Lena Halberg: Der Cellist. Ernest Nyborg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernest Nyborg
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783868412277
Скачать книгу
liegt. Was noch fehlt ist nicht das Know-how, sondern bloß die Mittel.«

      Er blickte die Manager an, die zum Teil gelangweilt vor sich hinstarrten – es war Zeit, die Katze aus dem Sack zu lassen. »Nun werden Sie wissen wollen, wie bedeutend unsere Lagerstätten sind und ob sich eine Investition für Sie lohnt.« Er machte eine kurze Pause, um den folgenden Worten mehr Wirkung zu geben. »In der Salzpfanne liegen neun Millionen Tonnen, es ist die größte bekannte Lagerstätte und ein Fünftel der globalen Reserven.«

      Mit einem Schlag hatte er die Aufmerksamkeit der Anwesenden. Er öffnete seine Ledermappe und nahm ein durchsichtiges Plastiksäckchen mit einem weißen Pulver heraus. Als er es in die Höhe hob, lächelte er. »Wären wir in Kolumbien, wüssten Sie genau, was das ist … Bei uns ist es Lithium und das Geschäft wird ebenso groß!«

      Alle am Tisch nickten amüsiert über den Vergleich mit Kokain und begriffen die Dimension des Gewinns, von der Almeda sprach.

      »Aber wäre es bei einem derartigen Ausmaß nicht lohnender, die ganze Sache in die Hände eines erfahrenen Rohstoffkonzerns zu legen, der die Bedürfnisse des Marktes genau kennt, anstatt eigene Entwicklungen anzustreben?«, warf ein jüngerer Manager ein, der mit blasiertem Blick links neben Almeda saß. An der Äußerung spürte man, dass er im Kopf schon seinen Provisionssatz errechnete. »Wir, die Maycon Cross Mining, sind federführend in der Förderung von Lithium und haben sogar spezielle Verfahren für die effizientere Gewinnung entwickelt.«

      »Zu den erfahrenen Konzernen …«, Almeda sah hoch und blickte den Mann direkt an, »möchte ich Ihnen gerne ein Beispiel geben. Vor einigen Jahren gab es oberhalb von Potosí eine Zink-Mine. Unsere Geologen hatten dort erhebliche Lagerstätten vermutet und mein Vorgänger übertrug die Ausbeutung einem dieser Konzerne. Leider erwies sich die Annahme als zu optimistisch und der Profit war deutlich geringer als erhofft. Da geschah das große Unglück: Das Bergwerk stürzte ein, begrub dutzende Arbeiter unter sich und wurde aufgegeben.

      Zufällig wollte ich an diesem Tag mit meiner Frau einen freien Tag in den Kordilleren verbringen. Ich wurde Zeuge dieses Vorfalls und versuchte noch zu helfen, bevor die Stollen einbrachen und von einem naheliegenden See überflutet wurden. Interessanterweise gab es davor im Berginneren mehrere seltsam dumpfe Schläge und ich entdeckte in einem der Gänge eine Sprengstoffkiste. Leider gab es keine Möglichkeit mehr, diese sicherzustellen …«

      Er richtete sich auf und sah in die Runde. »Ich denke, Sie verstehen worauf ich hinaus will. Für mich wurde das zu einer prägenden Erfahrung. Schlagartig erkannte ich, wozu solche Firmen fähig sind und wie wenig sie das Ausmaß der Verwüstung, die sie hinterlassen, interessiert. Dort, wo früher ein kleiner Bergsee war, gibt es jetzt ein unbegehbares Stück Land. Man überließ es einfach sich selbst und das ganze Gebiet musste von der Regierung gesperrt werden.«

      Die Anwesenden versuchten ein unbeteiligtes Gesicht aufzusetzen und wichen Almedas direktem Blick aus.

      »Bolivien gehört – gemessen an den Bodenschätzen – zu den reichsten Gegenden der Erde. Dennoch sind wir noch immer eines der ärmsten Länder, weil wir uns viel zu oft in die Hände solcher Konzerne begeben haben!« Almeda klang eisig. Er faltete die Karte zusammen, steckte sie zurück und lehnte sich mit beiden Händen auf die Mappe. »Nein, diesmal sollen keine Rohstoffe verkauft werden, sondern die Wertschöpfung in Bolivien bleiben.«

       4

      Durch den offenen Kreuzgang des überdachten Innenhofs, der die verschiedenen Hotelbereiche miteinander verband, ging Almeda nach der Besprechung hinauf zur Dachterrasse. Er war zufrieden über die Entwicklung in den letzten zwei Stunden. Mit seiner Annahme, dass die Hyänen ihrer Gier folgen und sich auf die Schürfrechte stürzen würden, hatte er richtig gelegen. Doch gab es unter ihnen auch einen deutschen Anlagenbauer und eine große australische Minengesellschaft, die seine Intentionen verstanden – beide hatten derartige Projekte schon anderswo realisiert und konnten sich vorstellen, direkt hier im Land zu investieren. Wenn es ihm gelang, sie gemeinsam an einen Tisch zu bringen, kam das einer Lösung in seinem Sinne schon sehr nahe. Für ein erstes Abtasten der Interessen ein gutes Resultat.

      Almeda nahm das Etui mit den dunklen Zigarillos aus der Tasche, zündete sich genüsslich eine seiner geliebten Brasils an und lehnte sich an die Steinbrüstung. Sie lief rund um das Dach und war durch kleine gemauerte Türmchen unterbrochen. Der Blick auf die malerische, von der UNESCO zum Weltkulturerbe gekürte Stadt, die sich vor der hohen Bergkette ausbreitete, entschädigte ihn für die maßlosen Wünsche mancher Manager und die Kälte des Abends. Er fühlte sich zu Hause zwischen den weißen Bauten aus der Kolonialzeit mit den spanischen Dächern. Das Parador lag direkt in der historischen Altstadt, nur einen Block vom zentralen Platz entfernt und davor ragte der Glockenturm der großen Kathedrale mit seinen überlebensgroßen Statuen der Apostel und Evangelisten auf. Nur wenige Straßen entfernt war er aufgewachsen. Schon als Kind, wenn er mit seiner Mutter zur Messe ging, hatten ihm die dunklen Heiligen, die stumm in alle Himmelsrichtungen blickten, Respekt eingeflößt und ein wenig davon empfand er noch heute.

      »Qué panorama impresionante!«, lobte eine laute weibliche Stimme hinter Almeda die Aussicht und riss ihn aus seinen Gedanken. »Schön, Sie hier abseits der Meute anzutreffen.«

      Almeda wandte sich um. Das schlechte Spanisch mit dem amerikanischen Akzent gehörte zu der großen blonden Frau, der einzigen, die vorhin bei dem Meeting war. Die Störung und ihre platte Bemerkung verdrossen ihn, denn natürlich hatte sie nur darauf gewartet, ihn irgendwo alleine abzupassen.

      »Evelyn Schillman«, fuhr sie ohne Pause fort. Mit schnellen Schritten kam sie näher und hielt ihm mit vorgestrecktem Arm ihre Visitenkarte hin. »Aber für meinen Freunde bloß Ivy!«

      Almedas angenehme Stimmung war weg. Kann man denn keine fünf Minuten Ruhe haben?, dachte er. Er kannte solche Leute zur Genüge – während eines Gesprächs in der Allgemeinheit brachten sie den Mund nicht auf und danach versuchten sie, ihre Interessen in privaten Deals durchzudrücken. Schon vorhin, als er mit dem Vertreter der deutschen Firma gesprochen hatte, stellte sie sich wie zufällig daneben, versuchte mitzuhören und nahm an, er würde es nicht bemerken.

      »Danke, Señora Schillman«, antwortete er deshalb betont förmlich und steckte die Karte mit einer mechanischen Geste ein, ohne sie anzusehen.

      »Ein wunderbarer Abend«, sagte sie und stellte sich neben ihm an die Brüstung. Zweifellos war sie trotz ihres Alters – er schätzte sie auf Mitte fünfzig – attraktiv und versuchte damit bei Männern zu punkten. Aber aus der Nähe betrachtet wirkten ihre Züge hart und die Schminke zu dick aufgetragen. »Es muss herrlich sein, hier zu leben, obwohl Washington auch seine Reize hat.«

      Almeda nickte. »Was kann ich für Sie tun?« Es war eine rein rhetorische Frage, in Wahrheit interessierte ihn das Gespräch nicht.

      »Es wäre von beiderseitigem Vorteil, bereits jetzt über die weiteren Schritte der Lithiumgewinnung nachzudenken.«

      »Es handelt sich lediglich um einen Informationsabend, die Ausschreibung unseres Ministeriums wird allen Interessenten schriftlich zugestellt.« Er zog an seiner Zigarre und wollte sich wieder abwenden.

      Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Genau darüber wollte ich mit Ihnen sprechen«, sagte sie vertraulich und setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »Vielleicht kommen wir gemeinsam zu dem Entschluss, dass es keiner solchen Ausschreibung bedarf.«

      »Was meinen Sie damit …?«

      »Unter Umständen kann ich Sie davon überzeugen, einen Vertrag mit uns zu schließen, ohne diesen Umweg.«

      Ach, daher weht der Wind, dachte er.

      »Hören Sie!«, sagte er laut und ging einen Schritt auf Distanz, »das ist gegen jede Gepflogenheit und gegen meine persönlichen Prinzipien. Außerdem verschwenden Sie Ihre Zeit, denn Ihr Unternehmen hat mit uns Kontakt aufgenommen und eine Absage erhalten. Ich verhandle seit dem Unglück in Potosí nicht mehr mit US-Konzernen.«

      »Ich verstehe, Sie denken, ich vertrete die Leute aus Amerika, weil ich selbst von dort komme.«