Da draußen im Wald. Ernest Zederbauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ernest Zederbauer
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783990402481
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»Einen Moment noch, mir ist gerade etwas eingefallen. Sie haben doch vorher von Wilderei gesprochen, da gab es tatsächlich vor Jahren einen Fall. Ich weiß nicht, ob das relevant ist, aber der Sepp hat damals einen Wilderer gestellt und dann gab es eine Gerichtsverhandlung!«

      Nun war es Raffl, der ihr ins Wort fiel. »Natürlich, wie konnte ich das nur vergessen!«, ärgerte er sich, schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. »Das war ein gewisser Hinterholzer aus dem Nachbarort, der musste damals sogar drei Monate ins Gefängnis. Das war vor vier Jahren im Herbst, ich kann mich noch genau erinnern. Dieses Individuum hat dem Sepp sogar blutige Rache geschworen, als man ihn abgeführt hat!«

      Die beiden fuhren ab. Raffl versprach Ebert, den Akt auszuheben. Sie kehrten auf den Posten zurück. Mittlerweile hatten die Kriminalbeamten die geräumige Kanzlei Raffls in Beschlag genommen und ihre Geräte installiert. Ebert trat zur Plakatwand und entwarf einen Zeitplan, beginnend mit dem sogenannten Kontrollgang des Försters, der Suche der Ehefrau am frühen Morgen und dem Zeitpunkt der Vermisstenmeldung bis hin zu den Suchaktionen und dem Fund der Leiche. Auf der Wanderkarte, die auf die Pinnwand geheftet war, ringelte er mit rotem Filzstift sowohl das Försterhaus als auch das Nonnenloch ein. Die Fotos vom Fundort klebte er an die Plakatwand. In einer Art Organigramm notierte er dann den Namen des Wilddiebes. Als er diesen schrieb, schrie Raffl so unvermittelt auf, dass alle im Raum zusammenzuckten. »Ich bin doch wirklich ein Vollidiot«, stellte er fest, ohne dass ihm jemand widersprach. »Wir haben ja noch einen zweiten Verdächtigen, den Lehner, den Christbaumdieb!« Wie aus der Pistole geschossen erinnerte er Ebert an das Gespräch der beiden Männer des Suchtrupps.

      »Super«, stellte Ebert zynisch fest, »nun haben wir bereits zwei Verdächtige, einen Christbaum- und einen Wilddieb, typisch dörflich eben, wie in einem Ganghofer-Roman! Aber wir haben wenigstens einen Anhaltspunkt. Walter, fahr mit dem Raffl zu Lehner und bringt ihn her. Macht ein bisschen Wirbel, damit die Leute sehen, dass wir uns mit ihm beschäftigen. Das wird die Klatscherei im Dorf ein bisschen ankurbeln und Unruhe stiften, sozusagen ins Wespennest stechen, vielleicht ergibt sich noch was daraus!«

      Raffl und Walter blieben demonstrativ vor Lehners Haus stehen, stiegen umständlich langsam aus, rückten ihre Pistolentaschen zurecht und klopften. Lehner öffnete die Tür und ließ die beiden Polizisten ins Haus, nicht ohne sich noch einmal rasch umzusehen.

      »Sie müssen mit uns auf den Posten kommen, zur Vernehmung«, erläuterte ihm Raffl. »Machen Sie keine Umstände und kommen Sie mit!«

      Lehner fiel es nicht einmal im Traum ein, sich mit der Polizei anzulegen. Er war ein gebranntes Kind, hatte bereits genug Scherereien mit den Kieberern, wie er sie verächtlich nannte, gehabt. Widerstandslos folgte er den beiden Beamten zum Wagen.

      »Ich kann mir schon denken, was ihr von mir wollt«, motzte er, »da hat sicherlich einer erzählt, dass ich bei der Suche gesagt habe, dass eh nicht schade um den Förster ist! Aber ich bin unschuldig, das kann ich schwören!« Demonstrativ hob er die rechte Hand zum Schwur. Raffl rempelte ihn an, öffnete die Autotür und stieß ihn unsanft auf die Rückbank. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, beförderten sie ihn zum Polizeirevier. Mit hämischer Genugtuung stellte Raffl fest, dass die Aktion von gut und gern zwanzig Augenpaaren beobachtet wurde. Er konnte sich lebhaft vorstellen, dass die Kunde von Lehners Einvernahme wie ein Lauffeuer durch das Dorf ging. Weit weg vom Schuss waren die Einheimischen froh über jede Abwechslung, die ihre Alltagslethargie durchbrach. Als Außenseiter war Lehner dies gewohnt, denn es war für ihn wahrhaftig nichts Neues, als Zielscheibe öffentlichen Unmuts zu dienen. Ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht, denn diesmal würde ihm keiner was anhängen können. Als sie bei einer Gruppe von Gaffern vorbeifuhren, zeigte er ihnen seine Zunge.

      Eine Stunde lang nahmen Ebert und seine Kollegen Lehner ins Kreuzverhör. Er gab zu, diese Worte zu seinem Feuerwehrkameraden gesagt zu haben. Stellte den Oberförster als Unmenschen hin, da er ihn wegen einer Kleinigkeit angezeigt hätte, wo doch der Christbaumdiebstahl im Waldviertel so etwas wie ein Volkssport sei. Kein Mensch hole sich aus dem eigenen Wald einen Weihnachtsbaum, das sei ungeschriebenes Gesetz, so meinte er. Außer bei einer Kirtagsrauferei habe er noch nie einem Menschen wehgetan und so ein paar Faustschläge bei einer Keilerei gehörten ebenso zur Folklore hierzulande, wie eben das Christbaumstehlen. Er schwor, den Förster nicht umgebracht zu haben, bezeichnete sich selbst als kleinen Fisch.

      Ebert wollte von ihm wissen, ob er das Nonnenloch kenne. »Jeder hier kennt das Nonnenloch und den Finsteren Graben und keiner geht gerne dorthin, weil der Wald so dicht und unheimlich ist. Wenn jeder verdächtig ist, der das Nonnenloch kennt, dann könnte man gleich das halbe Dorf einsperren! Ich bin unschuldig, sucht’s euch bitte einen anderen, den ihr sekkieren könnt.« Lehner hatte sich sichtlich in Rage geredet und kam damit dem Kommissar in die Quere. »Werd’ ja nicht frech, sonst bekommst du meine andere Seite zu spüren und ich kann sehr, sehr böse sein, also sei schön vorsichtig mit allem, was du so unkontrolliert von dir gibst!«

      Lehner hatte ein wasserdichtes Alibi, da er mit seinem besten Freund, einem Motocross-Fahrer, am Sonntag bei einem Rennen und erst um Mitternacht heimgekommen war. Als gelernter Mechaniker fuhr er in den Sommermonaten von Rennen zu Rennen, da es immer was zu reparieren gab. Mindestens vier Personen würden dies bestätigen, alle in der Motocross-Szene kannten ihn. Außerdem besaß er weder eine Schrotflinte noch eine andere Schusswaffe.

      Die Aussage wurde zu Protokoll genommen. Der Ordnung halber nahm man seine Fingerabdrücke und wies ihn an, den Ort vorläufig nicht zu verlassen. Lehner sprang hurtig von seinem Stuhl auf und verließ mit raketenartiger Geschwindigkeit das Dienstzimmer. Ebert und seine Kollegen waren sich so gut wie sicher, dass Lehner trotz seiner widerwärtigen Natur als Täter nicht infrage kam. Kaum war Lehner verschwunden, brachen Walter und Raffl auf, um Hinterholzer zu holen. Nach einer Stunde kehrten die beiden zurück, da Hinterholzer nicht auffindbar war. Weder die Mitbewohner des Wohnblocks noch sonst irgendwer aus seinem Bekanntenkreis hatte Hinterholzer in den letzten Tagen gesehen. Dieser Umstand war jedoch nicht verwunderlich, war dieser doch Fernfahrer und meist von Montagfrüh bis Freitagabend im Ausland unterwegs. Ein Anruf beim Spediteur ergab, dass er tatsächlich am Montag um vier Uhr früh nach Le Havre abgefahren war, um dort im Hafen Maschinenteile abzuladen und nicht vor Freitagabend zurückerwartet wurde.

      »Das gibt ihm noch lange kein Alibi«, brummte Ebert, »denn wie wir wissen, ist die Tat bereits am frühen Sonntagabend geschehen, er hätte alle Zeit der Welt gehabt, die Tat zu begehen, den Leichnam zu verstecken und die Spuren zu verwischen. Für mich ist er der Hauptverdächtige, hat dem Förster Rache geschworen und ist auch im Besitz einer Schrotflinte!« Ebert fuchtelte mit dem Akt herum, den Raffl aus dem Archiv herausgefischt hatte. »Wenn er am Freitag wieder zurückkommt, dann greifen wir ihn uns!«

      Nun war auch der Befund aus der Gerichtsmedizin eingetroffen. Wie erwartet war der Förster am Sonntag zwischen 17 und 19 Uhr mit einer Schrotflinte erschossen worden. Außer den blauen Druckstellen an seinen Handgelenken und etlichen Abschürfungen an den Oberarmen wies er keinerlei Verletzungen auf. Weder unter den Fingernägeln noch sonst wo am Körper fand man Spuren von Haut oder Gewebefasern. Der Mörder hatte sich von hinten angeschlichen, war vom Förster erst im letzten Moment gehört worden. Als dieser sich umdrehte, trafen ihn zwei Schüsse in Unterleib und Brust, eine gewaltige Ladung, er musste innerhalb kurzer Zeit verblutet sein. Es sei anzunehmen, so hieß es weiter, dass der Fundort nicht mit dem Tatort identisch sei und der Tote über eine längere Strecke über den Waldboden gezerrt worden sei, da sich in seinen Haaren Fichtennadeln, kleine Lehmbrocken und einige Samen von Ahorn befunden hätten. Am Körper des Opfers selbst wurden keine Fingerabdrücke gefunden, der Täter hatte Handschuhe getragen.

      Ebert und Walter studierten mit einer Lupe die Bilder, die im Umkreis des Nonnenlochs geschossen worden waren. Und tatsächlich, oberhalb des Steilabfalls zum Bach war ein kräftiger Ahornbaum neben dem Fahrweg zu sehen. Zwei Meter neben dem Ahorn hatte man die Reifenspuren neben den Wasserlacken entdeckt. Ebert war euphorisch, sprach von einem Durchbruch, wollte die Szene nachstellen. Sie fuhren zum Schauplatz des Geschehens.

      »Kollege Raffl, komm her, du spielst den Oberförster und ich den Mörder! Stell dir vor, du hättest verdächtige Reifenspuren entdeckt, die an dieser Stelle absolut nicht zu suchen haben. Du bleibst stehen und siehst dir das Profil an!« Raffl tat wie