Kleine Anmerkung: Mit meinem einfachen Teleskop ist es möglich, bei besten Sichtbedingungen im Sternbild Jungfrau den verschwommenen Nebelflecken zu sehen, der seiner Form wegen als „Sombrero-Nebel“ bezeichnet wird. Dem Katalog der Messier-Objekte gemäß handelt es sich um eine Galaxie mit einer Masse von 800 Milliarden Sonnen, die einen Durchmesser von rund 100.000 Lichtjahren aufweist. Was mir aber beim ersten Entdecken einen kalten Schauer den Rücken hinunterfließen ließ, ist die Entfernung: 35 Millionen Lichtjahre!
Das Licht, das mein Auge traf, wurde also vor 35 Millionen Jahren von dort auf den Weg geschickt. Da waren zwar die Dinosaurier bei uns schon ausgestorben, aber von einer Gattung Mensch war noch weit und breit nichts zu sehen. Der erste menschenähnliche Vorläufer trat erst vor etwa 3.5 Millionen Jahren auf. „Mein“ Lichtstrahl von der „Sombrero-Galaxie“ hatte da schon 90 % seines Weges zu mir hinter sich. Man könnte noch viele andere Vergleiche heranziehen, um zu erleben, wie die Dimension des Weltalls unser Vorstellungsvermögen sprengt.
Gleichermaßen ist es die zeitliche Dimension, die uns erschrecken lässt. Was sind schon unsere mit mehr oder weniger Vitalität verbrachten – sagen wir mal – 100 Lebensjahre im Vergleich mit der bisherigen Lebenszeit unseres Sonnensystems (4,5 Milliarden Jahre) oder unserer Milchstraße (12 Milliarden Jahre)?
Oder wagen wir uns an einen anderen Vergleich: Nehmen wir wiederum an, dass wir ein Leben von 100 Jahren geschenkt erhalten. Legen wir das auf die Entfernung der Andromeda-Galaxie von 2,4 Millionen Lichtjahren. Dann heißt das, dass 24.000 unserer (aneinandergereihter) Leben vergehen, bis ein von Andromeda ausgesandter Lichtimpuls bei uns eintrifft!
Versuchen Sie, sich das einmal zu vergegenwärtigen, wenn Sie an stillem Ort bei klarem Nachthimmel in das Sternengefunkel hinaufblicken und sich vorzustellen versuchen, was da über ihnen abläuft. Schämen Sie sich nicht, wenn Sie dann von starken Gefühlen ergriffen werden; hochdotierten Wissenschaftlern ist es nicht anders ergangen.
Konklusion 1: Die ursprüngliche Vorstellung, dass die Erde – und wir mit ihr – im Zentrum des Universums stünde, ist völlig falsch. Wir sind äußerst unscheinbar am Rande einer ganz gewöhnlichen Galaxie angesiedelt, die ihrerseits nur eine unter Milliarden von Galaxien ist! Ein Stäubchen, ein beinahe Nichts!
Und die Dauer unseres Lebens ist im großen Geschehen des Universums kaum mit einem Wimpernschlag zu vergleichen.
Sind wir dann noch bedeutsam, sinnvoll im ganzen Schöpfungsgeschehen?
Die moderne Astronomie ist eine unglaublich faszinierende Wissenschaft, die laufend neue Phänomene entdeckt und in Verbindung mit anderen Wissenszweigen wie Quantenphysik, Biologie, Optik, mathematischen Simulationen – und nicht zuletzt ganz bedeutend auch Philosophie zu einer allumfassenden Kosmologie, der Lehre über den ganzen Kosmos, geworden ist. Dabei wurden nicht nur ruhig ihre Bahnen dahinziehende Sterne und Planeten erforscht, sondern Exoten in verschiedenen Lebensaltern entdeckt, von denen ich einige in aller Kürze schildern möchte:
Rote Riesen: Das sind Sterne mit maximal der zweifachen Masse unserer Sonne, denen der Brennstoff allmählich ausgeht, worauf sie sich bis zu 100-mal ihrer Ursprungsgröße ausdehnen. Bei der Sonne nimmt man an, dass das erst in einer Zeit später als 5 Milliarden Jahre geschieht. Auf jeden Fall wird dann kein Leben mehr auf der Erde möglich sein. Im Endstadium stoßen diese Riesensterne ihre äußere Hülle ab, die sich dann als sogenannte planetarische Nebel, wovon es wunderschöne Fotos gibt, im Weltall ausdehnen. Der Kern kollabiert zu einem „Weißen Zwerg“, der über Jahrmillionen schließlich auskühlt.
Supernovas und Neutronensterne: Sterne, die eine wesentlich größere Masse als unsere Sonne aufweisen, werden nach Verbrauch aller Brennstoffe als Supernova explodieren. Der Kern kollabiert dann zu einem schnell rotierenden Neutronenstern, in dem die verbleibende Masse zusammengedrückt wird (zum Beispiel Sonnenmasse auf Erdgröße). Die Trümmer dieser Explosion werden mit ungeheurer Wucht ins Weltall hinausgeschleudert und sind heute als bizarre Gebilde in Teleskopen zu sehen.Im Jahre 1054 wurde eine solche Supernova, die über Tage selbst die Sonne überstrahlt haben soll, in China aufgezeichnet. Ihr Rest ist heute als verfranster Krebsnebel zu sehen. Von größter Wichtigkeit ist für uns jedoch die Tatsache, dass in diesen Sternexplosionen mit ihren gewaltigen Kräften alle Elemente höher als Eisen entstehen. Diese Elemente werden im Weltraum verteilt und finden sich in riesigen Wolken interstellarer Materie. Diese Materie ballt sich da und dort zusammen, worauf bei genügender Dichte neue Sonnen zünden, in deren Umfeld Planeten entstehen. Das heißt konkret: Die meisten Elemente aus denen wir bestehen, stammen aus solchen Sternexplosionen. Zu Recht sagt man: Wir sind Sternenstaub!
Braune Zwerge: Einige Verdichtungen interstellaren Staubes sind zu schwach, um eine neue Sonne hervorzubringen. Sie bringen es nur zu einem matten Glühen, weshalb man sie als „Braune Zwerge“ bezeichnet. Ihre Zahl soll viel größer sein, als jene der zu Sonnen gewordenen Sterne. Neuerdings misst man ihnen eine große Rolle bei der Entstehung von Leben zu. Auch wenn sie nicht zu Sonnen wurden, bildeten sich in ihrem Umfeld Planeten, die zum Teil günstige Bedingungen zur Entstehung und Entwicklung von Leben aufweisen können.
Schwarze Löcher: Ist eine Sternmasse groß genug, kollabiert beim Explodieren der Kern des Sterns beinahe endlos. Die Kräfte des Zusammenballens sind dann so groß, dass nicht einmal Licht entweichen kann, mit der Folge, dass dieser Materieklumpen nicht mehr sichtbar ist. Je größer er ist, umso mehr zieht er durch die Gravitation Materie an sich. Immer mehr Sterne werden von so einem „Ungeheuer“ verschluckt, das selber zu immenser Größe anwachsen kann. Im Zentrum unserer Milchstraße existiert ein solch riesiges „Schwarzes Loch“. In anderen Galaxien ebenso. Die Physiker zerbrechen sich den Kopf, was sich dort im Innern abspielt.
Gravitationslinsen: In „Schwarzen Löchern“ ballt sich ungeheuer viel Materie. Dementsprechend ist auch deren Anziehungskraft riesengroß. Einstein hat postuliert, dass Licht von Materie abgelenkt wird. Das ist eigentlich nicht ganz richtig, denn nach seiner Entdeckung verbiegt Materie den Raum, sodass gerade Lichtstrahlen krumme Bahnen laufen. Das erlaubt, hinter ferne Galaxien zu sehen.Das Licht noch weiter entfernter Galaxien läuft also quasi um die Galaxie im Vordergrund herum. Wenn sich die Hintergrundgalaxie von unserem Standort aus gesehen direkt hinter jener im Vordergrund befindet, ergeben sich sogar ringförmig mehrere Abbilder um die Galaxie im Vordergrund, sogenannte „Einstein-Ringe“. Damit lassen sich sehr weit entfernte Objekte erforschen.
Quasare: In extremen Distanzen hat man überaus helle Objekte gefunden, die zwar wie Sterne leuchteten, aber so weit entfernt waren, dass ihr Licht eine andere Quelle haben musste (deshalb: Quasi stellare Objekte = Quasare). Nach heutiger Erkenntnis gibt es keine andere Erklärung, als dass sich in diesen Galaxien ein supermassives „Schwarzes Loch“ befinden muss, um das eine riesige Scheibe von Materie kreist, die durch die Energie des „Schwarzen Loches“ gewaltig aufgeheizt und zu einem Leuchten gebracht wird, das die ganze Galaxie überstrahlt.
Wer noch mehr exotische Phänomene des Universums kennen lernen will, kann sich an Starbursts, Kollisionen von Galaxien, Kugelhaufen, Gammablitzen, Gravitationswellen etc. wundern.
Konklusion 2: Im Weltall spielen sich unglaubliche Vorgänge ab, die uns immer wieder größtes Staunen abnötigen. Die wohl wichtigste Entdeckung dabei ist die Tatsache, dass durch das Werden und Vergehen (Sterne – Supernovae – Entstehung aller chemischen Elemente – Molekülwolken – Kondensierung zu Sternen mit Planeten) letztlich auch unser Leben möglich wurde. Wir haben in unserem Körper „Sternenstaub“ zu Hauf. Damit sind wir hineingenommen in das ganz große Werden und Vergehen des Unversums.
Folgenreiche Entdeckung des Mikrokosmos