Duo-Übung: Herzzeit
Bei der Herzzeit geht es darum, wieder mehr über einander zu erfahren.
✳ Ihr setzt euch zusammen und jeder bekommt 5 Minuten Zeit, um darüber zu reden, wie es ihm gerade geht. Während die eine Person spricht, hört die andere nur zu. Es geht darum, keine Kommentare oder Zwischenfragen beizusteuern, sondern deinem Gegenüber ein großes Geschenk zu machen, indem du einfach nur aufmerksam zuhörst. Versuch auch einmal, selbst Nicken und Kopfschütteln wegzulassen und nur mit ungeteilter Aufmerksamkeit und Präsenz da zu sein.
✳ Nach 5 Minuten wird gewechselt und die andere Person berichtet nun von sich und wie es ihr geht. Hier ist wichtig, dass du nicht auf das eben Gesagte antwortest sondern wirklich in dich hineinfühlst, wie es dir heute geht, was dich beschäftigt. Lasse das Gehörte unkommentiert stehen und nutze deine 5 Minuten nur für dich.
Ihr könnt eure 5 Minuten jeweils so nutzen, wie euch gerade zumute ist. Sollte nach 3 Minuten alles gesagt sein, dann genießt zwei Minuten Stille. Die Arten zu kommunizieren sind so unterschiedlich wie die Menschen. Und lasst euch danach nicht auf eine Diskussion ein. Es ging nur darum, es auszusprechen.
Christinas Sichtweise:
Walter ist sehr viel mit Projekten beschäftigt. Es gibt kaum einen Moment, wo er nicht irgendetwas am „machen“ ist, so dass es schwierig sein kann, mit ihm in Ruhe und mit voller Aufmerksamkeit ein Gespräch zu führen. In der ersten Zeit unserer Beziehung führte das dazu, dass ich mich häufig nicht gehört fühlte. Wir redeten oft miteinander, während wir gleichzeitig andere Dinge taten, und hinterher war ich mir unsicher, was er eigentlich davon mitbekommen hatte.
Da ich das sehr gut aus meiner Kindheit kannte, sprach ich es zu Anfang nicht offen und ehrlich an. Ich nahm es frustriert hin und wenn ich hinterher feststellte, dass er tatsächlich den einen oder anderen Teil nicht mitbekommen hatte, machte ich ihm Vorwürfe.
Die Herzzeit ist für mich daher ein sehr wichtiges Ritual geworden, was mir hilft, sowohl mit mir selbst als auch mit Walter in Verbindung zu bleiben. Ich bin von Kindheit an so trainiert darin, zu erfühlen, was der andere wohl gerade braucht, wo er gerade ist, was er fühlt, dass ich mit meinen Sensoren oft gar nicht mehr wirklich bei mir bin. Bei dieser Übung habe ich 5 Minuten Zeit, mich innerlich zu sortieren und das anzusprechen, was mir wichtig ist, mich zu zeigen. Sie hilft mir, wieder bei mir anzukommen, zu erkennen, was überhaupt gerade in mir los ist.
Die Herzzeit hilft mir auch, besser zu verstehen, wo Walter gerade ist. Es war anstrengend, ständig zu erfühlen, wie es ihm wohl gerade geht, und oft genug auch nicht zutreffend. Selbst mit den besten Sensoren haben wir immer noch unsere eigene Geschichte und die eigene Interpretation der Dinge, die in unsere Wahrnehmung des Anderen einfließen. Viel angenehmer und leichter ist es, direkt von ihm zu hören, was ihn gerade umtreibt.
Wir beide machen unsere Herzzeit dann, wann es gerade passt – manchmal im Auto oder im Restaurant, während wir auf das gemeinsame Essen warten. Dieses Kommunikationsritual ist auch wunderbar mit Freunden und Familie nutzbar. Wir haben schon oft von unseren Seminarteilnehmern gehört, dass sie es auch mit den Kindern und Geschwistern praktizieren und seitdem die gemeinsame Laune, das Verständnis füreinander und die Verbundenheit deutlich verbessert wurde.
Walters Sichtweise:
Ganz ehrlich, liebe Männer, diese Übung ist für Frauen wirklich einfacher. Natürlich ist das eine Verallgemeinerung, aber meiner Erfahrung nach haben wir Männer tatsächlich oft weniger den Drang, etwas besprechen zu wollen. Der Satz, „Schatz, wir müssen reden“ kommt meist von Partnerinnen, die sich von uns nicht verstanden oder gesehen fühlen.
Dennoch ist die Herzzeit für mich eine der wichtigsten Übungen dieses Buches, denn ich weiß, wie sehr ich mich in meinen Projekten verlieren kann. Wir Männer identifizieren uns oft über das, was wir tun. Die Arbeit hat bei den meisten von uns einen sehr hohen Stellenwert. Es ist uns wichtig, darin von Anderen gesehen zu werden und erfolgreich zu sein. Darüber vergessen wir oft die Beziehung und wundern uns, dass es dort dann immer schlechter läuft.
Irgendwann hängt der Haussegen dann so schief, dass es viel Zeit, Mühe und Aufwand kostet, ihn wieder zu reparieren. Mit der Herzzeit lässt sich dieser anstrengende Weg vermeiden. Häufig redet bei uns zuerst Christina. Bei ihr sprudelt es nur so heraus und sie nutzt die Zeit, sich buchstäblich alles von der Seele zu reden. Ich schenke ihr in diesem Moment nur mein Ohr und meine ganze Aufmerksamkeit. Das ist ein größeres Geschenk, als ich mir anfangs vorstellen konnte. Mir war nicht klar, dass sich Christina oft einfach nur wünscht, von mir gesehen zu werden, ohne dass ich sofort anfange, ihre Probleme zu lösen. In der Herzzeit komme ich Christina in relativ kurzer Zeit wieder näher und ich weiß hinterher mehr über sie und über mich. Denn mir selbst wird oft erst, wenn ich dann dran bin, bewusst, wie es mir eigentlich geht. Ich muss mich oft wirklich konzentrieren, nicht sofort von meiner Arbeit zu reden, sondern in mich hinein zu fühlen, was eigentlich darunter in mir los ist. Manchmal merke ich zum Beispiel erst während ich spreche, dass es mir gerade mit irgendetwas nicht wirklich gut geht.
Wer das als Mann für Frauenkram hält und glaubt, seine Gefühle lieber in sich hineinzufressen zu können, oder beim Sport loszuwerden, läuft Gefahr, von seinem Körper gestoppt zu werden. Wenn ich die ganze Woche unter Hochspannung durch mein Leben renne, geht das auf Kosten meiner psychischen und physischen Gesundheit. Du tust mit dieser Übung also nicht nur deiner Partnerin und deiner Beziehung etwas Gutes, sondern auch ganz egoistisch dir selbst.
04. Chance: Inseln im Alltag
Wäre es nicht schön, wenn deine Partnerschaft für dich im Alltag wie eine Insel wäre, auf der du dich ausruhen und auftanken kannst? Wäre es nicht wunderbar, das Zusammensein mit deiner Liebsten als eine Quelle der Kraft zu erleben, selbst wenn beide einen anspruchsvollen Job haben und das gemeinsame Leben viele Verpflichtungen mit sich bringt?
Viele Paare mutieren im Laufe der Jahre vom Liebespaar zum Arbeitsteam. Das Leben will natürlich Antworten auf Fragen, die es jeden Tag stellt: Wer bringt die Kinder in die Schule? Wie bezahlen wir die nächste größere Anschaffung? Wann fahren wir zur krank gewordenen Schwiegermutter? Wie lösen wir die beruflichen Probleme? In der Verliebtheitsphase waren uns diese Themen nicht so wichtig. Wir hatten die rosarote Brille auf, waren ganz auf den Prinzen oder die Prinzessin konzentriert, wollten uns kennenlernen und haben viel Zeit und Gedanken in die Partnerschaft investiert. Natürlich verändert sich eine Beziehung im Laufe der Zeit, und im Idealfall wird aus der Verliebtheit eine tiefere, ruhigere Form von Liebe.
Doch wenn wir unserer Partnerschaft immer weniger Aufmerksamkeit schenken und sie allmählich für selbstverständlich halten, geht der partnerschaftliche Aspekt manchmal verloren. Dann hängen beide lieber vor dem Fernseher oder dem Computer ab, als sich zu unterhalten oder gar einen ganzen Abend gemeinsam zu verbringen. Wir erwarten voneinander nichts Neues mehr. Dabei entfernen wir uns nicht nur von unserem Partner, sondern letztlich auch von uns selbst.
Was unterscheidet denn eine Partnerschaft von einem Arbeitsteam? Sicher doch die Liebe und Intimität, die unabhängig von irgendwelchen To Do’s die Partner verbindet. Erfahrungen, die sie gemeinsam machen und nicht Aufträge, die abgearbeitet werden. Wie viele Inseln in eurem Alltag habt ihr noch, auf denen ihr euch wirklich als Paar begegnet und auch der Rest der Familie einmal Pause hat?
Neben der Herzzeit, in der ihr euch gegenseitig zuhört, braucht eine Beziehung auch genau diese Inseln, gemeinsame neue, angenehme Erfahrungen, in denen ihr einander entspannt erleben und genießen könnt. Solche Dates halten die Liebe frisch und unterstützen die Verbindung.