Die meisten »Probleme« und Ärgernisse stoßen uns mit der eigenen Nase auf Gefühle, die wir bisher verdrängt haben. Wer sich dem immer wieder entzieht oder Mitmenschen die Verantwortung dafür gibt, verstärkt nur eines: sein eigenes Leiden. Nur wenn du die Dinge angehst, die dir Ärger und schlechte Gefühle bereiten, kommst du zu neuen Lösungen, die dir einen anderen Umgang mit dem »Problem« ermöglichen.
»Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.« (Albert Einstein)
MEIN TIPP: LAUF NICHT WEG, SONDERN BLEIB DRAN. ERKENNE SOGENANNTE WIDERSTÄNDE, ALSO GROLL, ÄRGER UND VERZWEIFLUNG ALS GROSSARTIGE MÖGLICHKEIT ZU WACHSEN. IN DEN FOLGENDEN KAPITELN ERFÄHRST DU, WARUM »PROBLEME« ETWAS SEHR HILFREICHES SIND.
IMMER BESSER SCHEITERN
Als Baby nehmen wir alle irgendwann unseren Mut zusammen, ziehen uns langsam hoch und plumps – schon landen wir auf der Nase. Monatelang üben wir das, ohne aufzugeben, bis es irgendwann klappt. Es gibt wohl kein Baby, das sich nach zwei Monaten denkt: Och – ich lass das jetzt besser mal, das ist mir zu anstrengend.
»Wieder versuchen / Wieder scheitern / Besser scheitern« schrieb der irische Schriftsteller Samuel Beckett. Lernen ist das Ergebnis von Beobachten, Verstehen, Nachmachen, Ausprobieren und grandiosem Scheitern. Auf diese Weise finden wir zu neuen Lösungen. Am Anfang steht jedoch der Mut, es wirklich zu versuchen.
In fast allen Veränderungsprozessen können wir unsere inneren Konflikte nicht sofort klären. Wir streifen mit der Machete durch das Dickicht und können wenig bis gar nichts von unserem Ziel erkennen. Dabei entstehen oft seltsame, verwirrende Eindrücke und Situationen. Ist das der richtige Weg – oder doch der Falsche? Da hilft oft, einfach cool zu bleiben und zu lächeln. Zu den wichtigsten Dingen auf dem Weg durch die Veränderung gehört, zu lernen, solche Situationen auszuhalten. Fokussiere dein Ziel – auch wenn du es noch nicht klar erkennen kannst. Vertraue darauf, dass sich die entscheidenden Punkte im Leben erst später zusammenfügen. Viele Umwege machen erst im Nachhinein einen Sinn. Sie führen dich zu Menschen und Orten, durch die du andere Menschen und Orte kennenlernst. Das Leben lässt sich nur vorwärts leben und nur rückwärts verstehen.
LÄCHELN UND LOSLASSEN
In meiner Jugend hatte ich diese ironische Ader, mit der ich manch Unerträgliches ins Lächerliche gezogen habe. So habe ich beim ein oder anderen Ärgernis einfach den Knopf an meinem Hemdkragen aufgemacht, wenn mir das Leben zu eng wurde. Und dann ging es mir augenblicklich besser. Im Laufe der Jahre hatte ich diesen simplen Trick vergessen, meine Stirn legte sich regelmäßig in Falten und ich ließ den grauen Alltag in mein Herz.
Doch seit ein paar Jahren hab ich das Lächeln und Loslassen wieder zu einem wichtigen Wert in meinem Leben erklärt. Wenn mich mal wieder der Unfug des Alltags einholt, gelingt es mir oft, darüber zu lachen: Meine Nase legt sich in Falten, die Nasenlöcher weiten sich. Mein Kopf wird zurückgeworfen, die Augen schließen sich, der Körper schaukelt hin und her und mein »Lach«-Muskel spannt 15 Gesichtsmuskeln an. Das Zwerchfell hüpft und massiert mich von innen. Insgesamt kommt es dann zu einer besseren Durchblutung meiner Muskulatur und mein Körper schüttet schmerzlindernde Glückshormone aus.
MEIN TIPP: STELL DICH BEI GROLL UND ÄRGER MAL VOR EINEN SPIEGEL UND LÄCHLE VON INNEN HERAUS EIN ÜBERZEUGENDES, EHRLICHES LÄCHELN. ÜBERZEUGE DEIN EIGENES SPIEGELBILD! ATME DABEI TIEF EIN UND AUS. TANZE VOR DEM SPIEGEL, SING VOR DICH HIN. SEI FÜR EIN PAAR MOMENTE MAL WIEDER VÖLLIG VERRÜCKT. UND DANN FRAGE ICH DICH: KANNST DU IN DIESEM ZUSTAND UNZUFRIEDEN, DEPRIMIERT, UNGLÜCKLICH ODER GAR SORGENVOLL SEIN?
DAS LEBEN ALS SINUSKURVE
Eine Lebensweisheit meines Vaters ist mir auch viele Jahre nach seinem Tod in wundervoller Erinnerung: Du musst im Leben auch mal durch tiefen Schlamm waten – damit du den festen Boden wieder würdigen kannst. Vieles hat er so angenommen, wie das Leben es verteilt hat. Auf diese Weise konnte er beinahe jede Situation umwidmen. Darüber gesprochen hat er selten, doch er hat es gelebt.
Der Mensch schwingt durch das Leben wie eine Sinuskurve. Von der sogenannten Null-Linie geht es mal nach oben, dann wieder nach unten. Kein Mensch kann das vermeiden. Was du aber ändern kannst, ist die Null-Linie, also der Punkt, um den herum es auf und ab geht. Die Verschiebung dieser Null-Linie nennt man Lernen, Erkenntnis und Veränderung. Erfolgreich ist nicht, wer keine Tiefen erlebt, sondern wer wieder aus dem Tal heraus findet und an dieser Erfahrung wächst. Erfolg ist, wenn eins aus dem anderen erfolgt. Alles im Leben ist ein Geschenk. An manchen Tagen fühle ich mich kraftlos, beinahe ohnmächtig. Und an anderen könnte ich Bäume ausreißen und die ganze Welt umarmen. Diese Extreme nennt man Leben. Es gibt stets zwei Pole, zwischen denen unser Dasein schwingt: Tag und Nacht, Ein- und Ausatmen, Ebbe und Flut, Tun und Nichts-Tun, Entspannen und Anspannen, Wachsein und Ruhen, Sprechen und Schweigen, Männlich und Weiblich, Ying und Yang. Mal bist du oben, mal bist du unten. Es geht auf und ab, wie in einer Achterbahn.
Indem du dich dem Gedanken öffnest, dass jede Erfahrung ihren Wert hat, öffnest du dein Leben für Gelassenheit, Vergebung und Vertrauen. Nimm an, was war. Akzeptiere, was dich gerade herausfordert. Die Schmerzen und das Gefühl, dass sich unter dir der Boden öffnet, können ein ungeahntes Kreativ-Potenzial freisetzen. Meist entstehen Wachstum, Veränderung und Erkenntnis aus Momenten der Unzufriedenheit. Allein deine Einstellung entscheidet, ob du leidest oder wächst. Alles hat nur die Bedeutung, die du ihm gibst.
AUF MEIN UNGLÜCK TRETEN
Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich auf dem Weg zu einer Klausur mit den Mitarbeitern einer Kulturredaktion. Ich kenne diese Gruppe schon eine Weile. Selten habe ich größere Kulturpessimisten kennengelernt. Für sie war früher alles besser und sie wollen alte Strukturen um jeden Preis bewahren und zementieren. Ihre Angst vor der Zukunft ist immens. Sie fürchten sich vor dem Neuen und halten das Internet für ihren größten Feind.
Wird die Welt irgendwann untergehen? Vermutlich nicht. Sie wird sich verändern. Eines Tages werden wir den Krebs besiegen und die Energie aus dem Inneren der Erde anzapfen. Der Mensch ist unfassbar erfinderisch. Antibiotika, Krebsforschung, erneuerbare Energien, Computer, Flugzeuge, Häuser, Autos, Maschinen, das Rad, Elektrizität, Funkwellen, Radio, Fernsehen, Internet. Die kreative Kompetenz des Menschen ist beachtlich. Die Innovation siegt – seit Anbeginn der Menschheit. Alles wird von uns Menschen erforscht. Neugier ist noch vor Sex und Reichtum unser stärkster Antrieb. Wenn ein Ding begriffen ist, geht es auf zum nächsten. Unsere Sinne verlangen fortwährend nach neuen Eindrücken. Daraus wird Innovation.
Zukunftsangst lähmt. Doch die Entscheidung liegt bei dir, ob du es zulässt. Das Leben ist gut. In der Zukunft wird alles anders sein, doch es hängt von dir ab, wie du dieses Andere wahrnimmst und annimmst.
Glücklich ist, wer glaubt, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können. Friedrich Hölderlin schrieb: » Wenn ich auf mein Unglück trete, stehe ich höher!«
Wenn es uns gelingt, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, an etwas Positives zu denken, sorgt es für eine Umkehr unserer Gefühle. Zumindest für eine Weile. Ich hab das getan – immer wieder. Welche Folgen das hatte, das erzähle ich dir im folgenden Kapitel.