Die gleichen Qualitäten des Mitgefühls und des Wohlwollens für andere prägen auch die Lebensgeschichten der Meisterinnen und Meister, die auf den folgenden Seiten erzählt werden. Sobald diese Gestalten für uns zum Leben erwachen, bemerken wir, wie sie alle den Dharma auf ihre eigene, sehr persönliche Art gelebt haben. Es gibt kein »buddhistisches Standard-Leben«, dem sie nacheiferten und zu verwirklichen suchten. Ganz im Gegenteil: Die lebendigen Verkörperungen des Dharma entwickeln sich in Formen, die angemessen sind für die an bestimmten Ort, zu gewissen Zeiten vorherrschenden Verhältnisse. Ein besonderes Merkmal des Buddhismus ist seine große Anpassungsfähigkeit, so dass er sich an Orten und in historischen Situationen entfaltet hat, die so verschieden sind wie das antike Magadha, die Tang-Dynastie in China, das mittelalterliche Tibet oder das moderne Burma und Thailand. Diese Kunst der Anpassung wird aber nicht durch den Buddhismus als solchen lebendig, sondern durch jene Männer und Frauen, die ihn praktizieren und seine Lehren mit frischer Stimme in die Worte fassen, die den neuen Situationen entsprechen und von den Menschen verstanden werden.
Heutige Leser und Leserinnen mögen erstaunt sein über die Berichte von übersinnlichen Fähigkeiten, die einigen der Figuren in diesem Buch zugeschrieben werden. Sollen wir diese Wunder für bare Münze nehmen? Sollen wir annehmen, dass sie eine symbolische oder archetypische Wahrheit vermitteln? Oder sollen wir sie ganz einfach ignorieren? Man muss verstehen, dass solche Legenden aus prä-modernen Kulturen stammen, die nicht zwischen dem Wörtlichen und dem Symbolischen unterschieden haben, wie wir es heute tun. So wie es naiv sein kann, Wunder für wahr zu halten, so kann es auch zynisch sein, zu behaupten, sie hätten keinen größeren Wert als Märchen. Überlieferungen von Wundertaten haben überlebt, weil sie in denjenigen, denen diese Geschichten einst erzählt wurden, Vertrauen und Inspiration erweckten. Heute gilt es für uns, einen mittleren Weg zu finden zwischen Leichtgläubigkeit und Misstrauen in Bezug auf übersinnliche Fähigkeiten und Wunder. Aber wie immer dem auch sei: Ob Heilige oder Yoginis Wunder vollbrachten oder nicht, diese Menschen sollten wir nicht nach einzelnen, möglicherweise ungewöhnlichen Taten beurteilen, sondern nach der Qualität ihres gesamten Lebens. Auf diese Weise wirken ihre Geschichten weiter als Inspiration für all jene, die versuchen, die Lehren des Dharma in der heutigen Zeit in ihrem Leben zu verkörpern.
Stephen Batchelor
Aquitaine, Januar 2012
Dank
Zur Entstehung dieses Buches war ich auf Hilfe, Unterstützung und Information mannigfacher Art angewiesen, wofür ich mich hier herzlich bedanken möchte.
Großer Dank gebührt Horst Christoph, der über Jahre hinweg immer wieder bereit war, meine Texte zu lektorieren, der ausgezeichnete Vorschläge machte und hilfreiche Tipps gab, um die Geschichten lebendiger zu gestalten.
Ursula Richard, meine wunderbare und verlässliche Literaturagentin und Verlegerin, half mir durch ihre umfangreiche Arbeit, den Text flüssiger und lesbarer zu machen, und ermunterte mich, auch die Dharma-Inhalte ausführlicher darzustellen. Auch für ihre Bereitschaft, dieses Buch herauszugeben, wissend, dass es in unserer vermehrt auf »Meditation für den Alltag« und »Buddha als praktischer Lebensratgeber« ausgerichteten Markt nicht mehr selbstverständlich ist, ein Buch dieser Art zu verlegen, möchte ich ihr einmal mehr herzlich danken.
Meine Wertschätzung geht auch an Stephen Batchelor für das Vorwort. Ihm selbst ist ja sehr wichtig geworden, die Figuren aus Buddhas Zeiten zu geschichtlich und menschlich greifbaren Personen zu machen und sie somit aus dem Bereich der Mythen in die »reale Welt« zu holen. Von daher war es für mich spannend zu sehen, was er zu diesem Buch über Heilige und Erleuchtete schreiben würde.
Besonderer Dank gebührt meiner Frau Ursula Flückiger für ihre liebenswürdige und unermüdliche Unterstützung aller Art, durch die meine Schreibarbeit überhaupt erst möglich wurde, sowie für ihre vielen nützlichen Hinweise und durchdachten Ideen und Vorschläge, die in dieses Buch eingeflossen sind und es bereichern.
Große Dankbarkeit fühle ich auch für meine unübertrefflichen Dharma-Lehrer und -Lehrerinnen, die ihre Zuhörerschaft immer wieder mit Lebensgeschichten alter Meister und Meisterinnen zu inspirieren wussten: Geshe Rabten, Geshe Jampa Lodrö, Tsoknyi Rinpoche, S. N. Goenka, Jack Kornfield, Sharon Salzberg, Joseph Goldstein und andere.
Für seine Vorschläge, die mich zum Titel dieses Buches inspiriert haben, geht mein Dank an Urs Haller, der auch maßgebend an meinen früheren Büchern mitgearbeitet hat.
Für die Biografien und Geschichten habe ich mich auf zahllose Bücher und Internet-Hinweise gestützt. Ein Großteil davon wird in den Fußnoten aufgeführt. Viele nützliche Quellen von Detailinformationen können aber nicht speziell erwähnt werden. Doch auch diese weiß ich sehr zu schätzen.
Für das Kapitel über den ehrwürdigen Geshe Rabten und jenes über Sri Anagarika Munindra habe ich mich auf meine eigenen Erfahrungen gestützt, die ich während der langen Perioden, die ich in der Nähe der beiden Meister zubrachte, machen konnte sowie auf die vielen Geschichten und Informationen, die in ihrem jeweiligen Umfeld verbreitet wurden. Zusätzliche Quellen waren für mich Geshe Rabtens Autobiographie The Life and Teachings of Geshe Rabten, übersetzt und herausgegeben von B. Alan Wallace1, und Mirka Knasters Buch Living this Life Fully, Stories and Teachings of Munindra2. Für diese beiden wertvollen Quellen möchte ich meine besondere Wertschätzung bekunden.
Meinem Lehrer Tsoknyi Rinpoche sowie Jack Kornfield danke ich für ihre empfehlenden Worte.
Mögen die vorliegenden Legenden und Lehren eine Inspiration sein auf dem Dharma-Weg zur Befreiung.
Schreibweise und Aussprache von Begriffen und Namen in Pali, Sanskrit und Tibetisch
Für Pali und Sanskrit wird die international gebräuchliche Schreibweise verwendet.
Die tibetischen Begriffe sind nach demselben Prinzip phonetisch dargestellt.
Buchstabe | Wortbeispiel | Deutsche Aussprache |
c, cc, ch = tsch | citta, anicca, chö | tschitta, anitscha, tschö |
j = dsch | dorje, jhana | dordsche, dschana (wie im engl. »joy«) |
ñ = ny | prajña | pradschnya (wie in sp. mañana) |
sh = sch | klesha | klescha |
v = w | vedana | wedana |
Schreibweise und Aussprache spezifischer Namen:
sh | Shantideva | Schantideva |