen. Sie reichen über den Fluss hinaus und wir säen so Furcht und vielleicht auch Zwietracht in die Herzen unserer Feinde.“

      „Gebt die Befehle. Genauso werden wir es machen.“ Rotenhan war es für den Augenblick zufrieden, als in diesem Moment der Alarm losging.

      ***

      Hans Bermeter hatte in den vergangenen fünf Tagen, seit er sich mit seinen Anhängern offen gegen den Rat der Stadt gestellt hatte, schon viele Reden geführt. Diese hier aber würde die bisher wichtigste sein und würde über das Schicksal von Würzburg und sowieso seiner selbst entscheiden. Laut erhob er seine Stimme: „Ihr braven Männer, ihr guten Bürger zu Würzburg, ihr tapferen Bauern, hört mich an! Wir müssen uns nun erheben und den nächsten Schritt tun. Zu lange schon hat sich die Herrschaft der Fürsten und Pfaffen genommen, was unserer Hände Arbeit mit Fleiß und Blut erschaffen hat. Zu lange schon nehmen die Fron und der Zehnt von Jahr zu Jahr zu, während sie uns die Wälder und das Wild immer weiter stehlen, nur um uns das Holz wie das Vieh dann immer teurer bezahlen zu lassen. Zu lange schon halten wir still in der ewig neuen Hoffnung, unsere Frauen und Kinder irgendwie mit dem Nötigsten noch einmal durch den nächsten Winter zu bringen.“

      Zustimmendes Geraune und einzelne Zurufe. Bermeter hielt ein Flugblatt mit dem Titelblatt zu den 12 Artikeln und Forderungen der Bauern in die Höhe und wies mit dem anderen Arm Richtung Festungsberg.

      „Damit aber hat es jetzt ein Ende. Unsere Forderungen sind gerecht, gottesfürchtig und in guten Worten gesprochen! Der Bischof ist geflohen! Nun bleibt uns nur noch den letzten Schritt bis hinauf auf den Berg zu tun und die vergangene Herrschaft dieser an unserer Not dick und satt gefressenen Fürsten und Pfaffen in den Staub zu treten!“

      Anschwellender Jubel nahm Bermeter fürs erste die Kraft darüber hinweg zu rufen. Er schnaufte einen Moment lang durch, beruhigte sein erregtes Herz und befahl den weichen Knien, ihr leichtes Zittern einzustellen. Der Erfolg war mäßig, doch er hoffte, dass seine Schwäche nicht zu sehen war. Alles hing davon ab, dass die Ungeduldigen an seine Kraft und Überzeugung glauben würden, denn der Feind saß nicht nur dort oben auf der Bischofsburg, sondern fand sich gleichwohl auch unter ihnen selbst, nannte sich Rat der Stadt, Viertel- und Gildemeister, gar zaudernder Hauptmann dieses oder jenes Bauernhaufens wie dieser Götz, zu dessen Odenwäldern er gerade sprach. Jammerlappen und von trauriger Gestalt waren sie, alle miteinander! Die Zeit drängte, man durfte mit dem Sturm auf die Festung nicht länger warten. Während diese feigen und zögerlichen Kerle von Palaver zu Palaver eilten, zog bereits ein Fürstenheer des Schwabenbundes dem Maintal entgegen. Sie brauchten diese Burg auf dem Berg und sie brauchten sie verdammt nochmal jetzt! Und sei es nur, um sie niederzubrennen und zu schleifen. Bermeter hatte sich wieder etwas gesammelt und auch der Jubel kam zur Ruhe.

      „Sie haben uns Würzburgische hingehalten, ein ums andere Mal. Sie haben den braven Bürgern der Stadt gesagt, es sei besser mit dem