Stoner McTavish - Grauer Zauber. Sarah Dreher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sarah Dreher
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Ужасы и Мистика
Год издания: 0
isbn: 9783867548823
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schüttelte sie grob am Arm. »Ist das deine Art?«

      »Natürlich nicht. Ich bin normalerweise sehr vorsichtig.«

      Die alte Frau nahm sie bei den Schultern und sah ihr tief in die Augen. »Jetzt hörst du mir mal zu, pahana. Irgendetwas wird hier geschehen. Du musst bereit sein.«

      »Klar«, sagte Stoner.

      Siyamtiwa ließ sie los. »Jetzt hätte ich gerne Wasser.«

      »Ich hol Ihnen welches«, sagte Stoner und rappelte sich auf die Füße. »Wenn Sie mir helfen können, die Handelsstation zu finden.«

      »Du hast Augen. Benutze sie.«

      Sie schaute über den Kopf der alten Frau hinweg. Die Straße war nur ein paar Schritte entfernt. Sie konnte die Schrift auf dem Schild vor der Handelsstation lesen.

      Sie wusste, dass das alles nicht da gewesen war, als sie sich hingesetzt hatte.

      Siyamtiwa gab ihr einen Schubs. »Geh.«

      »Ich komm wieder«, sagte sie und stapfte auf die Straße zu.

      An der Küchentür warf Stoner einen Blick zurück. Siyamtiwa stand da und beobachtete sie, fest wie ein Baumstamm und reglos wie ein Stein.

      Entweder sind die kulturellen Unterschiede doch größer, als mir bisher bewusst war, oder hier ist etwas sehr Seltsames im Gange.

      Ihre Nackenhaare sträubten sich wie die eines Hundes.

      ***

      Großmutter Adlerin glitt an einem Sonnenstrahl hinab und ließ sich auf dem Boden neben der alten Frau nieder. »Was hast du vor, Uralte?«

      »Medizin.«

      Adlerin breitete ihre Flügel aus und flatterte verärgert. »Du machst Medizin mit einem weißen Mädchen? Das Alter hat dir die Sinne geraubt.«

      Siyamtiwa zuckte die Schultern. »Ich denke, sie wird in Ordnung sein.«

      »Weiße bringen nichts als Ärger«, sagte Kwahu, »so ist es immer gewesen.«

      Siyamtiwa warf ihr einen Blick zu. »Deine Navajo bringen auch Ärger. Das war schon immer so.«

      »Hopi sind Narren«, grummelte Adlerin.

      »Navajo sind Diebe.«

      »Ihr denkt, dass ihr mit euren Tänzen die Sonne aufgehen lasst.«

      »Stehlen unsere Pferde, stehlen unser Land, stehlen unser Wasser …«

      »Die Anglos stehlen euer Land«, unterbrach Adlerin. »Stehlen eure Traditionen, stehlen die Gedanken eurer Kinder. Und ihr sitzt die ganze Zeit auf euren Mesas und wartet darauf, dass der Verlorene Weiße Bruder kommt und euch rettet.«

      Siyamtiwa zuckte die Schultern. »Du denkst wie eine Navajo, alte Kwahu. Du verstehst Symbolismus nicht.«

      »Träumerin«, sagte die Adlerin und scharrte im Staub herum. »Maskenbemalerin.«

      »Silberklopferin, Teppichweberin.«

      Die Adlerin trat Kieselsteine durch die Gegend.

      »Tut gut, zu streiten«, sagte Siyamtiwa. »Es wärmt die Knochen.«

      »Hör mir zu, Großmutter. Dieses Mädchen …«, sie gestikulierte mit ihrem Schnabel, »… dieses Grünauge ist nicht der Verlorene Weiße Bruder. Dieses Grünauge wird keine Harmonie bringen.«

      »Harmonie!« Siyamtiwa warf den Kopf zurück und lachte. »Ich suche nach Harmonie schon seit mehr Jahren als die Pollenkörner auf der Maismutter. Das hier ist eine andere Angelegenheit. Ich denke, es hat vielleicht was mit Ya-Ya zu tun.«

      Die Adlerin ging im Kreis herum. »Du verbringst also deine letzten Tage damit, über Ya-Ya-Schwachsinn zu reden? Die Ya Ya sind weg, alte Frau.«

      »Das ist Legende. Ich bin da nicht so sicher. Der Kojote spürt diesem Grünauge nach. Vielleicht weiß er etwas. Dieser Kojote ist nicht, was er zu sein scheint.«

      »Wenn du recht hast«, sagte Kwahu, »dann kann dieses Mädchen deinen Kampf nicht führen. Sie hat keine Macht.«

      »Ich glaube, da irrst du dich vielleicht. Und vielleicht weiß der Kojote das. Wenn es wahr ist, wird sie darin verwickelt werden, ob ich es will oder nicht.«

      »Ich billige das nicht«, sagte die Adlerin.

      Siyamtiwa lächelte. »Wann hättest du jemals etwas gebilligt? Mein ganzes Leben lang habe ich Adler-Missbilligung erfahren. Wenn ich die Andere Welt erreiche, werde ich wahrscheinlich von deiner Missbilligung begrüßt.«

      »Es würde mir das größte Vergnügen bereiten«, sagte die Adlerin.

      Siyamtiwa scheuchte sie weg. »Dann gib mir Frieden in dieser Welt, Mäusefresserin. Da sind Dinge, über die ich nachdenken muss.«

      ***

      Sie ließ die Tür hinter sich zuknallen. »Stell!«

      Stell zuckte zusammen und sah von ihrem Rechnungsbuch auf. »Jesses, ich hatte ganz vergessen, was das Getrappel kleiner Füße mit deinen Nerven machen kann.«

      »Ich habe draußen in der Wüste eine alte Indianerin getroffen. Sie braucht Wasser.«

      Stell schob ihren Stuhl zurück und stand auf. »Stirbt sie?«

      »Nein, aber ich weiß nicht, warum nicht. Sie ist ungefähr hundertfünfzig Jahre alt. Siyamtiwa. Kennst du sie?«

      »Kann ich nicht behaupten. Kann aber sein, dass ich ihr schon mal begegnet bin. Sie verraten ihre Namen nicht so schnell.« Sie nahm ein Glas aus dem Schrank, stellte es als zu klein wieder zurück und fand ein Ein-Liter-Einmachglas unter der Spüle.

      »Sie wusste von dem Kojoten«, sagte Stoner, »findest du das nicht seltsam?«

      »Diese Leute wissen Dinge, die wir nicht wissen. Nehme an, das liegt daran, dass sie das Leben anders betrachten als wir.« Sie ließ kaltes Wasser ins Waschbecken laufen. »In den ersten paar Wochen hier habe ich mir die Füße wundgerannt bei dem Versuch, rauszukriegen, was irgendwas bedeutet. Hör auf meinen Rat, schwimm mit dem Strom, wie mein Sohn sagen würde.«

      Stoner hielt ihr die Puppe hin. »Sie hat mir das hier gegeben.«

      Stell drehte sie in ihren Händen hin und her. »Sieht aus wie du.«

      »Das fand ich auch.« Sie nahm die Puppe zurück und lehnte sich gegen das Waschbecken. »Wir hatten eine sehr merkwürdige Unterhaltung. Über Hexenmeister – powaqa nannte sie sie. Sie sagte, der Kojote wäre halb Mensch und dass er mein Herz kennen würde.«

      Stell schüttelte den Kopf. »Die Reservation summt dieser Tage vor lauter Aberglauben. Muss wohl der Einfluss der Missionare sein.«

      »Glaubst du daran?«

      »Ich würde darauf nicht mit ja oder nein antworten«, sagte Stell. »Aber es würde vor einem Anglo-Gerichtshof nicht durchkommen.« Sie lachte. »Du nimmst solchen Dingen gegenüber eine überlegene Haltung ein, und bei der nächsten Gelegenheit wachst du mitten in der Nacht auf und siehst, dass dein Bett zwei Meter über dem Boden schwebt.«

      Stoner nahm das Wasserglas. »Ist es in Ordnung, wenn wir nach Beale fahren?«

      »Ihr braucht dafür doch nicht meine Erlaubnis.«

      »Wir brauchen dein Auto.«

      »Nehmt es.« Stell scheuchte sie weg. »Wir müssen nirgendwohin, wofür wir nicht die Pferde nehmen können. Wenn es euch nichts ausmacht, ein paar Besorgungen zu erledigen, auf dem Tisch liegt eine Liste von Sachen, die ich noch vergessen hatte.« Sie nahm eine Dose Tomaten herunter. »Nimm die der alten Frau mit. Aber mach keine große Sache draus. Das ist ihnen peinlich. Stell sie einfach auf den Boden und lass sie zurück, als ob du sie übersehen hättest. Sie wird deine Absichten verstehen.«

      »Danke. Wo ist Gwen?«

      »Das letzte