Die Spielregeln des Lebens. Friedrich Scholz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich Scholz
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Эзотерика
Год издания: 0
isbn: 9783945574218
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vielen Menschen unter einem anderen Namen ein Begriff: Hermes Trismegistos – »Hermes, der dreifach Größte«.

      Hermes Trismegistos besaß das Wissen über die »Geheimnisse der Nacht« und hatte die Möglichkeit, die Lebenden in diese Geheimnisse einzuweihen. Unter seiner Anleitung und mit der richtigen Technik konnten Menschen gedanklich in das Jenseitsland reisen und am universellen Wissen teilhaben.

      Ein Mensch musste initiiert werden – also in die Technik eingeweiht werden –, um diese Reise antreten zu können. Aus vielen Aufzeichnungen geht hervor, dass sowohl Männer als auch Frauen eingeweiht wurden. Es gab keinen geschlechtsspezifischen Ausschlussgrund, die Menschen mussten bereit für die Reise sein – und schweigen. Noch heute kann man im Horustempel in Edfu die eingemeißelte Warnung lesen: »Enthülle nicht, was du in dem Mysterium der Tempel gesehen hast.«

      Wenn Menschen über die Schwelle des Todes treten und ins Jenseits eingehen, setzt der außerkörperliche Zustand, den die Ägypter als ba bezeichneten, automatisch ein. Will man aber Zeit seines Lebens in einen solchen Zustand überwechseln, muss die außerkörperliche Erfahrung bewusst herbeigeführt werden. Dazu benötigt man eine Initiationstechnik, ein Ritual, um im vollen Bewusstsein diese Reise antreten zu können.

      »Dr. Jeremy Naydler, der die Mysterien der ägyptischen Texte ergründet hat, (…) legt den Schluss nahe, dass die alten Ägypter ungewöhnliche Initiationstechniken anwandten, die eine Kenntnis des Jenseitslandes vermittelten und dem Einzelnen ermöglichten, es zu besuchen und wieder zurückzukehren«, berichtet Michael Baigent. »In der Tat gibt es gewisse ägyptische Tempelrituale, die von den Wissenschaftlern nicht ganz durchschaut werden. Laut den vorliegenden Texten saß der amtierende Priester an einem ruhigen Ort und wandte spezifische Techniken an, um einen Zustand zu erreichen, den die Hieroglyphen als qed beschreiben. Unter normalen Umständen wird dieses Wort mit ›Schlaf‹ übersetzt, doch in einem rituellen Kontext deutet es auf einen Zustand der Trance oder Meditation hin.« [1]

      Es wäre falsch, die Initiation und die Reise ins Jenseitsland als Aberglauben abzutun, denn zu groß ist die Verbreitung des Wissens darüber. Der römische Philosoph Seneca wusste darüber genauso Bescheid wie Plutarch, Heraklit, Pythagoras oder Plato, welcher den Ausspruch tätigte: »Zu sterben heißt, initiiert zu werden.«

      Themestius behauptete, dass, wer initiiert sei, das gleiche Wissen hätte wie die Toten.

      »Gegen Ende des 3. und zu Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. lehrte der Philosoph Iamblichus von Apamea, einer der prominentesten neoplatonischen Gelehrten seiner Zeit, im heutigen Libanon. (…) Iamblichus hatte sich mit der Mystik Ägyptens vertraut gemacht. Eines seiner Hauptwerke trug den Titel ›De mysteriis‹ (Über die Geheimlehren). Darin enthüllte er viel von den in den Tempeln verborgenen Kenntnissen. Er äußerte sich offen über die Fähigkeit der Priester, ihr Bewusstsein vom Körper zu trennen und sich ins Jenseitsland zu begeben«, berichtet Baigent und fährt fort: »Iamblichus sprach hierbei nicht von Möglichkeiten oder Fantasien, sondern er beschrieb eine reale, alltägliche Praxis der ägyptischen Priesterschaft. Er bestätigte, dass die Priester in der Lage waren, ins Jenseitsland zu reisen.« [2]

      Im Buch Henoch finden wir auch Hinweise auf die Initiation. Dort steht geschrieben, dass der Aufstieg Henochs in den Himmel sich bei Lebzeiten vollzog. Die Initiation wird dort zwar nicht beim Namen genannt, das beschriebene Ereignis enthält jedoch alle Eigenschaften dieser.

      Johannes der Täufer tauchte die Menschen im Zuge der Taufe mit dem Kopf vollständig in den Fluss Jordan. Ihm wird die Fähigkeit nachgesagt, dass er die Menschen dabei für einen kurzen Augenblick in das Jenseitsland schauen lassen konnte (nicht in Form eines Nahtoderlebnisses). Dieses Ritual wird sogar von den katholischen Herausgebern der Jerusalem Bible für eine Initiation gehalten.

      Bestätigung für die enorme Bedeutung der Initiation finden wir auch in einigen Büchern. Im Amduat, dem Buch über das, was in der Unterwelt ist, finden wir mehrfach den Hinweis, dass es für die Toten gut sei, dieses Wissen zu besitzen, doch auch für die Lebenden ist es von großem Nutzen. Sowohl das Amduat wie auch das Buch der Tore waren nach Ansicht einiger aufgeschlossener Ägyptologen in erster Linie zum Gebrauch in der physischen Welt bestimmt, und nicht als Literatur für königliche Begräbniszeremonien gedacht.

      In diesem Kapitel wollen wir von der Materie vorläufig Abstand nehmen, um uns mit geistigen – also spirituellen – Dingen zu beschäftigen. Aus diesem Grund erscheint es an dieser Stelle notwendig, sich mit dem Begriff der Spiritualität – oder Esoterik – einmal näher auseinanderzusetzen.

      Was bedeutet Spiritualität? Vielleicht es ist einfacher, sich dieser Frage von der anderen Seite zu nähern. Fragen wir uns also, was Spiritualität nicht ist. Denn, Spiritualität bedeutet sicher nicht, wochenlang wie ein Yogi unter einem Ölbaum zu sitzen. Spiritualität bedeutet nicht, die Materie zu verneinen. Spiritualität bedeutet nicht, hier in der grobstofflichen Welt zu leben und so zu tun, als ob man sich in der feinstofflichen Welt befinden würde. Spiritualität stellt also keine Weltflucht dar.

      »Wer das tägliche Leben zum Ritual erhebt, kann nicht in die Gefahr kommen, dass Esoterik ihm zur Weltflucht dient. Esoterik soll nicht von dieser irdischen Welt wegführen, sondern sie will helfen, den irdischen Daseinsbereich zu durchlichten und zu erlösen. Einen gefährlichen Weg betreten jene, die alles, was dem Bereich des Unten, des Irdischen, des Materiellen angehört, verachten und als unrein, dunkel und schmutzig peinlichst vermeiden – um sich dem Oben, dem Himmlischen und Reinen zuzuwenden«, erklärt Dethlefsen. »In diesem Falle wird Esoterik zur Flucht vor dem Bereich, den der Betreffende nicht mehr meistern kann. Leider übt die Esoterik gerade auf diejenigen eine große Faszination aus, die mit dem täglichen Leben und den Problemen dieser materiellen Welt nicht zurechtkommen – wodurch in den Kreisen, die sich mit Esoterik beschäftigen, das Verhältnis zwischen Eingeweihten und vor der Welt fliehenden Neurotikern ein recht ungleiches ist. « [3]

      Weltflucht – oder Flucht vor der Wirklichkeit – stellt tatsächlich eine große Gefahr für jene dar, die sich mit spirituellen Dingen beschäftigen, in der physischen Welt jedoch zu wenig verwurzelt sind. Ein möglicher Grund dafür könnte das fehlende Alter sein.

      C. G. Jung äußerte diesbezüglich die Ansicht, dass ein Mensch, der sich vor der Mitte seines Lebens ausschließlich mit spirituellen Dingen beschäftige, gefährdet sei.

      Dion Fortune beschrieb dies so: »Der Mystiker muss die Bedingungen auf der Ebene der Formen erfüllen, bevor er sich aus dem Bereich des Gestalteten zurückziehen darf. Wenn er überstürzt den mystischen Pfad beschreitet, geht er ins Reich des Chaos ein, nicht ins Reich des Lichts. Wer von Natur aus zum mystischen Pfad tendiert, dem ist die Disziplin der Form zuwider, und es ist eine große Versuchung, den Kampf mit dem Leben auf der Ebene der Form aufzugeben und sich auf die höheren Ebenen zurückzuziehen, bevor man dazu reif ist.

      Die Form ist ein Gefäß, das das flüssige Bewusstsein umgibt, bis es so weit geformt ist, dass es nicht mehr zerlaufen kann. Wird das Gefäß zu früh zerbrochen, dann zerfällt das Bewusstsein ins Formlose, so wie der Lehm zu Brei zerläuft, wenn man die Gussform zu früh zerbricht. Treten bei einem Mystiker Zerfallserscheinungen auf, so wissen wir, dass die Gussform zu früh zerbrochen wurde, und dass er zur Disziplin der Form zurückkehren muss, bis er die Lektion der Form gelernt hat. « [4]

      Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle aber auch gesagt, dass C. G. Jung seiner Aussage noch hinzufügte, dass ein Mensch, der es nach der Mitte des Lebens verabsäume, sich mit spirituellen Dingen zu beschäftigen, verloren sei.

      Spiritualität soll also nicht von der physischen Welt wegführen, sondern im Gegenteil, sie soll den Menschen helfen, das physische Leben im richtigen Licht zu sehen, sich der eigenen Stellung innerhalb des kosmischen Gefüges bewusst zu werden, um dadurch das Leben leichter zu meistern.

      Spiritualität bedeutet, geistige Gesetze in unserer grobstofflichen Welt, also feinstoffliche Gesetze in der Grobstofflichkeit, anzuwenden.

      Dabei