Mörderisches aus Sachsen. Petra Steps. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra Steps
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839269527
Скачать книгу
Du bringst mich um meinen Job, wenn das herauskommt.«

      »Lass uns ein wenig darüber sprechen. Vielleicht wird dir dabei manches klarer und dir kommt eine Idee für das weitere Vorgehen.«

      »Es ist ziemlich kurios. Wenn etwas an der Verdächtigung dran ist, dann dreht es sich nicht nur um ein Tötungsverbrechen.«

      »Worum sonst?«

      »Strafvereitelung im Amt zum Beispiel oder unterlassene Hilfeleistung. Aber das wäre alles verjährt.«

      »Puh, starker Tobak, würde der Berliner sagen.«

      »Schlimmer. Der Sohn hat seinen Vater angezeigt, weil dieser die Sache mit dem Tod des Mannes gewusst und vertuscht haben soll. Und weißt du, wer dieser Vater ist?«

      »Nein, natürlich nicht.«

      »Mein damaliger Dienstgruppenleiter Erwin. Er ging kurze Zeit später in den Ruhestand. Und er hat damals festgelegt, dass wir die Ermittlungen einstellen. Ich war jung und ein wenig ungestüm. Vermutlich hätte ich weiter ermittelt, wenn er die Akte nicht geschlossen hätte. Ich habe nachgegeben und mich nicht gewehrt.«

      »Und der Sohn? Was hat der für ein Motiv für die Anzeige?«

      »Die Witwe behauptet, er sei neidisch, weil Erwin sie als Universalerbin eingesetzt hat und er nur den Pflichtteil bekommen sollte. Bei Erwins Familie ist ordentlich Geld da, ein großes Grundstück mit Ferienwohnungen, ein Vierseithof, Wald, verpachtete Felder und Wiesen. Der Sohn war lange Zeit im Ausland, ich kannte ihn gar nicht. Erwin hatte wohl nicht damit gerechnet, dass er die mallorquinische Sonne wieder gegen den Dauerwinter im Erzgebirge tauschen würde. Nach erfolgloser Glückssuche auf Malle zieht es den Burschen offenbar in die alte Heimat zurück. Und dann das: In seinem früheren Zuhause schwingt inzwischen die lustige Witwe vom Hang gegenüber das Zepter. Das findet er nicht amüsant.«

      »Hat sie was mit deinem früheren Kollegen?«

      »Das muss ich herausfinden. Und wenn, dann wäre interessant, wie lange das schon geht.«

      »Daran dachte ich gerade. Wenn nicht sie, sondern er ein bisschen nachgeholfen hat?«

      »Adina, bitte. Nimm mir nicht jede Illusion. Erwin war mein väterlicher Chef. Bei ihm habe ich praktisch die ersten Schritte auf eigenen Füßen gelernt.« Oli seufzte. »Aber du hast recht, ich habe schon daran gedacht. Er war allein mit dem Erbe seiner Eltern. Sie hatte Aussicht auf Haus und Hof in Mildenau. Und ihr Mann muss ein echtes Ekel gewesen sein, vor allem, wenn er blau war.«

      »Hat er sie geschlagen?«

      »Nicht nur einmal. Sie hat ihn mehrfach angezeigt. Dabei hat sie meinen Kollegen kennengelernt. Sie behauptet das zumindest.«

      »Und du kannst die Sache nicht auf sich beruhen lassen? Es macht ihn nicht mehr lebendig, und sie wurde durch seinen Tod vielleicht gerettet.«

      »Was hast du nur für seltsame Gedanken, Adina. Man kann nicht wissentlich ein Unrecht ignorieren oder gegen ein anderes aufrechnen. Wenn ich etwas von einer Straftat weiß, bin ich zum Ermitteln gezwungen.«

      »Man kann so oder so ermitteln. Denk an deine Kollegen, die auf dem rechten Auge blind sind. Bei denen ist es Usus, nur bestimmte Sachen zu sehen. Ich sage nur Nationalsozialistischer Untergrund NSU. Es ist keinem geholfen, wenn ihr einen angeblichen Mörder oder Helfer findet. Der Mann ist tot und die Frau fühlt sich definitiv besser als vorher.«

      »So darfst du nicht denken, Adina. Wenn ich mit dieser Einstellung an meinen Job herangehe, brauche ich gar nicht mehr ermitteln. Irgendjemandem ist stets geholfen. Alles hat zwei Seiten. Aber Verbrechen ist Verbrechen. Und der Sohn lässt bestimmt nicht locker. Der will den ganzen Besitz.«

      »Weil der Herr Sohn nichts auf die Reihe gebracht hat, soll sein Vater oder die Witwe in den Knast. Wie alt sind die denn?«, wollte Adina wissen.

      »Die Frau, Birgit heißt sie, war damals 45, ihr trinkender Herr Gemahl 13 Jahre älter. Und mein Kollege? Lass mich rechnen. Er ging vor dem 60. Geburtstag in Pension. Also sie Mitte 50, er knapp über 70.«

      »Was sagt dein Bauchgefühl?«

      »Wenn ich an die Ermittlungen damals denke, kann schon etwas an der Sache dran sein. Ich mache jetzt erst mal weiter mit den Befragungen. In der Rechtsmedizin, bei meinem Kollegen, in Mildenau und nicht zu vergessen die Liane, die ich besuchen werde. Fleischverkäuferinnen sind wie die Verkäuferinnen im früheren Dorfkonsum. Die hörten es läuten, da hatten die Glocken noch gar nicht geschlagen.«

      Adina kuschelte sich näher an Oli heran. »Ich wäre gern mit dir nach Berlin gefahren. Wenigstens der Abend gehört uns. Morgen spreche ich mit Mia und Markus. Und um meinen Blog muss ich mich kümmern, jetzt, wo es so viele Neuigkeiten gibt. Nächste Woche in Berlin unterschreibe ich den Verlängerungsvertrag und besuche meine Eltern. Echt schade, dass du nicht mitkommen kannst. Aber das holen wir nach. Meine Eltern sollen dich richtig kennenlernen, ich meine offiziell.«

      »Danke, dass du mich verstehst. Beziehungen mit Polizeibeamten sind nicht einfach. Deshalb habe ich auf eine Frau wie dich gewartet.«

      Oli nahm Adina zärtlich in den Arm. »Was hast du eigentlich für eine wunderbare Musik ausgewählt? Ich glaube, die muss ich mir einmal in Ruhe reinziehen. Es hört sich an wie zuhause.«

      »Du bist hier zuhause, Oli. Oder fühlst du dich nicht wohl? Vermisst du irgendetwas?«

      »Um Himmels Willen, so war das nicht gemeint. Ich dachte an mein früheres Zuhause. Der Drummer erinnert mich an meine Eltern. Ich bin mit Jazz-Platten groß geworden. Und meine Mutter liebte vor allem die Schlagzeuger, Günter »Baby« Sommer, Klaus Selmke und so. Sie hatte viele Jazz-Platten. Louis Armstrong natürlich, der war auch in der DDR gern gesehen. Satchmo, wie er genannt wurde, durfte einmal durch den Osten touren, mitten im Kalten Krieg. Vielen anderen Künstlern wurde das bekanntlich verwehrt. Als die Wende kam, gab meine Mutter ihr komplettes Begrüßungsgeld für Jazz-Platten aus, Art Blakey, Gene Krupa, Peter Erskine, später dann Brian Blade und wie die Jazz-Drummer alle heißen. Das Plattenregal füllte sich. Die Plattenläden freuten sich. Viele gibt es heute gar nicht mehr. Ich meine, Plattenläden. Und auch von den legendären Jazz-Musikern weilen etliche nicht mehr unter uns. Die ganze Miles-Davis-Generation, Duke Ellington, Keith Jarrett, Chick Corea, der Deutsche Wolfgang Dauner. Auf BR Klassik mehren sich die musikalischen Nachrufe für Mamas Idole. Mich meldete sie gleich nach der musikalischen Früherziehung beim Schlagzeugunterricht an. Ich konnte kaum über die Snare Drum gucken und bis an die Becken reichen.«

      »Du hast Schlagzeug gelernt? Warum hast du mir bisher noch nie davon erzählt?«

      »Keine Ahnung. Es hat sich nicht ergeben. Das gute Teil steht noch im Keller. Vielleicht packt es mich irgendwann wieder einmal.«

      »Warum hast du aufgehört zu spielen?«

      »Kennst du den alten Schlagzeuger-Witz? Kommt ein Sohn zu seiner Mutter und sagt: Wenn ich erwachsen bin, möchte ich Schlagzeuger werden. Die Mutter schüttelt den Kopf und antwortet: Mein Sohn, du musst dich entscheiden, beides zusammen geht nicht.«

      Adina prustet los. »Und da hast du dich für das Erwachsenwerden entschieden? Biederes Beamtendasein, immer regelmäßig Kohle auf dem Konto. Und kein verarmter Drummer. Erfährt ein Schlagzeuger beim Arzt, dass er noch drei Monate zu leben hat. Fragt er zurück: und wovon?«

      Oli musste lachen. »So ungefähr«, sagte er.

      »Aber Drummern sagt man auch ein abwechslungsreiches Leben nach. Kennst du das Bild, auf dem der Schlagzeuger mit drei hübschen Frauen im Bett liegt, während der Gitarrist eine romantische Monogamie pflegt und der Bassist sich seinem Lover zuwendet?«

      »Ach, Adina! Wer braucht schon drei Frauen, wenn er eine wie dich haben kann! Eine Journalistin, die gleichzeitig Köchin und Beamtenversteherin ist. Komm, lass uns die Stellung wechseln. Das Bett wartet.«

      »Ich räume schnell noch die Küche auf. Du darfst zuerst ins Bad«, schlug Adina vor. Vom Küchenfenster aus sah sie die orangefarbenen Lichter des Winterdienstes, der den am Abend gefallenen Schnee zu den schon vorhandenen Schneebergen