Stoner McTavish - Grauer Zauber. Sarah Dreher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sarah Dreher
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Ужасы и Мистика
Год издания: 0
isbn: 9783867548823
Скачать книгу
»wie erpicht manche Leute darauf sind, um alles ein Riesengetue zu machen. Verflixt, ich hab doch genug damit zu tun, meinen Tag auf die Reihe zu kriegen.«

      »Tja«, sagte Gwen, »du bist aber die Ausnahme.«

      Links von ihnen tauchte ein heruntergekommenes Durcheinander von Gebäuden auf. Eine Hütte aus Kiefernlatten, direkt daneben eine Doppelgarage mit einem Blechdach, das über die Straße ragte und ungefähr einen halben Meter Schatten bot. Geweihe und Kuhschädel und andere Souvenirs des Todes hingen zwischen den Dachrinnen. Ein Fuchsfell war an die Garagenwand genagelt. Draußen rosteten zwei Texaco-Zapfsäulen ihrem Ende entgegen. Ein handgeschriebenes Schild, das an der Hüttenwand lehnte, verkündete ›Begays Texaco, Reifenreparatur‹. Verstreute Reifen und Felgen zeugten davon, dass bei Begay jedenfalls irgendwas mit alten Reifen passierte.

      Stell sauste in einer Staubwolke und mit einem freundlichen Hupen vorbei. »Mr. Begay ist eine ziemliche Schande, aber wir versuchen miteinander auszukommen, weil dieser Müllhaufen und die Handelsstation das ganze Dorf Spirit Wells bilden. Und er hat das einzige Benzin zwischen hier und Beale.« Sie lachte. »Wo wir gerade von Getue sprachen …«

      »Es gibt für alles Grenzen«, sagte Stoner. Die abgerissene Gittertür, die zu der Hütte führte, war schwarz von Fliegen gewesen.

      Ein langes, niedriges Gebäude erschien in der Ferne, eng an den Fuß einer Mesa geschmiegt. Die Sonne schimmerte kupferfarben in den Fenstern. Eine lange Veranda säumte die Westseite. Als sie näher kamen, konnte sie dort Bänke und Schaukelstühle erkennen, eine Tür, die nach innen offenstand, und ein verwittertes Schild. Spirit Wells Handelsstation. Gegr. 1873. Inh. Gil und Claudine Robinson. Eine Rauchfahne stieg kerzengerade aus dem steinernen Schornstein hoch.

      »Da wären wir«, sagte Stell. Sie rümpfte die Nase. »Der Rauch da gefällt mir gar nicht.«

      Gwen blinzelte durch die staubige Windschutzscheibe. »Glaubst du, irgendwas stimmt nicht?«

      »Schlimmer. Ted macht dieses Feuer immer nur dann vor der Dunkelheit an, wenn er irgendwas brät, das ihm die Indianer als Bezahlung gegeben haben. Das könnte so ziemlich alles sein.«

      »Wild?«, fragte Stoner, in der Hoffnung auf die essbarste einer ganzen Reihe von Möglichkeiten.

      »Wild, Kaninchen, Klapperschlange. Schwer zu sagen.«

      »Ich hab schon sushi gegessen«, sagte Gwen mit schwacher Stimme, »aber nur einmal.«

      Sie bogen von der staubigen Straße in die staubige Einfahrt, die kaum von dem staubigen Hof zu unterscheiden war. Flammend blühender Salbei füllte die Blumenkästen. Rote Paprikaschoten hingen an einer Schnur aufgereiht zum Trocknen an der Wand. Die Temperatur fiel im Schatten um fünfzehn Grad.

      Die Ruhelosigkeit, die Stoner in ihrem Magen gespürt hatte, zog sich zu einer Art weicher Kugel zusammen, die warm in ihre Schultern und Arme ausstrahlte. Sie hoffte, dass sie sich nichts eingefangen hatte.

      Stell hielt vor einer groben Scheune, die gleichzeitig als Garage diente. Neben der Scheune war ein umzäuntes Viehgehege. Es enthielt Pferde.

      Sehr große Pferde.

      Große, braune, energisch aussehende Pferde.

      Stell bemerkte den Ausdruck von Entsetzen in ihrem Gesicht und lachte. »Das sind Maude und Bill. Du brauchst sie nicht zu reiten. Betrachte sie einfach als Teil der Landschaft.«

      »Sie lassen sich nicht reiten?«, fragte Gwen.

      »Du kannst sie reiten«, sagte Stell, »und ich kann sie reiten. Sie kann sie nicht reiten.«

      »Macht euch keine Sorgen um mich«, sagte Stoner, »mir geht’s wirklich prima zu Fuß.«

      »Aber«, sagte Stell, als sie aus dem Wagen stieg, »ich wette, wir haben etwas hier, das du mögen wirst.« Sie steckte zwei Finger in den Mund und ließ einen ohrenbetäubenden Pfiff los.

      Der größte Hund der Welt, mit dem riesigsten, kantigsten Kopf der Welt, wühlte sich unter der Scheune hervor und warf sich in Stells ungefähre Richtung. Sein Fell war kurz und scheckig. Ein Ohr stand spitz hoch, das andere lag schlaff über seiner Stirn.

      »Das hier«, sagte Stell, während der Hund ihr die Vorderpfoten auf die Schultern legte und ihr Ohr ableckte, »ist mein Freund Tom Drooley, halb Deutsche Dogge, halb Bernhardiner und ganz Schosshund.«

      »Ich trau mich kaum zu fragen«, sagte Gwen, »aber warum heißt er Tom Drooley?2«

      Stell schob den Hund mit dem Knie auf den Boden zurück und wischte sich das Ohr an ihrem Hemdärmel ab. »Dreimal darfst du raten.«

      Tom Drooley trottete um den Wagen herum und begann eine sorgfältige Schnüffelinspektion von Stoners Hosenbeinen. Zufriedengestellt setzte er sich hin, fegte zweimal mit dem Schwanz über den Boden, sah ihr in die Augen und sagte: »Wuff.«

      »Er mag dich«, sagte Stell.

      Stoner nahm den Kopf des großen Hundes zwischen ihre Hände und schüttelte ihn vor und zurück. »Ich liebe ihn.«

      Tom Drooley gab tiefe, kehlige, sinnliche Laute von sich.

      Gwen sah leicht erstaunt aus. »Ich mag Hunde ja durchaus gern. Aber bitte sag mir, dass er nicht in der Baracke schlafen darf.«

      »Er schläft in unserem Schlafzimmer«, sagte Stell. »Ehrlich gesagt glaube ich, er fürchtet sich im Dunkeln.« Sie zog gefüllte Einkaufstaschen von der Laderampe des Wagens und drückte sie ihnen in die Hand. »Jetzt werdet ihr gleich meinen Herzallerliebsten kennenlernen. Hoffe, ihr seid nicht enttäuscht. Gary Cooper ist er nicht gerade.«

      Die Küche war groß und roch nach Linoleum und der Asche des Kaminfeuers. Sonnenlicht strömte durch die Westfenster. Über der Spüle gaben karierte Gardinen den Blick auf Salbeibüsche, die Mesa, die kleine Baracke und einen von Kalkfelsen gesäumten Fußweg frei. Auf den Fensterbänken wuchsen Kräuter in Tontöpfen. An der Rückwand knisterte das Feuer in einem alten Holzofen. Darauf stand ein gusseiserner Kochtopf, unter dessen Deckel hervor ringsum Dampfschwaden entwichen. In der Mitte des Zimmers war ein langer Massivholztisch zum Essen gedeckt.

      Jenseits des Tisches, abgetrennt durch einen bogenförmigen Durchgang, wurde der Raum zum Wohnzimmer. Es war dunkel und sah kühl aus, möbliert mit Polstersesseln, Bücherregalen und Tischlampen. Ein prächtiger Navajoteppich in Grau- und Blautönen lag auf dem rohen Holzfußboden. Die Kiefernholzwände waren übersät mit bräunlichen Fotos in handgefertigten Rahmen. Ein Wandschrank beherbergte einen Stapel Bücher, Spielkarten, einen Flickkorb und – wie in letzter Minute noch dazugestellt – einen winzigen Fernseher.

      Ein mit einer Decke verhängter Durchgang führte zum eigentlichen Laden.

      Hinter einer der drei Türen in der Ostwand der Küche waren Hammerschläge zu hören.

      »Ted«, brüllte Stell, um den Lärm zu übertönen, »die Mädels sind hier.«

      Er war vielleicht nicht gerade Gary Cooper, aber es fehlte nicht viel. Ted Perkins schlenderte ins Zimmer, groß, muskulös, langsam grau werdend, mit dem rauen Charme und dem blauäugigen Zwinkern eines Mannes, der draußen arbeitet, und das hart. Er hielt in der einen Hand einen Hammer, in der anderen eine Blechtasse voll Wasser.

      »Ha«, sagte Stell, als sie ihre Tüte auf dem Tisch absetzte. »Sobald ich dir den Rücken zudrehe, fängst du an, Blödsinn zu machen.« Ted brummte und nickte Gwen und Stoner einen Gruß zu.

      Stell stellte sie vor. Er setzte die Tasse ab und gab ihnen die Hand. »Schon viel von euch gehört«, sagte er. »Stimmt das alles?«

      »Wahrscheinlich schon.«

      Er wandte sich an Gwen. »Tut mir leid wegen deinem Mann, diesem Schweinehund.«

      »Ja«, sagte Gwen, »das war er.«

      »Was hast du Grauenvolles in dem Topf da?«, fragte Stell.

      »Kesselfleisch. Das ist doch ein Kessel, oder nicht?«

      »Zur