Drei Erzählungen von Christiane Benedikte Naubert in einer Transkription von Sylvia Kolbe: "Die Warnerin. Eine Geschichte aus dem dreißigjährigen Kriege.", "Die weiße Frau" und "Herzog Christian von Eisenberg oder: das eisenberger Gespenst". Christiane Benedikte Naubert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christiane Benedikte Naubert
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783957444899
Скачать книгу
können.

      Von meiner Margaretha erfuhr ich hier nicht viel, ohne daß einige glaubhafte Frauen, denen ich Dienste geleistet, mir sagten, sie sey gen Magdeburg gezogen, zu Verwandten, die etwa hatte. Von dem Kind meyntem sie alle, sie habe es noch bey sich, aber es sey ihr keinesweges verwandt, obschon dem Herzog; worüber ich heimlich Freudenthränen geweint, dessen ich mich nicht schäme, maßen es kein Mensch gesehen. Glaube wol, daß selbst die starken Engel Gottes für Freude weinen, wenn sie hier und da Einen beßer finden, als er scheint. Glaubte auch alles gern zu meiner Jungfrauen Besten, wie denn der Mensch immerdar das Gute am liebsten für wahr hält; und war nun Margaretha wiederum eingesetzt in mein Herz, wenn mir nicht zuweilen ihr verborgenes Wissen einfiel, darob mir doch des Königs Auslegung nicht ganz genug that, denn selbst die Frauen, ihre Freundinnen, erzählten mir wunderlicher Dinge gar viele von ihr, die sie alle der Einwirkung guter Geister zuschrieben, ich aber in Dubio lassen mußte.

      Hat mich der König nun gen Schweden gesand mit einer Botschaft an den Kanzler, so daß ich nicht eher wiederkam, als nach Magdeburgs Uebergang an den Tilly. O was habe ich gelitten durch das Gerücht, die Jungfrau dort wißend! O was hab' ich draus gelitten durch ganz andre Gerüchte von ihr? so daß ich auch abermalen mein Herz von ihr gewendet: wolt aber doch nicht trauen, als meinen Augen; kam desselben gar wohl zu Fund, leider Gottes! wie nun folgt.

      _________

      1650

      Margaretha zur Fortsetzung.

       ________

      Und hier erlaube mir, mein lieber langer Fritz, daß ich deinen folgenden Bemerkungen die meinen an die Seite setze, sammt der Auslegung , damit die Deinen, die irgend deine langwierigen Blätter lesen werden, besser kennen lernen die Jungfrau, die du im July 1630 liebgewannst, der du im May 1631 entsagtest, und die gleichwol nunmehr dein glückliches Weib ist, und das seit mehr als achtzehn Jahren.

      Ob ich dem jungen schwedischen Riesen, wie er unter allen genannt wurde, die seinen Namen nicht wußten, auch erstes Anblicks hold war, als ich, des alten Herzogs Bettmeisterin, dem lieben Undankbaren, der so oft mich verkannt, heilte: das gebührt euch, liebe Töchter, schwerlich zu wißen.

      Mir hätten jene schweren Zeiten ja wol alle Gedanken vertreiben mögen, als an einen Retter. Ein Labsal des Gemüths ists, einen solchen zu wißen, und als eines solchen hätte ich ja doch des schwedischen Rittmeisters gedenken dürfen. O Friedrich, nie vergesse ich den Streich, den du auf den Savelli führtest, mich zu befreyen, und kein Unglück traf mich hinfort, daß nicht dein Bild, Schutzengeln gleich, an meiner Seite stand, und ich gedachte: Der Fritz würde dich wohl retten, wenn er könnte. Vom Savelli wurde ich frey durch die Mittel, die mir noch überall durchhalfen; durch keine übernatürlichen, meine Kinder, sondern durch Geduld und Hoffnung zu Gott, wie auch offene Augen auf alles was mich umgab, nebst ein wenig Anstelligkeit und Gewandheit. Die, welche mich bedrängten, sahen mich ruhig und froh: dies machte sie sicher. Bösen Anforderungen entging ich nie durch ein störriges Nein, sondern durch freundlichen, doch ehrenhaften Aufschub bis auf ein Morgen, das nimmer erschien: so kam endlich die Zeit heran, daß ich durch das Thürlein entschlüpfen konnte, das ich lang schon offen sah, und dessen Ausgang ich mir sicherte durch wohl erdichtete Blindheit.

      Also entkommen nach Magdeburg, hab ich daselbst mehrere Monate ruhig gelebt bey meines Vaters Schwester, der Frau des Thumpredigers9 Baker, habe auch meinem lieben alten Herzog, der gen Wien zu dem Kayser geflüchtet ward, den kleinen Prinzen, seiner Tochter, der seeligen Markgräfin, Kind, zugeschickt, und weiß Gott, wie weh mir geworden, mich von dem lieben Knaben zu trennen, den ich geliebt, als wär er mein eigen; that aber wohl daran, hätte ihn schwerlich hier durchgebracht, wie zu Pasewalk und anderer Orten, da das Schwerdt gar oft über mein und des Kindes Haupt geschwebt, und ich beym Savelli ihn mir nicht schützen konnt anderer Weis, als durch die schimpfliche Sag, er sey mein.

      Ueber das arme Magdeburg brachen nun die Schreckenstage herein, die ich keinem Weibe schildern kann. Wehe den Frauen und Jungfrauen, die derley erleben und mit eignen Augen sehen müssen! Daß ich das Unglück kommen sah, darf ich euch nicht sagen, denn ich haße den Schein der Selbstklugheit an einem Weibe, und habt ihr selbst gesehen aus des Vaters Schriften, was der unseelige Ruf ungemeines Wißens, in dem ich war, mir für Nachtheil gebracht, bey dem Edelsten der Menschen!

      Was ich wußte, war Frucht der leidigen Erfahrung, die ich, in meinem einundzwanzigsten Jahre vom Unglück der Zeiten hin und her geschleudert, leider schon gemacht hatte. Mir ist immer nachdenklich gewesen, daß der erste Schritt zu meinem Unglück, die Reise war zu der Base Kunigunde Hochzeit, die ich allerdings unternahm gegen Mahnen der innern Stimme. So stellt Gott an jeden Scheideweg einen warnenden Engel, deßen Ruf ja keiner überhöre! Ward auf jenem mir selbst abgezwungenen Wege, trotz der Begleitung, die die Aeltern mir gaben, von den Kayserlichen geraubt, und ist dies der Anfang all der schweren Schritte gewesen, die ich euch oft schon erzählt, bis ich ins Haus kam der hochseeligen Markgräfin, und von ihr zu dem Herzog.

      Was aber die Magdeburger betrift, zu welchen ich mich nun ohne weiteren Umschweif wiederum wende, so waren auch sie von meinem Oheim, dem ehrwürdigen Baker, oftermalen gewarnt, ließen aber alles aufs äußerste kommen. Unsere Ahndungen, daß man den schwedischen Retter, den großen Gustav, bey welchem auch mein Erlöser lebte, von uns zurückhalten würde, bis zum Untergang, trafen ein, und – Nun, wie ich euch gesagt, ich schildre Magdeburgs greulichen Uebergang nicht, der das, was ich zu Pasewalk erlebt hatte, noch weit übertraf.

      Die schrecklichsten Stunden waren jetzt vorüber. Mein Oheim hatte uns in der Kirche geborgen. Hier waren meist alte Frauen und Jungfrauen der Stadt versammelt, an welchen ich genug zu trösten hatte, denn ihrer keine hatte erlebt, was ich schon mehr erlebte: Gottes Rettung aus Todes-Nöthen.

      Ich sagte ihnen, daß beym Uebergang einer Stadt die ersten Stunden der Wut die fürchterlichsten seyn, so nun verfloßen. Auch des Mordens und der Gewaltthat werden die Teufel müde; die oberste Macht gebietet Stillstand, und das Stündlein der Gnade hat geschlagen.

      Auch das unsrige schlug. Man gelobte uns freyen Abzug, die Flügel der Domkirche öffneten sich, mein Oheim an unserer Spitze, wir alle ihm nach in geschloßener Ordnung zogen heraus.

      Als wir vorgeführet wurden vor den Tilly, graute mir doch ein wenig, wieder einen Savelli zu finden, maßen mir die Frauen, als wir aufgefordert wurden, selbst das Wort vor dem Sieger zu thun, einhellig das auftrugen, und das wol recht wider meinen Willen. Ich indeß, einen fast bejahrten grauhärigen Alten vor mir sehend, faßte ein Herz; dachte an den alten Senator von Pasewalk, den ich aus dem Feuer gerißen und dann bey uns in dortiger Kirche geborgen. Hat mir solcher noch beym Abschied geweissagt, ich werde allezeit Gnade finden bey den Alten. Wagts also, redete mit dem Tilly vernünftig, freundlich und herzhaft, daß er auch sagte: Jungfrau, ihr habt wohl geredet; was ihr bittet, soll geschehen, denn nun hat die Stunde der Gnade geschlagen.

      Ich gedachte also nun einzugehen in die Ruhe des stillen Hauses, welches der Jungfrau liebste Wohnung ist, maßen der Feldherr uns bringen ließ nach dem Neuenhofe, der ganz unversehrt geblieben von dem Feuer, und schier abgesondert war jeder dieser Stunden Erinnerung. Wolten dort arbeiten für der Verwundeten Verband, bis, wie mir versprochen war, ich und meines Oheims Töchter sicher Geleit erhielten gen Augspurg, zu den Fuggern, unsern Verwandten.

      Aber so hats mein Schicksal nicht gewolt; mußt erst noch tiefer hinein in das Unglück, mußt erst meinen trauten Schweden wiedersehen, und in welcher Gestalt!

      Als der Tilly sein Wort hielt und wir schon des zweyten Tages bereit waren in den Wagen zu steigen, ich mich fast freuend auf Augspurg, denn unter uns die Rede ging, der Schwede gedenke dort hin, bei welchem ich wol Einen wußte, der mir lieb war: da kam schnell Botschaft von dem Feldherrn, die andern Jungfraun möchten nur abreisen, aber die Margaretha Fuggerin solte eilig zu ihm kommen.

      Als ich dann kam, zitternd eben nicht, aber etwas verlegen, sagte er: Jungfrau, mir ist eben von euch gerühmt, daß ihr übernatürlicher Dinge kundig seyd, auch in der Heilkunst erfahren, und will ich, ihr solt hier bleiben, mir in beyden zu dienen. Ich will euch täglich sehen und von euch erfahren, was der Wallenstein aus seinen Sternen steht; doch solt ihr nicht bey mir wohnen, zu meiden bösen Verdacht: denn ob