2. Ihre Augen sehen den Stift und lösen die zweite Serie von Aktionspotenzialen aus.
3. Ihr Okzipital- oder Hinterhauptlappen (der Teil des Gehirns, der für das Sehen zuständig ist) registriert das Bild, das Sie sehen.
4. Der Temporal- oder Schläfenlappen (wo Assoziationen mit Erinnertem und Erlerntem gebildet werden) bringt das Bild, das Sie sehen, mit seiner Erinnerung an Stifte in Verbindung – was zu einer weiteren Serie von Aktionspotenzialen führt.
5. Der Frontal- oder Stirnlappen (Sitz der höheren mentalen Aktivitäten) ermöglicht es Ihnen, aufmerksam zu bleiben, während Sie die Absicht ausformen, nach dem Stift zu greifen.
6. Wenn Sie beginnen, die Bewegung des Greifens nach dem Stift zu integrieren, helfen Ihnen der Frontallappen und der Parietal- oder Scheitellappen (der die motorischen Abläufe steuert und auch für Sprache und allgemeine Sinneswahrnehmungen zuständig ist), die Aktionen von Arm, Hand und Fingern in Gang zu setzen und Ihre Sinne darauf vorzubereiten, wie sich der Stift anfühlen wird.
7. Der Parietallappen ermöglicht Ihnen die Wahrnehmung des Stifts in Ihrer Hand: seine Form, die Rauheit des Holzes nahe der Spitze, die Weichheit des Radiergummis am anderen Ende.
8. Gleichzeitig sorgt das Cerebellum oder Kleinhirn (das die willkürliche Muskelaktivität koordiniert) dafür, dass der Körper die Bewegungen ausführt, um den Stift zu ergreifen. Ohne das Kleinhirn könnten Sie den Stift zwar vielleicht berühren, aber nicht ergreifen, oder ihn allenfalls so aufnehmen, dass er Ihnen über den Kopf fliegt oder dass Sie ihn auf den Boden fegen.
Während dieser Kaskade von Aktionspotenzialen sind ständig Natrium- und Kalium-Ionen in Ihre Nervenzellen hinein- und aus ihnen herausgesaust, und diese ganze elektrochemische Aktivität fand statt, ohne dass Sie sich ihrer irgendwie bewusst sein mussten. Gott sei Dank!
Nervös wie eine Qualle
Die ersten Nervenzellen der Evolutionsgeschichte entstanden in Wesen, die starke Ähnlichkeit mit den heutigen Quallen besaßen. Vor Millionen Jahren hing das Überleben dieses primitiven Organismus von seiner Fähigkeit ab, Nahrung aufzuspüren (sensorische Funktion) und sich dorthin zu bewegen (motorische Funktion). Diese Quallen mussten Zellen entwickeln, die ihr Gewebe kontrahierten und damit Bewegung erzeugen konnten. Und diese Bewegungen mussten zielgerichtet sein.
Die Quallen brauchten ein System, mit dem sie ihre Bewegungen in gewissem Umfang steuern und koordinieren konnten, damit sie sich effektiver in ihrer Umgebung zurechtfanden. Also mussten sensorische Botschaften von der Umgebung aufgenommen und an die auf Bewegung spezialisierten Zellen weiterleitet werden. Und nichts anderes tut – im Wesentlichen – das Nervensystem: Es nimmt Signale der Umgebung wahr und sorgt dafür, dass der Organismus durch Bewegung und Handeln angemessen darauf reagiert – je nachdem willkürlich oder unwillkürlich.
Die Quallen benötigten also eine rudimentäre Intelligenz und ein einfaches Nervensystem, um eine ganz grundlegende Art von Bewusstsein herzustellen. Folglich entwickelten sie die ersten sensorischen und motorischen Nervenzellen.
Da der einfache neurologische Mechanismus der Quallen und anderer primitiver Organismen sehr erfolgreich war, wurde er zur evolutionären Norm. Alle Nervenzellen – ob von Quallen, Tieren oder Menschen – übertragen Informationen auf der Basis derselben elektrochemischen Prinzipien. Auch heute begegnen wir Menschen unserer Umgebung mithilfe desselben Prozesses, wie er vor Jahrmillionen in den Quallen seinen Anfang genommen hat.
Wie hat die Natur den Quantensprung von diesen primitiven Nervensystemen zum menschlichen Gehirn geschafft? Um ein immer komplexeres, den Anforderungen besser angepasstes Verhalten zu entwickeln, musste ein Organismus nur immer mehr dieser Nervenzellen auf die verschiedensten Weisen miteinander verknüpfen.
Wenn Neuronen sich zu immer komplexeren neurologischen Netzwerken verbinden, nimmt die Kommunikation zwischen ihnen exponentiell zu. Es ist eine einfache Gleichung: Im selben Maß, wie sich die Kommunikation zwischen den Neuronen vervielfältigt, erweitert sich die Intelligenz, und die Organismen können sich auf eine fortgeschrittene, ihrer Umgebung besser angepasste Weise verhalten. Kurz gesagt, wir verdanken es unseren großen Gehirnen, dass wir schneller lernen, erinnern, erschaffen, erfinden und unser Verhalten ändern können als andere Organismen. Der Mensch steht an der Spitze der Kommandokette, weil die unglaubliche Menge miteinander verbundener Nervenzellen unser Gehirn sehr groß und unvergleichlich komplex werden ließ.
Chemische Botenstoffe erzeugen eine Verbindung
Betrachten wir einmal aus der Nähe, wie Nervenimpulse sich von einem Neuron zum anderen bewegen. Wie überwinden sie den synaptischen Spalt?
Wandert ein Nervenimpuls ein Neuron entlang, kommt er über das Axon der sendenden Seite zur präsynaptischen Membran. Dort sitzen winzige synaptische Vesikel, in denen chemische Botenstoffe gespeichert sind, die sogenannten Neurotransmitter. Neurotransmitter übertragen Informationen über den synaptischen Spalt hinweg zu anderen Nervenzellen (und Körperteilen) und steuern so spezifische Funktionen. Auf Abbildung 3.5 weist Punkt A auf diese mit Neurotransmittern gefüllten Vesikel hin.
Abbildung 3.5
Die Funktion der Neurotransmitter am synaptischen Spalt
Neurotransmitter wie Serotonin oder Dopamin verursachen die Stimmungen, die unsere Erfahrungen prägen. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass wir uns bei derselben Aktivität manchmal glücklich und manchmal unwohl fühlen. Die verschiedenen Stimmungen, die Sie und die meisten Menschen im Lauf eines Tages durchleben – von freudiger Erwartung oder Fröhlichkeit bis zu Reizbarkeit oder Erschöpfung –, gehen auf das Konto der Neurotransmitter. Unser Fühlen wird von der Chemie bestimmt, die wir durch unsere Gedanken in unserem Gehirn produzieren.
Sie können sich die Vesikel am Ende des Axons als winzige, mit Flüssigkeit gefüllte Ballons vorstellen, und die Neurotransmitter sind die Flüssigkeit darin. Verschiedene Endknöpfchen enthalten verschiedene Botenstoffe. Die elektrochemische Aktivität eines Nervenimpulses bringt, gleich einem Blitzschlag, eines oder mehrere Vesikel zum Platzen, die damit Tausende von Neurotransmitter-Molekülen freisetzen. Jeder Impuls lässt bestimmte Vesikel aufspringen und andere nicht, was bedeutet, dass bestimmte Neurotransmitter ausgeschüttet werden und andere nicht.
Was bestimmt, welche Neurotransmitter freigesetzt werden? Die Frequenz oder Ladung des elektrischen Impulses. Nicht alle Nervenimpulse sind gleich, und die verschiedenen Neurotransmitter reagieren auf unterschiedliche Frequenzen. So kann ein bestimmter elektrochemischer Impuls ein bestimmtes Vesikel zum Platzen bringen und dessen spezifischen Neurotransmitter freisetzen.
Stellen Sie sich diese chemischen Botenstoffe einfach vor wie winzige Fähren, die einen Kanal überqueren und am anderen Ufer an den passenden Stellen andocken. Für jeden Neurotransmitter gibt es auf der empfangenden Seite des Dendriten einen spezifischen chemischen Rezeptor, in den er passt wie der richtige Schlüssel ins Schloss. Die molekulare Form des Neurotransmitters muss der molekularen Form des Rezeptors entsprechen. Abbildung 3.5 zeigt an den Punkten B und C dieses Schlüssel-Schloss-Prinzip.
An ihrer »Anlegestelle« auf der anderen Seite setzen die Neurotransmitter »Passagiere« frei, die dann verschiedenen Aufgaben nachgehen. Zwar verlassen Sie das Dock alle auf demselben Weg, doch mit unterschiedlichen Zielen: Manche schlendern nach Hause und ruhen sich dort aus, andere gehen zur Arbeit, wieder andere sind möglicherweise im Urlaub und einige gehören vielleicht zum Fährpersonal.
Bei den Neurotransmittern verhält es sich ähnlich: Sie überqueren den Spalt zwischen dem Neuron, das sie freigesetzt hat, und der benachbarten Nervenzelle. Auf der Empfängerseite bewirken sie die Freisetzung bestimmter Chemikalien, die Einfluss auf die Aktivität der empfangenden Zelle nehmen. Dies wiederum wirkt auf das nächste Neuron, und so weiter.