Das von den Franken eroberte Land um die Ufer des Rheins und des Mains empfing nun den Namen Franken, welches in das östliche und westliche zerfiel, von denen heutzutage nur jenes, das Land um den Mainstrom, die Benennung beibehält. Das rheinische Franken aber erlangte bald, vielleicht wegen seiner Lage im Herzen des damaligen Reiches, den Vorrang nicht nur vor dem östlichen, sondern vor allen deutschen Herzogtümern. Schon unter den Karolingern war es als die königliche Tafelprovinz die vornehmste des Reichs, unter den sächsischen Kaisern blieb ihm als dem Sitz des salischen Geschlechts, des edelsten Hauses in Deutschland, der Vorzug unangetastet, und als die Salier in den fränkischen Konraden und Heinrichen selbst den Thron bestiegen, festigte er sich, der sächsischen Eifersucht zum Trotz, immer mehr. Seitdem galten die Rheinfranken für das erste deutsche Volk, die Wahl des deutschen Königs mußte auf fränkischem Boden geschehen, nicht minder die Krönung, weshalb man die Erde Frankfurts nach Aachen schaffen ließ. Bei beiden feierlichen Handlungen ging der König fränkisch gekleidet und lebte fortan nach fränkischem Recht. So war der Erzbischof von Mainz als der rheinfränkische Kurfürst der Primas des Reichs, und der Herzog des rheinischen Frankenreichs der vornehmste unter den westlichen Großen.
Die Bewohner der nördlichen Hälfte Badens, in der Schwebe zwischen fränkischer und alemannischer Volksnatur, scheinen sich doch mehr letzterer zuzuneigen als jener, die erst diesseits des Neckars entschiedener auftritt. Und auch darum preisen wir sie glücklich, denn der gemütliche Schwabe hat in seinem ruhigen Behagen größere Ansprüche auf irdisches Glück als der von der Begierde zu wirken rastlos bewegte Franke.
Rheinpfalz
Von Straßburg abwärts wird der Rhein für den Handelsverkehr in Ober-, Mittel-und Niederrhein eingeteilt; drei Stromstrecken, welche die Natur selber durch größere Schiffbarkeit unterschieden hat. Jeder derselben entspricht einer der drei Hauptpunkte an dem handeltreibenden Rhein – Straßburg, Mainz und Köln –, welchen die Notwendigkeit der Umladung auf die geeigneten Schiffe ein natürliches, dann auch vom Reich anerkanntes und verbrieftes Stapelrecht verliehen hat. Der jugendliche Rhein oberhalb Straßburg fällt ganz außerhalb dieser Einteilung. Noch sind aber die zwischen Straßburg und Mainz fahrenden Schiffe von minderer Ladungsfähigkeit als die, deren man sich auf dem Mittelrhein, zwischen Mainz und Köln, oder gar auf dem Niederrhein, zwischen Köln und der Nordsee bedient. Und gleichwohl erhält ein oberländisches Schiff in Straßburg noch nicht die volle Ladung, sondern diese wird auf mehrere kleine, angehängte Fahrzeuge verteilt, von welchen sie erst zu Neuburg oder Schröck (Leopoldshafen bei Karlsruhe) auf das Hauptschiff zusammengebracht werden darf. Denn indem er sich der Rheinpfalz nähert, legt der Rhein allmählich sein Ungestüm ab und nimmt einen regelmäßigeren Lauf an. Auch hat nun sein Bett die für schwerer beladene Schiffe erforderliche Tiefe, und für die Schiffahrt gefährliche oder bedenkliche Stellen kommen erst unterhalb Bingen wieder vor. Dagegen ist in diesen Ebenen der Rhein zu Überschwemmungen geneigt und muß in früheren Zeiten sein Bett mehrfach gewechselt haben. Die Gegend unterhalb der alten Reichsfestung Philippsburg wird das Prurhein (Prorhenum) genannt. Der Hauptort desselben war Bruchsal, das wie Brüssel nach Brüchen und Sümpfen genannt scheint. So hat auch das benachbarte Durlach von dem See (Lacus) den Namen, den hier der Rhein gebildet haben soll. Endlich wurde der Mettersheimer Hof zwischen Gemersheim und Philippsburg sonst Kleinholland genannt. All dies deutet auf Verheerungen hin, die hier der Rhein angerichtet hat, ehe Natur oder Menschenhand ihm festere Ufer bildete.
Der Name der Rheinpfalz ist jetzt nur dem rheinbayerischen Land offiziell und im gewöhnlichen Sprachgebrauch, außerdem noch dem benachbarten Rheinhessen verblieben, während auf dem rechten Rheinufer die alte Hauptstadt der Kurfürsten von der Pfalz samt ihrer Umgebung badisch geworden ist. Die wichtigsten Momente aus der Geschichte der Pfalz zu erzählen werden wir von Zeit zu Zeit Gelegenheit finden. Auffallend ist es, wie die Pfalz gleichsam eine Reise den Rhein hinauf und wieder hinab gemacht hat. Zuerst nämlich treten die Pfalzgrafen zu Aachen, am Niederrhein, auf. Bald darauf erfahren wir, daß der Tomberg, zwischen Bonn und der Eifel, ihnen von alters her gehört hat. Weiterhin finden wir sie als Herren von Laach bei Andernach zwischen der Mosel und der Nette stark begütert, wo noch heute die Namen Alt-und Neupalenz im Andenken sind. Seit Hermann von Stahleck erscheinen sie dann in der seitdem so genannten Unterpfalz, wo sie Bacharach usw. als kölnisches Lehen besaßen. Immer rheinaufwärts strebend erwarben sie zuletzt Besitzungen in dem alten Lobdengau und gründeten Heidelberg, erhoben es zum Sitz ihrer Herrschaft und verbreiteten diese von dort aus als Kurfürsten von der Pfalz über die ganze Nachbarschaft. Als sie aber nach dem Jülich-Kleveschen Erbfolgestreit die Herzogtümer Berg und Jülich an sich brachten, schien die Pfalz gleichsam zu ihrem ersten niederrheinischen Ursprung zurückzukehren.
Ehe die überrheinische Pfalz diesen Namen empfing, gehörte sie zum Speyergau, zum Teil auch zum Wormsfeld, welches Mainz miteinschloß. Von Bingen abwärts folgten dann der Nahe-und der Trachgau. Rechts reihte sich an den Kraichgau, in dem die Kraich in den Rhein fällt, der schon erwähnte Lobdengau, in dem Ladenburg (Lupodunum) und Heidelberg, seine Hauptorte, liegen. Diesem schloß sich der obere Rheingau an, den der Main von dem unteren scheidet, der heutzutage allein noch den Namen führt.
Der Wormsgau wird auch Wonnegau genannt, ein Name, der zugleich auf die Lieblichkeit des Landes und auf die alten Vangionen deutet. Aber auch die Burgundionen, sieben Fuß hohe Männer mit langem Haupthaar, haben eine Zeitlang hier gewohnt und unter den römischen Adlern gefochten. Von Attilas Hunnenscharen bedrängt, zogen sie an die Rhône, gründeten dort ein neues Reich und machten Lyon zu ihrer Hauptstadt. Die Erinnerung, daß Worms einst die Hauptstadt des burgundischen Reichs war, hat sich außer in den »Nibelungen« noch in dem Volkslied von dem »Star und dem Badewännlein« (»Rheinsagen«, Seite 298) erhalten, wo die arme Dienstmagd durch das burgundische Wappen an dem Badewännlein als die Tochter eines rheinischen Königs erkannt wird:
»Grüß Gott, grüß Gott, mein Schwesterlein,
Dein Vater ist König an dem Rhein.«
Die Rheinpfalz wird von dem Hardtgebirge, einer Fortsetzung der Vogesen, durchzogen, an dessen Fuß jene fruchtbaren, weintriefenden Höhen sich wölben, die der Gott der Reben zu Lieblingssitzen erkoren hat. Die Reise über Landau, Edenkoben, Neustadt, Deidesheim, Forst, Dürkheim, Ungstein und Grünstadt, lauter dem Önologen wie dem Weintrinker wohltönende Namen, gehört zu den schönsten, die man am Rhein machen könnte. Für diesmal liegt sie nicht in unserem Plan; jedoch gedenken wir in die höheren Gegenden Rheinbayerns vom Nahegau aus zurückzukehren. Wir erwähnen nur einzelne hervorragende Punkte. Fast an der Grenze des Elsaß und Rheinbayerns liegt die Kaiserburg Trifels (im Annweiler Tal bei Landau), wo einst die Reichskleinodien verwahrt wurden und Richard Löwenherz eine Zeitlang gefangen saß, bis ihn sein getreuer Blondel auffand und seine Freigebung bewirkte. Die Sage meldet, Blondel habe den Aufenthalt des Königs in den dunklen Verliesen der Reichsburg durch Gesang entdeckt. Das Nähere wird verschieden angegeben. Nach einigen hatte der König die Weise des Liedes, das die Entdeckung herbeiführte, in den Tagen seiner Heldenjugend selber erfunden. Zum Verständnis der nachstehenden Behandlung der Sage erinnern wir an die Sitte des Mittelalters, die in den Liedern jener Zeit so häufig benutzt wird, wonach der Wächter von den Zinnen des Turms, wie sich bei unseren Nachtwächtern noch ein schwacher Überrest davon erhalten hat, ihre Meldungen singend zu verrichten pflegten und daher wohl für gesangliebende und gesangkundige Leute gelten mochten. Die unteren Räume des Turms aber wurden gewöhnlich zu Gefängnissen benutzt.
Richard Löwenherz