Bedanken möchte ich mich noch bei all den Leuten, ohne die dieses Buch nicht möglich gewesen wäre. Zuallererst danke ich meiner Frau, ohne die ich weder einen vor kurzem erlittenen schweren Unfall überlebt noch generell kein so schönes und erfülltes Leben hätte, das nebenbei erlaubt, ein Buch zu schreiben.
Dann meinen Eltern, deren Erziehung, die von ihnen ermöglichte Ausbildung und die eingeforderte Konfirmation meinerseits eine solide Grundlage für meine heutige Weltsicht schufen, die in diesem Werk ausgebreitet wird.
Weiterhin Freunden und guten Bekannten im realen Leben wie in der virtuellen Welt. Gemeinschaft, Zusammenarbeit und viele Diskussionen mit ihnen prägten meine vielfältigen Ansichten – auch die, die für die hier dargestellten Themen wichtig sind.
Schließlich noch Prof. Dr. Gerald Dyker, der sich als Korrekturleser zur Verfügung stellte und dessen Nachfragen und Ideen zu so mancher Ergänzung des ursprünglichen Textes geführt haben.
Περὶ θεῶν λέγε, ὡς εἰσἰν.
Von den Göttern sage:
Sie sind. (Bias von Priene)
Was ist Religion?
Sind Sie religiös?
Eine an sich einfache Frage, doch hätte ich Probleme, sie ebenso einfach mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten, stellte man sie mir. Antwortete ich mit „nein“, wäre das falsch und unwahr, antwortete ich mit „ja“, würde man mich mit hoher Wahrscheinlichkeit mißverstehen. Das rührt daher, daß die heute üblichen Definitionen des Begriffs „Religion“ im wesentlichen aus dem christlichen Umfeld stammen und sie deshalb nur für Religionen zutreffen, die dem Christentum oder den anderen abrahamitischen Monotheismen wie Judentum und Islam ähnlich sind.
Eine gängige Definition ist, Religion sei die „Rückbindung an Gott“. Diese Aussage habe ich selbst schon von Heiden gehört, nur daß sie „Gott“ durch „Götter“ ersetzt haben. Diese Definition wurde von dem nordafrikanischen christlichen Apologeten Lucius Caecilius Firmianus, genannt Lactantius, den man zu den Kirchenvätern zählt, im frühen 4. Jahrhundert niedergeschrieben. Lactantius leitet religio von religare = „zurückbinden“ ab, Religion bildet bei ihm ein Band der Frömmigkeit zwischen Mensch und Gott [Fir12].
In späteren Zeiten, speziell im Mittelalter, wurde Religion dann fest mit dem Glauben an Gott, Götter oder andere höhere Mächte in Verbindung gebracht, was bis heute Geltung hat. Knaurs großes Wörterbuch der deutschen Sprache definiert Religion folgendermaßen [Her85]:
„1 Glaube an eine oder mehrere überirdische Mächte sowie deren Kult
2 Glaubensbekenntnis; christliche, jüdische R.“
Bezogen auf das Heidentum liefert diese Beschreibung zwei Schwierigkeiten. Zum einen spielt der notwendige Glaube im Heidentum eine andere Rolle als hier angedeutet (siehe Kapitel Was ist Glaube?). Zum anderen impliziert „überirdische Mächte“ eine Übernatürlichkeit oder Außerweltlichkeit, die leicht zu Mißverständnissen führt. Heidnische Götter werden eher als immanent denn als überirdisch im Sinne von transzendent oder jenseitig betrachtet (siehe Kapitel Was ist ein Gott?).
Das eigentliche Problem besteht allerdings in dem notwendigen Bezug auf höhere Mächte. Dies tangiert das Heidentum zwar nicht, aber beim Buddhismus zum Beispiel wird oft gefragt, ob dieser überhaupt eine Religion oder doch „nur“ eine Weltanschauung sei. Götter oder andere höhere Mächte sind im Buddhismus irrelevant, man kann an sie glauben, sie verehren, muß es aber nicht. Jemand, der höhere Mächte komplett ablehnt, kann dennoch Buddhist sein. Nun gibt es buddhistische Tempel, Klöster, Priester und Mönche sowie eine Lebenseinstellung und Verhaltensweisen, die auf das nächste Leben oder das Nirwana vorbereiten sollen. Für mich besteht keinerlei Zweifel, daß Buddhismus eine Religion ist, nur eine ohne Götter als konstituierende Elemente.
Eine in meinen Augen weitaus passendere Definition von Religion stammt aus vorchristlicher Zeit und läßt sich bei Cicero nachlesen [Cic95]. Cicero leitet religio von relegere = „aufsammeln“ oder „wieder auflesen“, im übertragenen Sinne „achtgeben“, ab. Einer Religion zu folgen, heißt hier, ihre Rituale, ihre Ethik, ihre Werte, ihre Ideale und ihre Traditionen zu beachten. Götter allgemein oder nur ganz bestimmte Götter oder höhere Mächte, egal in welcher Anzahl, zu einem exakt definierten Pantheon zusammenzustellen oder eine fest vorgeschriebene beziehungsweise dogmatisch festgelegte Vorstellung von diesen Mächten zu haben, ist hier nicht von Belang. Der Glaube an solche Konstellationen spielt dann nur eine untergeordnete Rolle; einen „falschen Glauben“, Häresien usw. gibt es im allgemeinen nicht.
So versteht Cicero an derselben Stelle auch etwas völlig anderes unter dem Begriff superstitio als im Christentum, welcher hier üblicherweise mit „Aberglaube“, das heißt den Glauben an falsche Götter oder falsche höhere Mächte, übersetzt wird. Superstitio ist für ihn übertriebene Frömmigkeit, d. h. überzogenes Beten oder Opfern, eine Überhöhung des Religiösen im Lebenswandel, so daß das Verhältnis von religiösem und „normalem“ Leben nicht mehr stimmt. Oben genannter Lactantius widerspricht dieser Auffassung übrigens vehement [Fir12].
Diese begriffliche Erklärung von Religion umgeht die Nachteile der heute üblichen. So zählt hier auch Buddhismus ohne jede Schwierigkeit oder zusätzliche Annahmen als Religion.
Bezüglich des germanischen Heidentums stellt sich nun die Frage, wie die Germanen wohl über den Begriff Religion gedacht haben. Leider gibt es hier keinerlei schriftliche Hinterlassenschaft, die mit den philosophischen Arbeiten der Griechen und Römer vergleichbar wären, so daß wir keine direkte Kenntnis haben. Angesichts der vielen Gemeinsamkeiten zwischen griechisch-römischer und germanischer Mythologie, auch wenn man von letzterer nicht annähernd so viel weiß und sie, so sie denn erst im Mittelalter notiert wurde, teilweise von christlichem Gedankengut beeinflußt ist, hege ich die Vermutung, daß der Grundgedanke hinter der Religion bei den Germanen nicht wesentlich anders als bei Griechen und Römern aussah. Selbiges vermute ich auch für Kelten und Slawen, um weitere europäische Ausprägungen des Heidentums zu nennen.
Ein weiterer interessanter Punkt bei Religion ist, daß viele meinen, man könne nur eine haben. Einer Religion zu folgen, bedeute, daß man alle anderen für falsch halten müsse.
Daß dies nicht korrekt sein kann, zeigt allein die Tatsache, daß ein Großteil der Japaner zwei Religionen folgt, die so gut wie nichts miteinander zu tun haben, nämlich Buddhismus und Shintoismus. Buddhismus lehrt u. a. die Überwindung des eigenen Egos, des eigenen Individuums, um der andauernden Wiedergeburt zu entgehen und ins Nirwana einzugehen. Shintoismus dagegen ist eine animistische Naturreligion; die Seele eines Toten fährt nach dieser Anschauung in einen Schrein oder einen Teil der Natur. Im Shintoismus werden kami (
) verehrt, was gewöhnlich mit „Götter“ übersetzt wird. Diese Übersetzung geht allerdings nicht weit genug, unter kami versteht man auch Naturgeister oder Seelen von Verstorbenen. Für eine Einführung in den Shintoismus siehe z. B. [Lok01].Auch im antiken Heidentum war es üblich, mehrere Religionen parallel zu haben [Kla95], auch wenn man heute eher von „Kulten“ statt von Religionen sprechen würde. Angesichts der oben genannten Definition von Religion seitens Ciceros sehe ich zwischen einer Religion und einem Kult allerdings keinen wesentlichen Unterschied. Wer die Anforderungen zweier religiöser Kulte beachtet, folgt bei großen Unterschieden zwischen den Kulten halt zwei verschiedenen Religionen.
So hatte ein Römer mindestens die Staats-