Ihre Wagen stellten die Händler auf dem Markt ab. Dieser Umstand erklärt sicher auch den relativ großen Marktplatz (100 m x 65 m) für eine so kleine Stadt wie Dahlen, in deren Mauern selbst bis in die jüngste Vergangenheit, kaum einmal mehr als 3000 Einwohner gelebt haben. Meistens waren es wesentlich weniger. Der Marktplatz entstand an der Stelle, wo sich die „Hohe Straße“ mit der Torgau/Oschatzer Straße kreuzte. Vor allem die langen Wagenzüge mit den Salzladungen, welche Dahlen passierten, haben die Entwicklung der Stadt günstig beeinflusst.
Wie wichtig diese „Durchgangsstraßen“ als Einnahmequellen für den Grundherrn gewesen sind, und das selbst noch einige hundert Jahre später, zeigt ein Erlass des Wolff Abraham von Schleinitz aus dem Jahr 1578. Darin hat er für (fast) alle Durchziehenden eine Gebühr – das „Geleide“ – festgelegt. Wir würden das heute als Maut bezeichnen. Mehr darüber soll im nächsten Kapitel ausgeführt werden.
Für einen weiteren Verdienst, vor allem für die Handwerker, dürften die zumeist schlechten Straßenverhältnisse gesorgt haben. Reparaturen an den Frachtwagen sowie am Zaumzeug der Zugtiere wurden immer wieder notwendig. Das brachte viel Arbeit für Schmiede, Sattler und Wagenbauer. Aber auch andere Handwerker dürften mitverdient haben. So boten sich durch den Handel für viele Berufszweige gute Verdienstmöglichkeiten in Dahlen. Dies wird auch ein Anreiz gewesen sein, dass sich im Laufe der Jahrhunderte doch der eine oder andere in Dahlen niederließ und so die Bevölkerungszahl allmählich zunahm.
Der vermutlich älteste noch erhaltene Stadtplan von Dahlen ist etwa um das Jahr 1619 entstanden. Darauf wird der Weinberg noch als „meines gnädigen Herren Weinbergk“ ausgewiesen. Diese Bezeichnung kam nur einem Landesfürsten zu und wirklich besaß von 1619 bis 1632 Kurfürst Georg I. von Sachsen das Rittergut Dahlen. Dieses ist an der Stelle des heutigen Schlosses mit „MGH. Hoff“ (meines gnädigen Herrn Hof) eingezeichnet. Ein Lehnsbrief vom 12. Mai 1602 nennt für das Jahr 1592 Georg von Schleinitz noch als Lehnsherr. Auch der Burgberg wird auf dieser Karte als „alter Weinbergk“ bezeichnet. Zu jener Zeit muss das Klima für den Weinanbau in unserer Gegend recht günstig gewesen sein, denn Dahlen hatte 13 ½ Eimer (1 Eimer = 67,362 Liter) Wein vom Weinberg an den kurfürstlichen Hof zu liefern.
Im Juli 1619 brannten in Dahlen 40 Häuser nieder, was auf dem Plan nicht ersichtlich ist, so dass man davon ausgehen kann, dass er im ersten Halbjahr 1619 entstanden sein muss. Auf diesem Plan lassen sich schon die stattlichen Ausmaße des Marktes erkennen, was auf einen regen Handelsverkehr der damaligen Zeit schließen lässt. Auf dem Plan sieht man deutlich die Stallungen, die heute noch vom Hof des „Goldenen Engel“ ausgehend, entlang der Wurzener Straße zu erkennen sind. Sie beherbergten die zahlreichen Zugtiere der hier übernachtenden Fuhrleute, während die mit Planen überdachten Frachtwagen auf dem Markt parken mussten.
Der Gasthof zum Goldenen Engel(Fotografie um 1900) | Das Portal des „Engels“ im Stil der Renaissanceerbaut (Fotografie um 1950) |
Leider von vielen Farbschichten bedeckt – aber immer noch gut sichtbar – der Engel im Schlussstein (2012)
Auf dem Plan ist zudem ersichtlich, dass die Peterskirche noch nicht abgerissen war. Sie findet sich südlich neben dem später errichteten Schloss eingezeichnet. Besonders fällt die sehr geschlossene Reihenbebauung in den Straßen auf. Man erkennt aber auch deutlich eine Vierteilung der Stadt auf dem Stadtplan. Diese vier Teile sind die Gebiete um die Kirche „Unser Lieben Frauen“, um das Rittergut und spätere Schloss, die Stadtanlage um den Markt und das Dorf Zissen.
Stadtplan aus dem Jahr 1619
Das Schloss, es wird schon als solches bezeichnet, obwohl es zu dieser Zeit noch ein Fachwerkgebäude war, liegt auf einer Anhöhe, an deren Fuße sich die städtischen Anlagen südlich und östlich ausbreiten. Auf dem Plan ist auch ein mit Reihenhäusern bebauter Weg zu sehen, der einstmals nördlich um die Stadt führte. Ein Rest davon ist das Mühlgässchen. Den größten Teil dieses Pfades hat man vermutlich bei der Anlage des Schlossparks beseitigt.
Aus dem Stadtbuch von 1480 erfahren wir weiterhin noch einiges über die Gesamtanlage der Stadt. So finden wir für verschiedene Stadtteile noch Bezeichnungen, die heute nicht mehr bekannt sind. Der Teil der Stadt, der nördlich der Peterskirche lag, wurde „Hinter St. Peter“ genannt, während der Teil südlich der Peterskirche bis zum Markt „St.-Peters-Ende“ hieß. Als wichtige Straßen werden die „Lange Straße“ (August-Bebel-Straße) und die „Kirchgasse“ (Kirchstraße) erwähnt. Das Zentrum der Stadt bildete, wie bereits mehrfach erwähnt, der Markt. Ihn bezeichnete man seinerzeit als „Ring“. Das Rathaus befand sich, wie ebenfalls auf dem Plan von 1619 zu erkennen ist, mitten auf dem Markt.
Das Rathaus war zu jener Zeit wesentlich kleiner als heute. Trotzdem nutzten die Bürger für die Verwaltung der Stadt nur einen Teil des Gebäudes in der oberen Etage. Die Räume im Erdgeschoss dienten Händlern und Gewerbetreibenden, sodass man das Rathaus im Volksmund auch als „Kaufhaus“ bezeichnete. Dem Stadtbuch von 1610 kann man entnehmen, dass es dazu 5 Kammern gab, die um 1494 gegen einen jährlichen Mietzins von 6 Groschen pro Kammer vermietet wurden, und zwar die eine Hälfte am Dienstag nach Ostern, die andere zu Michaelis (29. September). Laut einer Eintragung im Stadtbuch von 1483 verpflichten sich die „ehrsamen und vorsichtigen Handwerksmeister der Schusterinnung“, dem Rate jährlich 10 Groschen in bester Münze dafür zu zahlen. Dafür erhielten sie das Recht, „mit ihren Waren unten im Kaufhaus zu stehen“. Allerdings war ihnen dieses Recht während der Jahrmärkte untersagt. Das Ganze endete aber im Jahr 1719, da das Rathaus bei diesem letzten großen Stadtbrand ein Opfer der Flammen wurde.
Auf dem Stadtplan von 1619 sind vier Stadttore zu erkennen. Im Westen, am Ende der Kleinen Straße (Wurzener Straße), befand sich etwa in Höhe des Stadtgrabens das Wurzener Tor. Nach Osten zu in Richtung Strehla, am Ende der Kirchgasse (jetzt untere Kirchstraße), befand sich das Strehlaer Tor. Dieses ist etwa am Platz des heutigen Pfarrhauses eingezeichnet. Die nach Norden in Richtung Torgau führende Straße verließ die Stadt durch das Torgauer Tor, welches sich in Höhe der Lindenallee befand und wegen seiner Lage am Petersviertel bzw. der Nähe zur Peterskirche auch als Peterstor bezeichnet wurde. Das Oschatzer Tor stand am südlichen Ende der jetzigen Oschatzer Straße, etwa in Höhe der Hausnummer 17. Man erkennt aber auch, Dahlen war von keiner Stadtmauer umgeben. Wahrscheinlich ist, dass man die Stadtbefestigung mit dem Bau der Tore begonnen hatte, dann aber vermutlich aus Geldmangel nie fortsetzte. Aus anderen Urkunden kann man aber schließen, dass es eine Art Verhau gegeben hat, der sich längs des Stadtgrabens hinzog.
Dieser führte vom Wurzener Tor zum Oschatzer Tor, entlang des heutigen Stadtgrabens, die heutige Lindenstraße, bis zum Strehlaer Tor. Sodann folgte er dem heutigen Schwanengässchen, dem Mühlgässchen und jenem Weg, welcher bei der Anlage des Schlossparks verschwand, bis zum Torgauer Tor.
Der Schwanenteich wird auf dem Plan von 1619 als Badeteich bezeichnet. Weiterhin sind drei Wassermühlen, die Quatzschmül, die Mittelmül und die Kerstenmül (dazu mehr in einem späteren Kapitel) sowie das Hospital zu sehen. Dieses befand sich hier bereits am Standort in der Hospitalstraße, die aber zu jener Zeit noch außerhalb der Stadt lag. Im Stadtbuch von 1610 werden zudem noch zwei Badehäuser erwähnt, deren eines sich neben der Peterskirche befand, und das andere am Badeteich.
Der Dahlener Markt um 1840 (Lithographie)
Ein wesentlich späterer Hinweis bezüglich eines noch vorhandenen Durchgangsverkehrs auf dem durch die Stadt Dahlen verlaufenden Handelsweg lässt sich auf einem Stich entdecken, der etwa um 1840 angefertigt worden sein dürfte. Auf ihm