Wenn wir also mit der inneren Arbeit beginnen, müssen wir an den emotionalen Teilen unserer Persönlichkeit arbeiten. Dann arbeiten wir, um unsere vorgefaßten Meinungen, Annahmen und Überzeugungen über Wirklichkeit und uns selbst freizulegen. Später machen wir vielleicht Erfahrungen von Essenz in ihren verschiedenen Stufen und Aspekten, und die innere Arbeit wird die Integration dieser unserer verfeinerten Elemente. Dann muß die ganze Persönlichkeit selbst im Einklang mit diesen unseren tieferen Elementen umgebildet und transformiert werden. Wir müssen verfeinertere Menschen, reifere Menschen, entwickeltere Menschen, echtere Menschen werden. Dann können wir vielleicht das Leben eines wahren erwachsenen Menschen leben.
Dieser Prozeß ist lang und komplex, und natürlich verläuft er bei jedem Menschen anders. Aber für jeden bedeutet er eine lange, harte Arbeit. Ihr müßt viel von eurer Psyche (mind) verstehen, von euren Emotionen, davon, welche Muster euren Charakter ausmachen, und was euch veranlaßt, euch so zu verhalten, wie ihr euch verhaltet. Dies braucht Zeit und Geduld. Der Prozeß bringt sehr viel Schmerz und Schwierigkeit mit sich, obwohl er auch erheiternd, freudvoll und aufregend ist. Viel Ausdauer ist nötig, um eure essentiellen Aspekte wahrzunehmen und sie dann zu verwirklichen und zu integrieren. Nichts davon ist leicht, und niemand wird es euch abnehmen. Der Lehrer kann euch nur anleiten, indem er auf Dinge hinweist; ihr müßt die Arbeit selbst tun, und es ist sehr viel schwierige Arbeit. Und in der Gesellschaft, in der wir leben, gibt es für diese Art Prozeß keine Unterstützung. Unsere soziale Umgebung erkennt solch eine Entwicklung nicht an, versteht sie nicht und unterstützt sie nicht. Ihr wurdet von dieser Gesellschaft konditioniert, also sind die Hindernisse, von denen ihr euch befreien müßt, zahlreich und mächtig, und sie durchdringen euer Denken und eure Persönlichkeit.
Die Arten von Verstehen, die Arten von Wahrnehmungen, die Arten von Erfahrung und die Arten von Einsichten, die ihr durchleben müßt, sind zahlreich und finden auf vielen Ebenen und in vielen Dimensionen statt. Ihr bewegt euch von einer Stufe zur anderen, hin und her, und dazu braucht man Geduld und Mitgefühl mit sich selbst. Dazu braucht man die großzügige, realistische und reife Haltung zum Leben, daß ihr, wenn ihr etwas wollt, dafür arbeiten müßt. Niemand kann es euch abnehmen und für euch tun und niemand kann es euch geben, weil ihr es seid.
Wir sollten uns für glücklich halten, wenn wir jemanden finden, der etwas davon versteht, wie man an diesen Prozeß herangeht, und der an der Entwicklung eures menschlichen Potentials wirklich interessiert ist. So ein Mensch ist in menschlicher Gesellschaft selten, man sollte ihm äußerste Wertschätzung und Dankbarkeit entgegenbringen. Jede Arbeit, die euch bei diesem Prozeß hilft, sollte hoch geachtet und gewürdigt werden, denn dies bedeutet, euer eigenes Potential und das der Menschheit im Allgemeinen zu respektieren und wertzuschätzen. So eine Arbeit sollte über alles andere gestellt werden, weil sie letztlich über allem steht. Sie sollte zuallererst über die eigenen kindischen Werte, Prinzipien und Einflüsse gestellt werden. Das ist es, was man braucht. Dies ist kein moralischer Standpunkt, sondern ein praktischer. Die innere Arbeit muß auf diese Weise gemacht werden, sonst geht es nicht.
Diese Art Respekt, Wertschätzung und Anerkennung muß sich nicht nur gegenüber der inneren Arbeit oder nur mir als Lehrer gegenüber manifestieren, sondern sie muß sich auch im Kontakt miteinander manifestieren. Wenn wir lernen, echte Menschen zu sein, dann sollten wir uns auch gegenseitig reif verhalten und uns nicht als Rivalen, Feinde oder Quellen von Befriedigung behandeln, was die übliche Art und Weise ist, wie Menschen miteinander umgehen. Wenn wir lernen wollen, menschlich zu sein, müssen wir an dieser Stelle beginnen.
Ich meine, daß es nicht reicht, einfach zu verstehen, was in euch geschieht; euer Verstehen muß sich in euren Handlungen und in euren Interaktionen mit anderen manifestieren. Das ist der Ort, wo die Arbeit der Integration stattfinden kann, und wo die Wirkung der verfeinerteren Elemente eurer Natur eure Persönlichkeit transformieren wird. Ohne diese Integration wird die innere Arbeit nicht vollständig sein und kann sogar alle möglichen Arten von Abnormitäten und Entstellungen hervorrufen. Wir müssen darauf achten, wie wir uns verhalten und wie wir interagieren, und zwar aus der Perspektive der höheren Elemente in uns.
Ihr könnt nicht echte Menschen sein, wenn euer äußeres Leben nicht eurem inneren Leben entspricht. Wenn ein Widerspruch zwischen eurer inneren Erfahrung und eurem Verhalten gegenüber anderen besteht, dann ist das eine schwere Entstellung. Wenn ihr etwas Bestimmtes wißt, aber euch anderem Wissen entsprechend verhaltet, wenn ihr bestimmte Teile der Wirklichkeit wertschätzt, aber wenn es um das wirkliche Leben geht, diese Werte aus dem Fenster werft, dann findet da eine sehr seltsame Art von Spaltung statt. Dies führt zu Frustration für euch und zu Ärger für eure Umgebung. Bei dieser inneren Arbeit geht es nicht darum, euch selbst zu verwirklichen, euch ganz toll zu fühlen und euch um alle anderen nicht zu kümmern. Es gehört zum Wesen eines reifen Menschen, auch die anderen als reale Menschen zu achten.
Wenn ihr wirklich erfahren wollt, was es heißt, ein echter Mensch zu sein, dann müßt ihr euch die nötige Mühe machen, wie einer zu leben, ganz gleich wie schwer das ist. Wie gesagt, zu einem großen Teil der Arbeit hier gehört die Reibung zwischen den Prinzipien, Vorstellungen und Überzeugungen, mit denen ihr gekommen seid, und den Prinzipien der inneren Arbeit. Durch diesen Prozeß werdet ihr bisher unbekannte Teile von euch selbst verstehen und verwirklichen. Das wird zu Veränderungen in eurem Verhalten führen, auf die ihr bewußt und beständig hinarbeiten müßt.
Ihr solltet euch echt menschlich verhalten, nicht nur mir oder eurem Lehrer gegenüber, sondern gegenüber allen Menschen in eurem Leben. Sonst perpetuiert ihr den infantilen Teil in euch; ihr handelt dann weiter wie ein Tier. Ihr solltet euch also bei jedem hier und bei allen Menschen in eurem Leben bewußt Mühe geben, im Einklang mit diesen feineren Elementen zu leben, die ihr versteht und verwirklicht, statt den alten Mustern nachzugeben. Idealerweise übt ihr wechselseitigen Respekt und wechselseitige Wertschätzung, wechselseitige Freundlichkeit und wechselseitiges Verstehen. Ein anderer Mensch ist ein Ausdruck des Sublimsten, was es gibt, genauso wie ihr ein Ausdruck dessen seid. Wenn ihr nicht einem jeden Menschen mit Hochachtung, Wertschätzung und Anerkennung begegnet, dann respektiert ihr dieses sublime Element in euch selbst nicht und erkennt es nicht an.
Wir sind nicht voneinander getrennt. Unser Gefühl von Getrenntsein ist oberflächlich und existiert nur in der physischen Dimension. In unserem menschlichen Element sind wir nicht getrennt; wir sind eng verbunden. Jeder andere Mensch ist genauso kostbar wie wir und verdient ebensoviel Respekt, Liebe und Rücksicht. Dieses Verständnis muß sich in unserem Benehmen jeden Augenblick manifestieren. Dies ist der Teil der inneren Arbeit, der euch transformieren wird.
Zuerst geht es um die essentielle Verwirklichung. Der nächste Schritt, der schwerer ist, besteht darin, zu lernen, wie ihr diese Verwirklichung in eurem Leben umsetzt. Ihr müßt euch der Frage stellen, wie ihr diese Verwirklichung leben werdet. Wie werdet ihr sie euer Leben beeinflussen lassen, sodaß euer Leben ein wahrhaft reifes menschliches Leben wird? Es verlangt große Anstrengung, euch eurer selbst und dieser feineren Elemente zu erinnern, über die ihr lernt, damit ihre Perspektive eine Wirkung auf euer Leben und eure Beziehungen mit anderen und mit eurer Umwelt hat. Die Prinzipien und die Werte, nach denen ihr lebt, müssen sich von Besitzstreben, Konkurrenz, Eifersucht und Ablehnung zu einer Haltung von Freundlichkeit, Großzügigkeit, Respekt und Dankbarkeit verändern. Wenn ihr wirklich reife Menschen sein wollt, dann werdet ihr euch diesen Werten entsprechend verhalten, auch wenn andere das vielleicht nicht tun. Ihr gesteht euch selbst nicht die Ausrede zu, weil ein anderer Mensch sich wie ein Lump verhalten hat, verhaltet ihr euch auch nicht anständig. Tut ihr dies, verratet ihr