Essentielle Schriften. Gregor der Große. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gregor der Große
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849660369
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zu mir, der Dinge von dem Heiligen erzählte, die wir nicht mit Stillschweigen übergehen dürfen. Er erzählte nämlich, daß derselbe einmal, als er in seinen Garten ging, diesen ganz von Raupen bedeckt fand. Da er sah, wie alles Gemüse zugrunde gerichtet wurde, wandte er sich zu den Raupen und sprach: „Ich beschwöre euch im Namen des Herrn, unseres Gottes Jesu Christi, gehet weg von hier und verzehret mir dieses Gemüse nicht!” Sofort machten sie sich alle auf das Wort des Mannes Gottes davon, so daß auch nicht eine innerhalb des Gartens zurückblieb. Doch, was ist daran Wunderbares, daß wir solche Dinge aus der Zeit seines bischöflichen Amtes erzählen, als er in den Augen des allmächtigen Gottes schon durch seine Weihe und durch sein Amt groß dastand, da die Wundertaten noch viel größer sind, die dieser Priestergreis von ihm erzählt, da er noch ein kleiner Knabe war? Er erzählt nämlich, daß er zur Zeit, wo er noch als Knabe bei seiner Mutter weilte, wenn er von zu Hause fortging, manchmal ohne Hemd, oft auch ohne Rock heimkam, denn so oft er einen Nackten traf, bekleidete er ihn; er entblößte sich selbst, um sich in den Augen Gottes mit dem Lohn dafür zu bekleiden. Die Mutter zankte ihn deshalb oft; denn es sei, sagte sie, nicht recht, daß er, obwohl selber notleidend, an die Armen seine Kleider verschenke. Eines Tages betrat sie ihre Scheune und fand, daß alles Getreide, das sie sich als Lebensunterhalt für das ganze Jahr aufgehoben hatte, von ihrem Sohne an die Armen verteilt worden war. Während sie nun aus Schmerz, daß sie den Unterhalt für fast ein ganzes Jahr verloren, sich Backenstreiche gab und sich mit den Fäusten in das Gesicht schlug, kam der Knabe Gottes, Bonifatius, dazu und wollte sie trösten, so gut er konnte. Da sie sich aber gar nicht trösten ließ, bat er sie, sie möge aus der Scheune hinausgehen, in welcher von allem Getreide nur spärliche Reste zurückgeblieben waren. Sogleich begab sich dort der Knabe Gottes ins Gebet. Nach kurzer Zeit ging er hinaus und führte die Mutter wieder in die Scheune, die nun so voll von Getreide war, wie sie es früher nicht gewesen war, als sie sich über den eingeernteten Bedarf für ein ganzes Jahr gefreut hatte. Beim Anblick dieses Wunders ging die Mutter in sich und drängte nun selbst den Knaben, der so schnell Erhörung seines Gebetes finden konnte, zum Almosengeben. Sie hielt sich in ihrem Hof räum auch Hühner; es kam aber ein Fuchs vom nahen Felde und holte sie nach und nach. Während nun eines Tages der Knabe in dem Hofe stand, kam wieder der Fuchs und holte ein Huhn. Schnell ging er in die Kirche, warf sich zum Gebete nieder und sprach laut: „Gefällt es dir, o Herr, daß ich von dem, was sich die Mutter zieht, nichts zu essen bekomme? Denn siehe, die Hühner, die sie zieht, verzehrt der Fuchs.” Darnach erhob er sich vom Gebete und verließ die Kirche. Alsbald kam der Fuchs zurück, ließ das Huhn, das er in der Schnauze trug, los und fiel vor seinen Augen tot zu Boden.

      Petrus. Es ist sehr wunderbar, daß Gott sich würdigt, die Gebete derer, die auf ihn hoffen, auch in geringen Dingen zu erhören.

      Gregorius. Das geschieht, Petrus, nach weiser Einrichtung unseres Schöpfers, damit wir wegen des Kleinen, das wir erhalten, Großes erhoffen sollen; der heilige und einfältige Knabe fand nämlich deshalb in geringen Dingen Erhörung, damit er vom Kleinen lerne, wieviel er von Gott bei großen Bitten erwarten dürfe.

      Petrus. Es gefällt mir, was du sagst.

       X. Kapitel: Von Fortunatus,31 dem Bischof von Todi

      Gregorius. Noch ein anderer Mann von ehrwürdigem Lebenswandel befand sich in jener Gegend, Fortunatus mit Namen, Bischof der Kirche von Todi. Dieser besaß eine immense Kraft und Gnade in Austreibung der bösen Geister, so daß er manchmal aus den Besessenen Legionen von Dämonen austrieb und durch ununterbrochenen Gebetseifer ganze Scharen derselben, wenn sie sich ihm widersetzten, überwand. Julianus nun, Defensor unserer Kirche, der vor nicht langer Zeit hier gestorben ist, war ein sehr vertrauter Freund dieses Mannes. Aus seinem Munde weiß ich auch, was ich jetzt erzähle; denn er wagte es aus Freundschaft oft, seine Taten mit anzusehen, und bewahrte auch nachher sein Andenken zu unserer Belehrung gleichwie süßen Honig in seinem Munde.

      In dem nahen Tuscien hatte eine vornehme Matrone eine Schwiegertochter, die bald, nachdem sie deren Sohn geehelicht hatte, mitsamt der Schwiegermutter zur Einweihung der Kirche des heiligen Märtyrers Sebastianus eingeladen wurde. In der Nacht aber vor dem Tage, an dem sie zur Kircheneinweihung gehen wollte, unterlag sie der Fleischeslust und konnte sich von ihrem Manne nicht enthalten.32 Als am Morgen einerseits die gepflogene Fleischeslust sie im Gewissen zurückschreckte, anderseits der Anstand den Kirchengang forderte, fürchtete sie sich mehr vor den Menschen als vor Gottes Gericht und ging mit ihrer Schwiegermutter zur Kirchweihe. In dem Moment aber, in welchem die Reliquien des heiligen Märtyrers Sebastian in die Kirche getragen wurden, ergriff ein böser Geist die Schwiegertochter und begann sie vor allem Volke zu peinigen. Als der Priester der Kirche die Frau in ihren großen Schmerzen sah, nahm er ein Tuch vom Altar und bedeckte sie damit, aber auch in ihn fuhr allsogleich der Teufel. Weil er etwas, was über seine Kräfte ging, tun wollte, mußte er erst durch eigene Qual zur Erkenntnis gelangen, was hier vorging.33 Die Anwesenden aber trugen die junge Frau aus der Kirche und brachten sie nach Hause. Da nun der alte böse Feind sie durch beständiges Quälen ganz aufzureiben drohte und da ihre Angehörigen sie dem Fleische nach liebten, ja bis zum Verderben liebten, übergaben sie die Frau zur Wiedererlangung der Gesundheit den Zauberern. So stürzten sie ihre Seele vollends ins Verderben, während sie ihrem Leibe für den Augenblick durch Zauberkünste helfen wollten. Man führte sie also an einen Fluß und tauchte sie ins Wasser unter. Längere Zeit suchten die Zauberer durch ihre Zauberformeln es dahin zu bringen, daß der Teufel, der in sie gefahren war, sie wieder verlasse. Aber durch ein wunderbares Gericht des allmächtigen Gottes fuhr, wenn durch die gottlose Kunst ein Teufel ausgetrieben war, sogleich eine ganze Legion in sie hinein. Sie wurde darum in so vielerlei Bewegungen hin- und hergeworfen und schrie in sovielen Stimmen, als böse Geister von ihr Besitz genommen hatten. Darauf hielten die Anverwandten Rat, gestanden ihre Sünde der Treulosigkeit gegen den Glauben, führten die Frau zu dem ehrwürdigen Bischof Fortunatus und ließen sie bei ihm zurück. Er nahm sie auf und betete viele Tage und Nächte. Er oblag mit einer so großen Anstrengung dem Gebete, weil er sah, daß in dem einen Körper ein ganzes Heer von bösen Geistern gegen ihn stehe. Doch nach einigen Tagen machte er sie so gesund und wohlbehalten, wie wenn der böse Feind nie ein Anrecht auf sie gehabt hätte.

      Wieder ein anderes Mal trieb der Diener des allmächtigen Gottes aus einem Besessenen einen unreinen Geist aus. Als der böse Geist sah, daß es um die Abendzeit war und zu einer Stunde, wo sich die Menschen zurückziehen, nahm er die Gestalt eines Fremdlings an, ging auf die Plätze der Stadt und schrie: „Ja, das ist ein heiliger Mann, der Bischof Fortunatus! Seht, was er getan hat! Einen Fremdling hat er aus seiner Herberge hinausgestoßen! Ich suche ein Plätzchen, um ausruhen zu können, und finde keines in seiner Stadt!” Da saß eben ein Mann in seinem Hause mit seinem Weibe und seinem kleinen Sohn am Kohlenfeuer; er hörte das Schreien und fragte, was ihm denn der Bischof getan habe; darauf lud er ihn in sein Haus ein und ließ ihn neben sich am Kohlenfeuer Platz nehmen. Während sie nun über verschiedene Dinge miteinander redeten, fuhr der böse Geist in den Knaben, warf ihn in die Glut und nahm ihm schnell das Leben. Der unglückliche, seines Kindes beraubte Vater erkannte nun, wen er aufgenommen und wen der Bischof vertrieben hatte.

      Petrus. Wie sollen wir denn das erklären, daß der Erbfeind die Kühnheit hatte, jemanden zu töten und noch dazu in dem Hause eines Mannes, der ihn für einen Fremdling ansah und ihn aus Gastfreundschaft bei sich aufnahm?

      Gregorius. Vieles, Petrus, scheint gut zu sein und ist es nicht, weil es nicht in guter Absicht geschieht; deshalb sagt auch die ewige Wahrheit im Evangelium: „Ist dein Auge schalkhaft, so wird dein ganzer Leib finster sein.”34 Denn wenn die Absicht, die vorausgeht, unrecht ist, so ist böse jedes Werk, das nachfolgt, mag es auch aussehen wie ein gutes Werk. Ich glaube nämlich, daß der Mann, der scheinbar Gastfreundschaft übte und dabei seines Kindes beraubt wurde, nicht an dem Werke der Barmherzigkeit seine Freude hatte, sondern an der üblen Nachrede gegen den Bischof; denn die Strafe, die nachfolgte, tat kund, daß die vorhergehende gastliche Aufnahme nicht ohne Schuld war. Denn es gibt Leute, die deswegen sich guter Werke befleißen, um den Glanz der Tätigkeit anderer zu verdunkeln; sie freuen sich nicht über das Gute, das sie tun, sondern über das Lob, das sie dafür ernten und womit sie andere in Schatten stellen. Darum glaube ich, daß der Mann, der den bösen Geist als