Im Folgenden wird fast ausschließlich auf die Ergebnisse des Schweizer Schlussberichts für die Richtung Homöopathie Bezug genommen. Um die Wirksamkeit der Heilmethode bewerten zu können, wurden zuerst einmal systematische Reviews aus der Literatur herangezogen. Die meisten davon zeigten, dass die Homöopathie effektiv ist. Der HTA (Health Technology Assessment Report) von Prof. Dr. med. Peter Matthiessen und dessen Mitarbeitern kam zu dem Ergebnis: »In der Auswertung von 22 systematischen Reviews zur Homöopathie fanden 20 Arbeiten zumindest einen Trend zugunsten der Homöopathie.« Fünf Studien zeigten sogar einen deutlichen Beleg für deren Wirksamkeit. Auf dieser Basis stuften die Berichtsautoren die »Alltagswirksamkeit« der Homöopathie bei drei Möglichkeiten (wahrscheinlich, fraglich, unwahrscheinlich) als »wahrscheinlich« ein und folgerten, es gebe ausreichend Belege für eine klinische Wirksamkeit!
Von den 110 Studien zur Homöopathie wurden nur acht verwendet
In einem nächsten Schritt wurden nun von der Universität Bern integrierte statistische Auswertungen vorgenommen, bei denen die Ergebnisse mehrerer Studien in einer einzigen Zahl zusammengefasst wurden, darunter auch die hier infrage gestellte Metaanalyse von Shang et al. zur Homöopathie. Da die Methodik solcher Analysen äußerst komplex ist, soll an dieser Stelle versucht werden, die Vorgehensweise möglichst verständlich darzustellen.
Für die Analyse wurden 110 placebokontrollierte homöopathische Studien 110 Studien der konventionellen Medizin gegenübergestellt, die sich in ihrer methodischen Qualität ähnelten. Bei den meisten zeigte sich unter Verum, also unter der aktuellen Versuchsgruppe, eine bessere Wirkung als unter Placebo. Dann erfolgte eine Untersuchung der Ergebnisse auf Heterogenität. Dabei wird geprüft, ob die Ergebnisse der einzelnen Studien – unter der Annahme, dass alle Studien den gleichen Effekt messen – stärker voneinander abweichen, als dies aufgrund zufälliger Schwankungen zu erwarten wäre. Ein Heterogenitätsindex von 50 bis 75 Prozent zeigt dabei an, dass die einzelnen Studien Unterschiedliches messen oder Störfaktoren die Ergebnisse verfälscht haben. Da bei den homöopathischen Studien der Index um die 65 Prozent lag, zogen die Forscher aus Bern nur eine Anzahl der größeren Studien für die Analyse in Betracht. Denn hier spielt der Zufall eine geringere Rolle als in kleineren Studien, bei denen die Ergebnisse stärker um den »wahren« Wert schwanken können, d. h. in einzelnen kleinen Studien kann die Wirksamkeit überschätzt, in anderen unterschätzt werden.
Man spricht in solchen Fällen von einem »small study bias«, was bedeutet, kleinere Studien können ein eher verzerrtes Bild von der Wirksamkeit abgeben. Somit wurden von insgesamt 110, zumeist positiven Homöopathiestudien nur acht größere herangezogen und dann gepoolt (zusammengeworfen). Die Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus war dabei nicht signifikant. Dies bedeutet also: Nicht anhand von 110 Studien, sondern von nur acht beschwor der Lancet das Ende der Homöopathie herauf.
Eine vergleichbare Studie zeigt: Schulmedizin wirkt auch nicht!
Vielleicht war es den Redakteuren des Lancet vorenthalten worden, aber die Uni Bern hatte natürlich ebenso eine Metaanalyse für die Therapierichtung Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) erstellt. Hier zeigten die neun großen Phytotherapie-Studien übrigens eine deutlich bessere Wirkung als die Placebos. Doch nur zwei der insgesamt 89 schulmedizinischen Vergleichsstudien wurden, so der PEK-Schlussbericht, als methodisch hochwertig kategorisiert – und in diesen war der Effekt zufälligerweise nicht signifikant höher als ein Placebo. Würde man hier dieselben Maßstäbe des Lancet anlegen, könnte dies nur eines bedeuten: das Ende der konventionellen Medizin! Da nach dieser Metaanalyse die Schulmedizin nicht besser wirkt als Placebo-Medizin, wäre es folgerichtig, die Gelder für die schulmedizinische Forschung zu stoppen! Und Ärzte müssen ihren Patienten klar und deutlich sagen: Alles schulmedizinische Tun ist nur trügerische Scheinbehandlung! Da wird die Beschränktheit der Vorgehensweise nur allzu offensichtlich!
Der Kommentar im Schweizer Schlussbericht: Die Metaanalyse sei problematisch
Im Vergleich zum Editorial des Lancet war der Kommentar im PEK-Schlussbericht einer wissenschaftlichen Arbeit schon eher angemessen und sah die Metaanalysen zwar als technisch hochwertig, im Bezug auf die Frage der Wirksamkeit jedoch als problematisch an, denn »… Grundvoraussetzung für eine eindeutige Interpretierbarkeit der Ergebnisse solcher Analysen ist, dass alle Studien eigentlich den gleichen Effekt messen. In den vorliegenden Analysen wurden jedoch Studien zu den verschiedensten Interventionen bei verschiedenen Erkrankungen zusammengeworfen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Interventionen bei allen Erkrankungen gleich große Effekte [= Wirkung] haben. Vielmehr ist es unzweifelhaft, dass die Größe von Behandlungseffekten erheblich variiert. Was als klinisch relevanter Behandlungseffekt definiert wird, hängt außerdem grundsätzlich (unabhängig vom zu erwartenden Effekt der Intervention) von Erkrankung und Zielkriterium ab. All dies hat Auswirkungen auf die Größe bzw. Präzision von Studien: Erwartet man einen großen Effekt, kann die Studie deutlich kleiner sein, erwartet man dagegen einen kleinen Effekt, wird eine große, präzise Studie benötigt ... Werden nun Gruppen von Studien zusammengeworfen, die unterschiedlich große ›wahre‹ Effekte messen, wird ein asymmetrischer funnel plot [= hoher Heterogenitätsindex] entstehen, auch wenn kein small study bias besteht.«2
Will man also eine aussagekräftige Antwort erhalten, kann man nicht so einfach Studien über die unterschiedlichsten Beschwerden in einen Topf werfen. In den Analysen der Berner Universität sei es zudem nicht möglich gewesen, zu unterscheiden, ob nun ein hoher Heterogenitätsindex durch small study bias oder durch wahre Unterschiede in den Effektgrößen verursacht wurde.
»Im Falle der Homöopathie kann man argumentieren, dass die Plausibilität einer Wirkung homöopathischer Potenzen so gering ist, dass man alle homöopathischen Interventionen als Placebo interpretiert, ihr ›wahrer‹ Effekt im Vergleich zu Placebo also gleich Null ist.«2
Dies war ja übrigens auch die Annahme von A. Shang und seinem Team, die schon von vornherein davon ausgegangen waren, dass die Wirkungen der Homöopathie nur unspezifische Placebo- oder Kontexteffekte seien. Sollte diese Annahme aber zutreffen, dann sei die gesamte Heterogenität durch »small study bias« verursacht. Zu einem gewissen Grade wäre es in so einem Fall angemessen, so der Schlussbericht, alle Studien zusammenzuwerfen. Würde man aber alle 110 Homöopathiestudien in der Metaanalyse poolen, wäre die Wirksamkeit der Homöopathie eindeutig bewiesen!
Die PEK-Bewertung
»Bei bestimmten Indikationsgebieten hat die Schulmedizin gar keine Alternative zur Homöopathie oder nur Medikamente mit beträchtlich höherem Risikopotenzial.«2
Der Schweizer Ausschuss fasste die Ergebnisse zur Homöopathie wie folgt zusammen:
• Bei den Bewertungsberichten wurde die Homöopathie als »eingeschränkt wirksam«, in der Metaanalyse als »eingeschränkt nicht wirksam« bewertet.
• Beim Bewertungskriterium Sicherheit attestierte der Ausschuss der Homöopathie, dass das »klinische Schädlichkeitspotenzial« in der Hand ausgebildeter Fachkräfte zu vernachlässigen sei.
• Die Nachfrage für Homöopathie sei groß, die Zufriedenheit der Patienten uneingeschränkt belegt.
• Beim letzten und für die Schweizer wahrscheinlich wichtigsten Punkt, der Wirtschaftlichkeit und den Kosten, kam der Ausschuss zu einem »eingeschränkt positiven« Ergebnis. Die direkten Kosten bei der homöopathischen Behandlung lagen circa um ein Drittel niedriger als bei der schulmedizinischen, doch seien die Patienten, die zum Homöopathen gingen, im Allgemeinen jünger und gesünder als der Durchschnittspatient beim Schulmediziner. Trotz einer nachträglichen Abwertung schloss die Homöopathie aber immer noch leicht kostengünstiger ab als die Schulmedizin. Zwar seien die Konsultationskosten höher, doch die Kosten von Diagnostik und vor allem von Medikamenten seien demgegenüber wesentlich niedriger.
Vernachlässigt vom PEK wurden aber die Steuervergünstigungen und staatlichen Forschungsgelder der pharmazeutischen Industrie in der Schweiz, die in die Diagnostik- und Medikamentenkosten der schulmedizinischen