Daß seiner Tücke auch für die Gegenwart nicht zu trauen war, das sollten wir heut diesen Tag noch erfahren.
Lucardis und ich, insgeheim schon über unsere Abendmummerey einig, gingen aus, einige Blumen zu kaufen zu unserm Anzug, maßen nach jetziger Weise sich keine Verlarvung schicken will, ohne Blumenschmuck. Ich brauchte deren gar viel, die Lucardis zu ihrem Geschäft einzig einen Mohnkranz. Und als wir zu dem Kunstgärtner in den großen Garten kamen, zeigt er uns, zunächst der Blumen, eine seltene persische Frucht, durch künstliche Hitze erzeugt jetzt im Frühjahr, da sie sonst im späten Herbst erst mit dem Wein reif wird, dem sie gleich ist an Saft und Süße, und ist solche ein großer, grünlich gelber, samitner Apfel, in der Mitte ein wenig gespalten, sanft mit lieblichem Roth schattirt, so daß Lucardis, die ein wenig leckerhaft ist, lächelnd sprach, ihr wäßere der Mund, von solcher Köstlichkeit etwas zu genießen. Und Jungfrau, erwiedert der Gärtner, dies kann leicht geschehen, heut diesen Abend. Hangen an diesem Ast solcher Aepfel sieben, auf Königs Tafel bestimmt: er wird euch einen reichen, als der schönsten, welches ich nicht darf, so gern ich auch möchte.
Ey, entgegnet der junge Savelli, der uns heimlich gefolgt war, ob ihn schon Lucardis von sich getrieben, weilen er ihr einen Kuß angemuthet, den keine züchtige Jungfrau einem zwölfjährigen Knaben gestatten wird, besondere keinem solchen! Ey, Meister, schaut doch zu, wo sind denn die sieben? zähle ihrer nur fünf! – Und als der Gärtner ängstiglich umschaut, ohne zu finden, auch uns gar argwöhnisch ansieht, beginnt die junge Natter: Schaut nach bey mir, wenn ihr etwa mich verdächtig haltet, gethan zu haben nach Knaben Art; doch bitte ich, besucht auch die Jungfraun! Und haben sich, als der Gärtner halb scherzend solches that, zwei Stücken des köstlichen Obsts funden in der Lucardis Handsack29.
Denkt euch unsre Beschämung, ihr Kinder! Hochanglühend vor Scham und Unmut, bezahlten wir des Meisters schwere Forderung, gern unsere Blumen dahinten lassend. Savellis Bub aber dehnt sich lachend an der hohen Lucardis hinaus, und bettelt den versagten Kuß von neuem, so daß wir eigen30 sahen, dies sey gewesen, ihr etwa zum Spott, ein Gaukelspiel von ihm aus der schwarzen Taschen, wobey man schier nicht allemal weiß, ob nicht der Böse sein Spiel habe.
Wir entfliehen wollend, steht auf einmal der Lauenburg bey uns, vernimmt die Sache, bezüchtiget den Buben öffentlich der That, welches jener auch nicht leugnet, ist also die Lucardis gerechtfertigt, und sind uns unsere Blumen wieder worden. Hat auch der Herzog doppelt für den Savelli bezahlt und alles in einen Scherz verkehrt, wir aber haben deß wenig geachtet, und sind im Stillen des Anschlags noch fester worden, den wir des Abends ausführen wollten.
Als uns der Herzog nach Hause gebracht, befragte er uns ob unserer Masken; lagen viele weiße Mäntel schon fertig für uns und die Schwestern, wie auch lachende Larven, alle einander fast ähnlich. Wir zeigten sie ihm, vorgebend, daß, mit solchem Spiel unbekannt, wir nicht, verlangten, durch irgend eins hervorgezogen oder zum Sprechen, genöthigt zu werden, welches den Herzog nicht gefiel, zeigt uns auch köstliche Verlarvung gar viel, so sein Diener bracht, und lehrt uns, wie die eine von uns sich als eine Schäferin, die andre als Nonne, jene als des Großtürken Gemal, diese als Hexe (oder Zauberin) zu gebehrden habe. Die vorletzte schien er nicht übel willens meiner Lucardis anzueignen, vielleicht gesinnet, ihr Soltan zu werden, so wie er die gar allerletzte mir darbot, fast mit Beleidigung sagend: Ich halte ja, Jungfer Fuggerin, ihr seyd deß etwas! und waren solche zwey letzte Mummenkleidungen schier die prächtigsten. Wir verschmerzten alles, blieben bey unserm Nein, unsere Blödigkeit vorschützend; blieben auch bey unsern einfältig lachenden Weißmänteln, als uns am ähnlichsten von Sinn und Gemüth, so daß er endlich von uns abließ, und nur die Mutter heftig anstrengend, darauf beharrte, uns einzuführen, welches sie ihm auch abgeschlagen, unter dem Vorwand, daß der Lucardis Brüder, beyde schon unter dem schwedischen Heer brave und mannhafte Leute, solches verrichten würden, darauf er also abgezogen mit seinem Savelli.
Nun war uns aber kund worden, wie sich der Herzog vermummen wolt; nämlich um dem König eine Lust und schmeichelndes Vorspiel künftiger Siege zu geben, hatt er eine Larve gewählt, dem Wallenstein fast ähnlich,, mit gelbledernem Koller31, blutrothem Mantel und Hosen, rother Feder des Huts, auch blutfarbner Scherpe. Den jungen Savelli hatte er dunkel gekleidet, gleich einem versuchenden Dämon; solte dieser im Saal auf und nieder hüpfen, das anwesende Frauenvolk zu necken, besonders aber bleiben ihm selbst zur Seiten, gleichsam anzudeuten, daß der Wallenstein sey mit dem Geiste des Abgrunds im Bunde: war denn schon also verfügt, zur schnöden Schmeiley32 für einen Herrn wie der König, daß am Ende der verlarvte Feind und Helfer fallen solten zu des Helden Füßen.
Wie? sprach Lucardis zu mir, als ihre Getreue uns diese Verlarvungen brachte zur Ansicht. Wie? diese blutige Maske Lauenburg? Hat er unsern Anschlag errathen? Daß er günstig wählen würde für uns, das hatt ich erwartet: was kann dieser ersinnen, dem heimliche Strafe nicht nachhinkt? aber fast ist dieses zu treffend!
Daß wir ihm nicht verrathen seyn konnten, wußten wir indeß; niemand kennet unser Geheimniß, als wir zwey und die Mutter. Und schickten wir uns schnell nun zur Arbeit des Putztisches; die Schwestern, und anderer Jungfraun ein Paar, waren vorlängst33 schon abgeführt von der Lucardis Brüdern nach dem Tanzsaal.
Und es schuf die Mutter, den Possen nur um des guten Endzwecks willen billigend, meine Freundin zur hinkenden Ate, mich aber zum glänzenden Schutzgeist. Ist aber jene, die Ate, eine alte heidnische Göttin der Strafe, so unabläßig dem Laster, dem blutigen, nachschleicht. Und ward sie vorgestellt als eine dunkle Gestalt, welcher, um nur ein wenig ins Auge zu fallen, Blumen wol nöthig gewesen waren; aber als diese Ate fragte, wo ist mein Mohnkranz? entgegnete die Mutter: Laß also seyn; wir wollen das Laster wecken, nicht einschläfern! Auch mir hat sie keine Blumen gegönnt, ungeachtet mich, als Schutzgeist, ein ganzer Frühling hätte umduften sollen; hatte fürsichtiglich alle den Weißmänteln gegeben, denn uns solche hätten verrathen können an den Lauenburg, der sie kannte. Zog aber hervor für mich, meiner Pathe, der alten Frau Fuggerin, ganzes Gepränge, neu in Gold gesetzt, fast blendend, daß einem die Augen vergingen: und so erschien ich im weißen Engelkleide, himmelblau umgürtet, mit wallendem Haar, als glänzender Schutzgeist.
Und die Mutter, alle Wege kennend des Fuggerschen Palasts, bracht uns nun selbst durch heimliche Stiegen und Gänge, ungesehen an eine der Thüren des Tanzsaals, so daß wir standen mitten unter der glänzenden Versammlung, ohne daß einer wußte, wie oder woher wir kamen.
Ich stand anfangs erschrockener, als einem Genius zukam, aber Ate gewahrte bald ihr blutiges Opfer, das eben unter den freundlichen Weißmänteln eine Lucardis glaubte ausfündig gemacht zu haben. Indem sie begann diesem Fliehenden durch alle Säle mit ihrer Geißel und mit beißendem Spott zu verfolgen, (wie denn ihr Zünglein das wohl konnte,) gewann ich Muth, hinter den König zu treten. Mein strahlender Aufzug machte mir Platz, und der Gedanke an das, was ich vorstellte, erhob meine Seele. Gustav, du bester der Könige, wer wollte dein Schutzgeist nicht seyn! und wer, gesandt dich zu warnen, sich an deine Seite nicht wagen, selbst mitten unter den Feinden!
Ich verharrete still auf meinem Posten; die Art Wesen, worunter ich mich geschwungen, begünstigte mein Schweigen, maßen die Himmelsgeister nicht viel sprechen sollen!
Der König, mich gewahrend, maß mich unabläßig mit den Augen, in welchen ich einiges Wohlgefallen wahrnahm. Statt der Larve beschattete meine Augen nur ein leichter Flor, der mich unkenntlich machte, ohne zu entstellen die etwanige Lieblichkeit des jungfräulichen Gesichts.
Schöner Engel, wer bist du? fragte der König endlich.
Dein Schutzgeist, Gustav!
Hast du Botschaft an mich?
Der Geist spricht zu dem Menschen nur, wenn er allein ist!
Und siehe, nun sind wir allein, begann er nach einer Weile von neuem, als man sich, vermuthlich mit Absicht, entfernte.
Nicht so ganz allein! versetzte ich; denn wehe, dort ist noch das blutige Laster, von der Strafe verfolgt! Sieh, sieh, jetzt krümmt sichs durch seine Schlangengänge dir näher!
Das ist der Wallenstein, lachte der König, den sie mir vorspielen! Einfältige