Nach Reinhard Spehr ist die Dahlener Heide kein Siedlungsgebiet der Daleminzier, wie man hier deutlich sieht.
Die in unser Gebiet eingewanderten Slawen waren Bauern mit reichen Erfahrungen im Ackerbau, in der Viehhaltung, in Jagd und Fischfang. Sie führten praktische Tätigkeiten aus wie die Eisengewinnung, das Schmiedehandwerk, die Töpferei oder Herstellung von Textilien. Besonders entwickelt war die Verarbeitung von Holz, was durch den hiesigen Waldreichtum gefördert wurde. So gab es Holzfäller, Böttcher, Wagenbauer, Zimmerleute, Stellmacher, Tischler oder auch Drechsler. Die slawische Kultur war eine regelrechte „Holzkultur“.
Die Slawen wohnten in kleinen Dörfern, die nur eine geringe Zahl von Gehöften aufwiesen und keine regelmäßige Anlage zeigten. Zu diesen Dörfern gehörte eine kleine Feldflur, die nur in geringem Maße dem Anbau von Feldfrüchten diente und in ältesten Zeiten vor allem als Viehweide diente. Genau so unregelmäßig wie die Siedlung angelegt war – eine Dorfform, die wir als Bauernweiler bezeichnen – so unregelmäßig war auch die Feldform.
Die slawischen Sippen selbst gliederten sich wiederum in Großfamilien. In einzelnen Gebieten gab es in Nähe ihrer Ansiedlungen Fluchtburgen. Im 9. Jahrhundert begannen die Sippen mit der Errichtung von Adelsburgen, wie sich die slawische Landesorganisation überhaupt auf Burgen gründete, die uns zum Teil heute noch als alte Wallanlagen erhalten sind und fälschlicherweise im Volksmund oft als Schweden-, Hussiten- oder Heidenschanzen bezeichnet werden. Diese Burgen waren als Sumpf- oder Höhenburgen angelegt und von einem Erdwall umgeben, der meist durch einen Palisadenzaun zusätzlich befestigt war. Oft wurden diese Burgen durch einen Wassergraben von 4 bis 5 Metern Breite geschützt. Diese Befestigungen wurden zur Abwehr von Feinden erbaut und dienten der Bevölkerung in Kriegszeiten als Zufluchtsort. Sie waren ursprünglich kein Sitz von Feudalherren oder Adeligen.
Slawische Spinnwirtel aus Keramik
(Heimatmuseum Dahlen)
Handspindel
(Heimatmuseum Dahlen)
Im Mittelpunkt des Daleminzierlandes lag vor rund 1000 Jahren die Stammesfeste „Gana“. Diese wird gegenwärtig von den meisten Historikern südlich von Oschatz, in der Nähe der Gemeinde Hof, lokalisiert, nachdem dort umfangreiche Ausgrabungen stattgefunden haben. Untermauert wird diese Annahme noch durch einen Bericht des arabischen Kaufmanns Ibrahim ibn Jaqub, der 963 mit einer Gesandtschaft aus dem muslimischen Spanien in Merseburg am Hofe Kaiser Otto I. (912-973) geweilt haben soll4 und von hier aus durch die Slawengaue nach Prag unterwegs war. In seinem Reisebericht gab er uns ein ziemlich genaues Bild über die slawischen Burgen. Er schreibt wörtlich: „Sie, (d. h. die Slawen) graben ringsherum und schütten die ausgehobene Erde auf, wobei sie mit Planken und Pfählen nach Art der Bastionen gefertigt wird, bis die Mauer die beabsichtigte Höhe erreicht.“
Die Daleminzier selbst nannten sich „Glomacii“. Dieser Name leitet sich vermutlich vom Namen „Glomuzi“ ab, einem „Wunder wirkender Weiher“ in der Nähe von Lommatzsch bei Dörschwitz und Lautschen, dem ehemaligen Paltzschener See (jetzt verlandet). Hier soll sich der Kultmittelpunkt der Daleminzier befunden haben. Im Begriff „Glomacii“ hat mit hoher Wahrscheinlichkeit der Name des Ortes Lommatzsch seinen Ursprung. Lässt man bei Glomacii den Anfangsbuchstaben weg, haben wir fast schon den Namen Lommatzsch.
Soweit sie noch nicht zum Christentum bekehrt waren, verehrten die Slawen – und damit die Daleminzier – weiterhin ihre Naturgottheiten. Sie opferten ebenso wie die Germanen ihren Göttern in heiligen Hainen, meist Linden- oder Birkenhainen. Einer der Slawengötter heißt Swantewit. Der sehr ähnlich klingende Ortsnamen Schmannewitz als Nachbarort von Dahlen hat allerdings mit dieser Gottheit nichts zu tun.5
Der erste Bericht über die Daleminzier ist uns aus der Zeit Karls des Großen (747-814) überliefert. Hier fanden sie Erwähnung, als Karl der Große einen breitangelegten Feldzug gegen die slawischen Völker vorbereitete. Dazu entsandte er seinen Sohn Karl zu einer militärischen Expedition in das Land der Daleminzier. Deren Fürst Semila unterlag dem Angreifer und wurde zur Überstellung von Geiseln gezwungen. Im Jahr 805 erfolgte ein weiterer Feldzug. Dieser galt vor allem der Sicherung des Handels in Magdeburg. Dabei drangen die Heere der Karolinger6 über die Elbe vor, errichteten am Ostufer der Saale einige feste Burgen und zwangen einen Teil der Sorben, tributpflichtig zu werden. Es gelang den Franken jedoch nicht, die Unterworfenen in ihr Reich einzugliedern.
Slawische Stämme erhoben sich immer wieder gegen die Vorherrschaft der Franken. So kommt es im 9. Jahrhundert vor allem unter Führung mährischer Stämme zur Herausbildung eines „Großmährischen Reiches“. Zahlreiche Fehden innerhalb dieses Reiches führten aber bald zu dessen Zerfall.
Eroberung und Besiedlung durch Sachsen und Franken / Anfänge der Mark Meißen
Die Eroberungspläne der Deutschen wurden meist unter dem Deckmantel der Christianisierung durchgeführt.
Heinrich I. (876-936), der Sachsenherzog, unternahm bereits Feldzüge gegen die Daleminzier, als er noch nicht den Titel eines Königs besaß. Er unterwarf zunächst das Land an der mittleren Mulde. Von hier aus drang er in das Kerngebiet der Daleminzier vor. Der Bischof Thietmar von Merseburg (975-1018), der um die Jahrtausendwende lebte, berichtete in seiner Chronik, dass Heinrich I. die Landschaft „Glomaci“ „mit Feuer und Schwert“ verwüstet habe. Allerdings wurden die Anfangserfolge von Heinrich I. im Jahr 906 durch das Eindringen der Ungarn nach Mitteleuropa wieder zunichte gemacht. Es wird sogar berichtet, dass die Daleminzier die Ungarn zu Hilfe gerufen und ihnen den Weg gewiesen hätten. Heinrich I., der den Ungarn mit ungenügenden Streitkräften entgegengetreten war, musste sich in die Burg Püchau an der Mulde bei Wurzen zurückziehen und fand dort Schutz, wofür er den Burgleuten, wie es in der Chronik heißt, „Gnadenbeweise“ gewährte. Damit war die Vorherrschaft der Deutschen im Lande der Daleminzier erst einmal abgewehrt.
König Heinrich I., auch Heinrich der Vogler. Der sächsische Herzog Heinrich wird 919 in Fritzlar zum deutschen König gewählt. Er gilt als Begründer des Deutschen Reiches.
Nach seiner Wahl zum deutschen König im Jahr 919 unternahm Heinrich I. einen neuen Versuch, seinen Machtbereich durch die Unterwerfung die Slawen östlich von Saale und Elbe zu erweitern. So berichtet der Chronist Widukind von Corvey (925-973) über diesen Feldzug Heinrichs gegen die Slawen: „Im Spätsommer 928 zog Heinrich von Magdeburg her gegen den Stamm der Heveller. Doch erst der Frost machte ihm den Zugang zu der im sumpfigen Gelände liegenden Festung Brennabor (Brandenburg) möglich.“ Es bleibt unklar, ob Heinrich seinem Heer zunächst eine Ruhepause gönnte oder sofort weiter nach Süden vordrang. Man nimmt an, dass die entscheidenden Kämpfe mit den Daleminziern im Winter 928/929 stattfanden. Die Slawen zogen sich in ihre Stammfeste Gana zurück. Diese Feste konnte von Heinrich I. erst nach 20tägiger Belagerung eingenommen werden. Widukind schreibt darüber, dass Heinrich die Feste nach der Eroberung seinen Kriegern zur Plünderung überließ und alle Erwachsenen, vor allem alle Männer, töten ließ. Die Knaben und Mädchen wurden als Sklaven weggeführt. Er schreibt – üblicherweise auf Latein:
„Cennque illa urbe (gemeint ist Brennabor) potitus omnem regionem, sigma vertit contra Dalamontiam, adversus quam iam olim religuit li