Die Lean Reise. Manfred Oertle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manfred Oertle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная деловая литература
Год издания: 0
isbn: 9783932298646
Скачать книгу
voraus, dass die Leser dieses Buches die wichtigsten Lean-Methoden kennen oder in der Lage sind, sich darüber zu informieren. Hier geht es um die Geschichte der Transformation als Ganzes. Darum, die Reise in die Exzellenz nacherleben zu können. Und darum, wichtige Erkenntnisse für die eigene Reise zu erlangen. Ich will Sie, liebe Leser, für diese Reise begeistern, Ihre Freuden mit Ihnen teilen und Sie vor den drohenden Gefahren warnen. Denn eines kann Ihnen ich als erfahrener Reiseleiter versichern: die Sache lohnt sich.

      Dennoch kommt man um eine terminologische Grundausstattung nicht herum. Einige zentrale Begriff in aller Kürze.

      Wertschöpfung und Verschwendung

      Ein grundlegendes Ziel von Lean ist, Verschwendung zu vermeiden – und die Wertschöpfung zu maximieren. Verschwendung ist dabei alles, was dem Produkt im Sinne des Kunden keinen direkten Wert oder keine direkte Eigenschaften zur besseren Funktionserfüllung hinzufügt, jedoch unnötig Ressourcen verbraucht und damit unnötige Kosten verursacht. Allgemein wird von sieben Verschwendungsarten gesprochen, genau genommen sind es sogar acht:

       Überproduktion (Produktion zu viel/zu früh). Sie gilt als die „Mutter der Verschwendung“, weil durch sie alle übrigen Verschwendungsarten mit beeinflusst werden.

       Bestände (an Vormaterial oder Fertigerzeugnissen). Bestände binden nicht nur Kapital, sie benötigen Flächen/Gebäude, verursachen Handlingsschritte auf die Lagerflächen und von dort zum nächsten Prozessschritt, erschweren die Sichtbarkeit auf Qualitätsmängel, …

       Transporte (mit Material) und Wege (ohne Material). Transporte entstehen dadurch, dass Prozessstufen nicht gekoppelt sind und somit das Prinzip des Flusses (s.u.) durchbrochen ist. Für Transporte sind Transportmittel, i.d.R. Personen und Flächen notwendig.

       Bewegungen (auch von Maschinen oder Augen). Durch unnötige Bewegungen entstehen unnötige Zeitbedarfe. Ggf. werden auch unnötig Ressourcen und Energie verbraucht.

       Wartezeiten betreffen Stillstandszeiten von Menschen, Maschinen und Material. Maschinen und Menschen werden nicht vollständig genutzt, Material wird nicht bearbeitet, woraufhin sich Bestände bilden, Durchlaufzeiten länger werden …

       Fläche wird aus unterschiedlichen Gründen als Verschwendungsart angesehen. Fläche kostet nicht nur Geld in Form von Mieten für Gebäude sowie für Beheizung / Beleuchtung etc. Freie Flächen ziehen wie Magnete auch Bestände an. Zudem müssen unnötige Flächen von vielen Mitarbeitern oder Transportmitteln pro Tag passiert oder durchquert werden, wodurch täglich oft Kilometer an unnötigen Wegen entstehen.

       Nacharbeiten / Fehler erfordern zusätzliche Kapazitäten an Menschen und Maschinen, um Nacharbeiten durchführen zu können. Zudem sind Bestände an Material notwendig, um für ungeplante Bedarfe nachproduzieren zu können (oder schon Ersatzprodukte auf Lager zu haben). Hinzu kommen Überqualitäten in Produkt und Prozess. Sie kosten Geld, ohne das vom Kunden honoriert zu bekommen.

       Die nicht genutzte Kreativität der Mitarbeiter führt dazu, dass Optimierungspotenziale nicht gefunden und nicht umgesetzt werden.

      Verschwendung heißt auf Japanisch Muda. Dieser Begriff ist eng verknüpft mit zwei weiteren Begriffen, nämlich Mura (Schwankung) und Muri (Überlastung). Die Sequenz Mura – Muri – Muda bezeichnet einen der vielleicht wichtigsten Zusammenhänge im Lean Management. Schwankungen erzeugen Überlastungen erzeugen Verschwendungen. Oftmals liegt die Ursache von Verschwendung (Überproduktion, Bestände, Fläche, Bewegungen, Wartezeiten, Transporte, Nacharbeit / Fehler, …) in Schwankungen von Arbeitsabläufen, Maschinen oder eingeplanten Produktmengen/eingeplantem Produktmix begründet.

      Operative Prinzipien

      Neben den bereits skizzierten strategischen Prinzipien wird Lean geprägt von der grundsätzlichen Herangehensweise an Arbeitsabläufe. Hier gelten die vier bekannten Prinzipien „Fluss – Takt – Pull – Null.“

      Fluss. Prozesse im Sinne einer schlanken Denkhaltung „fließen“. D.h., dass an einem Produkt (oder in der Administration an einer Information) kontinuierliche Wertschöpfung betrieben wird. Sobald einmal mit Wertschöpfung begonnen wurde, sollen keine Zwischenlagerstufen oder Pausen entstehen, was durch gekoppelte Produktionsstufen erreicht wird. Dies führt in letzter Konsequenz zur Philosophie eines „Einstückflusses“.

      Takt/Rhythmus. Das gesamte System soll in einem gleichmäßigen Rhythmus pulsieren, der dem Kundentakt folgt. Werden alle Bestandteile des Systems wie ein Getriebe auf den Kundentakt ausgelegt, so entstehen repetitive, wiederholbare Aktivitäten, die nun optimiert und standardisiert werden können. Zudem können Kapazitäten von Anlagen, Personal, Flächen, Ladungsträgern etc. auf genau diese Kapazitätsbedarfe (also Stückzahlen pro Zeiteinheit, dem Takt folgend) ausgelegt werden. Womit teure Über- / Leerkapazitäten vermieden werden.

      Produktion nach Kundenbedarf (Pull bis hin zu synchronen Flüssen). Produziert wird nur das, was der Kunde möchte, nicht mehr und nicht weniger. Konkretisiert wird dieses durch das „ziehende Prinzip“. Nur wo etwas fehlt, muss etwas hin, nur wo etwas verbraucht wurde, darf nachproduziert werden. Idealerweise erfolgt die Produktion FIFO (first in first out) oder gar synchron (ohne Zwischenlagerstufen im Fluss) zum Kunden hin.

      Null Schwankungen. Alle Prozesse sollen auch so schwankungsarm wie möglich ablaufen. Alle Schwankung in Prozessen führen zu steigenden Zeitbedarfen als den geplanten – die Austaktung kann nicht optimal sein, Verluste in Form von Leerzeiten oder Überlastungen entstehen. Bei Schwankungen in der Produkt-/ Prozessqualität werden zu viele oder zu wenige Produkte produziert, folglich entsteht Verschwendung in Form von Lagerung, Fehlteilen oder Nachproduktion bei Qualitätsmängeln. Schwankungen in Produktionsmenge und -mix führen dazu, dass nicht alle Prozesse, auch jene beim externen Lieferanten, in einem idealen Rhythmus pulsieren können.

      Zur nochmaligen Wiederholung: Das Verständnis der Schwankungsarmut oder auch Stabilität ist wahrscheinlich das wichtigste Denkprinzip zur Gestaltung schlanker Prozesse. Mura – Muri – Muda, wie oben bereits erwähnt.

      Ein Buch hat neben unbestreitbaren Vorteilen die Eigenschaft, dass die Inhalte darin linear angeordnet sind. Nicht immer gelingt es, hier bei einer widerspruchsfreien Logik zu bleiben. So habe ich das Prinzip der Ganzheitlichkeit, verbunden mit dem so bezeichneten Zwiebelschalen-Modell, bereits mehrfach angesprochen. Und kann erst im nachfolgenden Abschnitt ausführlicher auf dieses Prinzip und dieses Modell eingehen.

      Der Ort der Wahrheit, an dem Wertschöpfung am Produkt stattfindet, heißt auf Japanisch Gemba – Ort der Wahrheit. In produzierenden Unternehmen ist dies hauptsächlich… die Produktion. Die zentrale Idee ist, Verschwendung oder auch Schwankungen von innen nach außen zu verlagern. Die Produktion (in unserem Modell die innere „Zwiebelschale“) soll so effizient und ruhig wie möglich Wertschöpfung betreiben können (siehe Bild 1-1). Verschwendung und Schwankungen in Zeitbedarfen von Prozessen (beispielsweise durch Behälterwechsel o.ä.) werden nach außen gegeben. Für die Mitarbeiter bedeuten solche unregelmäßigen Tätigkeiten durch Behälterwechsel Störungen der regelmäßigen Arbeit. Übernehmen Materialbereitsteller oder Logistiker diese Tätigkeiten, so machen sie diese Schwankungen idealerweise zu ihrer eigenen Regelmäßigkeit. Auf diese Weise werden Schwankungen wie in einer Zwiebel von innen nach außen gegeben.

      Bild 1-1: Das Modell der Zwiebelschale – Optimierung von innen nach außen

      So weit, so gut. Allerdings wirkt ein wichtiger Faktor umgekehrt von außen auf das Gesamtsystem ein: Der zentrale Hebel für ein schlankes Unternehmen liegt in der Konstruktion der Produkte. Denn abhängig davon, wie ein Produkt konstruiert wurde, ist es zu produzieren. Dazu sind spezifische Materialien, Produktionsschritte und -verfahren, aber auch Produktionsanlagen und -zeiten nötig. Oder denken Sie an das Thema Komplexität, wenn es um die vom Kunden gewünschte