Nun gibt es zwar die Meinung, dass Religion und Naturwissenschaft zwei Domänen sind, die nichts miteinander zu tun haben. So auch der Councel oft the US National Academy of Sciences im August 1981: „Religion und Wissenschaft sind getrennte und einander ausschließende Bereiche des menschlichen Denkens, deren Dar-Stellung in ein und demselben Zusammenhang zu einem falschen Verständnis sowohl der wissenschaftlichen Theorie als auch des religiösen Glaubens führt.“
Das sehe ich nicht so. Die Schöpfung besteht nicht aus zwei voneinander getrennten Teilen, aber sie kann Gegenstand der Betrachtung aus unterschiedlichen Blickwinkeln sein, so wie sich ein Denkmal unterschiedlich präsentiert, je nachdem ob ich es von vorne oder von hinten betrachte.
Der Theologe Patrick Becker schreibt dazu: „Wenn die Theologie weiterhin an der Trennung der Disziplinen festhält und auf dem Standpunkt bleibt, Naturwissenschaft und Theologie hätten ein anderes Sprachspiel und würden einen anderen Zugang zur gleichen Wirklichkeit darstellen, dann verurteilt sie sich und ihre Inhalte zur empirischen Bedeutungslosigkeit.“
Das heißt dann aber auch, dass ein theologisieren im Widerspruch zu Erkenntnissen der Naturwissenschaft wenig Glaubwürdigkeit vermittelt.
Ich will die Naturwissenschaften nicht über alle anderen Geistesbemühungen stellen, aber ihre Methodik gefällt mir. Mir imponiert ihr Herantasten an neue Erkenntnisse über das Funktionieren der Welt, ihr Bemühen, nach neuen Naturgesetzen zu suchen, ihr Festlegen neuer Erkenntnisse in möglichst klaren Formulierungen, vor allem aber – und das kann nicht genug unterstrichen werden – die Bereitschaft, neue Erkenntnisse auf den Prüfstand anderer Meinungen zu stellen und das zu verwerfen, was diesen entgegensteht, auch wenn sie bis anhin als fester Bestandteil des wissenschaftlichen Gebäudes galten. Da gibt es keine für alle Zeiten und für alle Menschen gültigen Dogmen. Für einen Atomphysiker sei die Vorstellung, wegen einer subjektiven Voreingenommenheit eine falsche Antwort in die Welt zu posaunen, ein Alptraum (Butterworth vom CERN).
Albert Einstein sagte es so: „Zwei Dinge sind in unserer Arbeit nötig: unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.“
Diese Methodik ist jedoch nicht jene der Philosophie und der Theologie. Sie ist auch nicht einfach auf diese übertragbar, selbst wenn das einige Naturwissenschaftler versuchen. Dennoch meine ich, dass sich die reinen Geisteswissenschaften ihr nicht gänzlich verschließen sollten, auch nicht den Erkenntnissen der Naturwissenschaften. Denn ich wünsche mir einen vernünftigen Glauben, nicht einen, der sich gegen grundlegende Erkenntnisse der Naturwissenschaften mit unverständlicher Kasuistik und dem Herbeibemühen von irgendwelchen „Geheimnissen“ sträubt, die von Zweifeln nicht angetastet werden dürfen. Nebenbei: Dem theologisch ungeschulten Laien helfen in seinem Suchen auch die mit den Widerborsten vieler Fremdwörter gespickten Argumente zahlreicher Theologen und Philosophen wenig (Beispiel: Ratzinger in Verteidigung des Primats von Rom: „Die ontologische Vorgängigkeit der Gesamtkirche, der einen Kirche und des einen Leibes, der einen Braut, vor den konkreten empirischen Verwirklichungen in den einzelnen Teilkirchen scheint mir so offenkundig, dass es mir schwerfällt, die Einsprüche dagegen zu verstehen.“). Gegenargument eines renommierten Theologen: Auch die Formelsprache der Physik und Mathematik erschließe sich wohl den wenigsten Menschen.
Immerhin halte ich dagegen, dass die Aussagen der Theologie eigentlich allen Menschen zugänglich und verständlich sein sollten, denn die Betroffenheit für ihr Leben ist universell. Die Physik erhebt diesbezüglich keinen Anspruch.
Glaube steht bekanntlich in einem komplementären Verhältnis zum Wissen. Bei jenen Bereichen, bei denen wir über einigermaßen gesichertes Wissen verfügen, braucht es keinen Glauben. Da, wo kein gesichertes Wissen vorhanden ist, kann die Domäne des Glaubens beginnen – zumindest vorläufig. Da stellt sich jedoch die Frage der Grenzziehung zwischen diesen beiden Bereichen, die immer wieder Mühe bereitet und auch in der Art missinterpretiert wird, dass Glaube nur eine Lückenbüßerfunktion einnehme.
Freilich ist das Ersetzen des Glaubens durch Wissen so eine Sache. Schon zu oft glaubte man in den Naturwissenschaften, dass der Bereich des noch zu Entdeckenden immer kleiner werde. Um 1900 soll es Physikprofessoren gegeben haben, die Studierenden anrieten, nicht das Fach Physik zu wählen, da praktisch schon alles entdeckt worden sei, was es zu entdecken gebe. Was für ein Irrglaube!
Meine Gedanken mögen auch Anregungen für andere Sinnsucher sein. Ihr Glaube darf gänzlich oder in Teilen von meinem Glauben abweichen, wenn er denn nur gut begründbar ist. Damit habe ich gar kein Problem.
Ich beginne in diesem Werk meine Annäherung an einen vernunftgemäßen Glauben mit Themen aus der Naturwissenschaft, um zu zeigen, wie weit wir Menschen vom Status „Krone der Schöpfung“ entfernt sind. Nicht nur das: Ich bin überzeugt, dass ein Gottesglaube von der immensen Größe des Universums wie auch seiner verstörenden Beschaffenheit im Kleinsten Kenntnis nehmen muss, wiederum auch um uns Menschen in ihrer Stellung und Bedeutung einzuordnen. Ein Gottesglaube gründet ganz wesentlich in der Schöpfung, denn die Frage, wer das alles geschaffen hat, hatte schon die urzeitlichen Menschen beschäftigt und muss uns weiterhin Anlass zum Nachdenken geben.
Es ist deshalb nur logisch, dass ich mich auch mit dem Ursprung der Schöpfung – dem Urknall – befasse und ihren weiteren Verlauf schildere, wie sie die Evolutionstheorie aufzeigt. Besonderen Platz räume ich dabei der Entstehungsgeschichte des Menschen ein, vor allem dem Auftauchen von Bewusstsein. Daraus stelle ich die Frage, wie der bewusste Mensch zu Gottesbewusstsein gelangt ist und wie sich dieses in Religionen organisiert hat. Auch heute existierende Religionen sind geschichtlich gewachsene Konstrukte, in denen sich Gottesanschauungen und Organisationsformen immer wieder gewandelt haben. Das ist bei der Frage nach festem Grund von Bedeutung. Denn was bleibt an Kerngedanken übrig, wenn unzeitgemäßer, geschichtlicher Ballast abgeworfen wird und wenn die Wirbelwinde heutiger Erkenntnisse durch die antik möblierten Andachtsräume gefegt sind?
Ich widme mich sodann besonderen Auswüchsen der Religionen und nehme mich des religiösen wie auch des profanen Wunderglaubens an. Die Frage, wieweit Ethik auch ohne Religionen möglich ist, wird uns ebenfalls beschäftigen. Kritische Gedanken äußere ich einerseits gegenüber den Kreationisten und den Gläubigen des Intelligent Design, andererseits aber auch besonderen „Glaubensrichtungen“ des Atheismus aus dem Kreis der modernen Naturwissenschaften. Kein leichtes Unterfangen ist es, wenn ich in einem eigenen Kapitel das menschliche Leiden in einen größeren Zusammenhang der Evolution zu stellen versuche. Dann wird es Zeit, dass ich mich festlege und erkläre, was ich glaube und was nicht. Schließlich lasse ich Wissenschaftler, vor allem aus der Ecke der Naturwissenschaften, zur Thematik des Glaubens sprechen. Ihr Zeugnis bedeutet mir viel.
Auf einen kurzen Nenner gebracht: Ich gehe der Frage nach, woraus Gottesglaube entstanden ist, und was die Menschen im Verlaufe der Geschichte daraus gemacht haben. Dann prüfe ich das Ergebnis an dem, was heutige Naturwissenschaft zu heute verkündeten Glaubensinhalten beiträgt.
Die Entdeckung des unglaublich großen Makrokosmos
Wenn jeden Tag die Sonne im Osten auf- und im Westen untergeht, wundern wir uns ob dieser Selbstverständlichkeit nicht mehr. Vielleicht nehmen wir noch wahr, dass die Sonne im Winter einen anderen Bogen am Himmel beschreibt als im Sommer. Wir können uns dann fragen, warum das so ist, oder es eben auch als alltägliche Normalität empfinden.
Doch wenn wir nachts an möglichst lichtfernen Orten zum Firmament hinaufschauen, erfüllt uns das unermessliche Sternengefunkel mit ehrfürchtigem Staunen. Nicht anders werden die Gefühle gewesen sein, die die Menschen vor Jahrtausenden überwältigten, wenn sie dieser Pracht gewahr wurden. Einige unter ihnen beobachteten intensiver als andere und stellten fest, dass sich die Sterne im Verlaufe einer Nacht gemeinsam bewegten, auch, dass sich in jeder Jahreszeit der Sternenhimmel anders präsentiert, sich aber nach gewisser Zeit wiederholt, woraus dann das Jahr definiert wurde.
Sie versuchten Ordnung in das großartige Geschehen am Himmel zu bringen, gaben den auffälligsten Sternen Namen und kombinierten Sterne zu Sternbildern, die sie mit ihren Mythen verknüpften.
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