Die Arena und das Untergeschoss (vgl. Abb. 2, 8, 9)
Die zwei auf der Ost-West ausgerichteten Längsachse des Amphitheaters gegenüberliegenden Eingänge gewährten Eintritt in die Arena. Diente die porta triumphalis auf der Westseite als Eingangsportal für die Gladiatoren, so war das Pendant auf der Ostseite, die porta libitinaria, für den Abtransport der Toten bestimmt. Der Name des Torbaus bezieht sich auf Venus Libitina, die in Rom als die Schutzheilige der Grabstätten galt und in einem heiligen Hain bei den Nekropolen am Esquilin verehrt wurde. Von beiden Eingängen aus konnte man über steile Treppen direkt in die unter der Arena gelegenen Räume gelangen, in denen die Tiere gehalten und die für die Spiele notwendigen Ausrüstungen und Ausstattungen aufbewahrt wurden (vgl. Abb. 2, 9). Das gesamte unterirdische Geschoss war in vier Segmente unterteilt, die sich durch die Kreuzung der Längs- und Querachse ergaben. Entlang der Außenmauer verliefen weitere Räume, die dem Betrieb der Spiele dienten. Ursprünglich überwölbt, wurden sie später in kleine zweigeschossige Zellen umgebaut. Um in der Arena die umfangreiche und schwere Bühnenausstattung zu bewegen, gab es ein System von Gegengewichten und schiefen Ebenen im Unterbau, von dem noch die Löcher im Fußboden der Gänge zeugen. In diesem Bereich waren die Winden zur Bewegung der Gegengewichte in Windensteinen verankert, die auch im Großen Amphitheater in Capua bezeugt sind.12 Charakteristisch für die Windensteine ist das Oberlager mit einem runden Loch im Zentrum und zwei sich gegenüberliegenden schwalbenförmigen Vertiefungen, in denen das metallene Drehlager der Winden verankert war.
Der Zentralgang, der sich unter dem Osteingang fortsetzte, verband die unterirdischen Räume des Amphitheaters mit dem Ludus Magnus, der nahe gelegenen Gladiatorenkaserne (Abb. 11).13 Heute sind noch die Spuren von Umbauarbeiten, Restaurierungen und Wiederaufbauten zu sehen, die durch Brand- und Naturkatastrophen sowie durch Abnutzungen erforderlich waren. Der Zerfall des Untergeschosses markierte das Ende der Gladiatorenspiele und führte schließlich zur Aufgabe des gesamten Gebäudes.
Abb. 11: Rom, Ludus Magnus, Grundriss.
Graefe 1979, 56–61 Abb. 62–68 Taf. 55–63.
Ebd., 61 Taf. 63,3; Hufschmid 2009, 416 Abb. 155 links.
Hufschmid 2009, 468 Abb. 239.
Coarelli 2001, 147–151 Abb. 1–4; Bosso – Moesch 2001, 320 Nr. 8 mit Abb.; Coarelli 2003, 204–207 mit Plan.
Bauphasen des Kolosseums:
Archäologische Befunde
Ausgrabungen rund um die Meta Sudans
Auf den Ruinen von älteren, vermutlich durch den neronischen Brand zerstörten Häusern nordsüdlicher Ausrichtung entstanden ab 64 n. Chr. östlich und nördlich der späteren Meta Sudans äußerst stabile Substruktionen aus opus caementicium. Bei den Grabungen wurden 17 Räume ganz oder teilweise freigelegt. Diese Strukturen zu beiden Seiten einer schmalen Straße werden einer Terrassenarchitektur der Domus Aurea zugerechnet.14 Nachdem der Schutt des neronischen Brandes weggeschafft war, schüttete man das Gelände bis zu 4 m hoch auf. Diese Maßnahme wirkt wenig überzeugend. Wenn das Gelände tatsächlich um 4 m erhöht wurde, hätte man den Brandschutt einplanieren können. Es wurde aber nur eine dünne Schicht davon gefunden. Diese Niveauerhöhung brachte man in Verbindung mit dem aus der schriftlichen Überlieferung bekannten künstlichen See auf dem Gelände der Domus Aurea.
Statt das Gelände aufzuschütten und dann in diese Aufschüttung das Wasserbecken hinein zu graben, hätte man den See einfach direkt im Gelände ausheben können.
Die Substruktionskammern von 7 × 4 m Größe sind nach Westen und Osten geöffnet.15 Deren Stirnseiten bestanden auf der Ostseite aus feinem Ziegelmauerwerk, in dem auch wiederverwendete Fragmente von tegolae zu erkennen sind. Als Beischlag für den Kern des opus caementicium diente ebenfalls Ziegelbruch. Die bis in eine Tiefe von 6 – 7 m reichenden, in eine Schalung gegossenen Fundamente bestehen dagegen aus caementicium mit gemischten Beischlagstoffen. Die Kammern zeigen an den Wänden keine Spuren einer Verkleidung, ebenso sind keine Partien von Fußböden feststellbar.
In den 1986 ausgehobenen Gräben für neue Gasleitungen an der Westseite des Kolosseums zeigten sich Baureste, die angeblich eine Fortsetzung dieses Substruktionssystems nach Norden belegen. Weitere Mauerzüge nördlich des Amphitheaters wurden 1992 angeschnitten.16 Die Rückwände der nördlich der Meta Sudans gelegenen Räume 1–10 traten westlich des Kolosseums noch einmal zu Tage.17 Östlich der Kammerreihen zeigte sich in den Gasleitungsgräben ein anderes Substruktionssystem mit größeren Räumen. Als westlicher Abschluss dieser Struktur diente ein auf der Forma Urbis verzeichneter Mauerabschnitt in Nord-Süd-Richtung. Die Anhaltspunkte für diese weiter östlich liegenden Substruktionen sind allerdings gering. Von den vier rekonstruierten Pfeilern wurden nur Reste von zwei Objekten gefunden. Diese setzte man in Zusammenhang mit zwei Mauerzügen. Es ergeben sich Räume, welche die dreifache Spannweite in Ost-West-Richtung aufweisen wie die südlich der Meta Sudans ausgegrabenen Kammern. Aufgrund der schwächeren Struktur erscheint es sehr fraglich, ob überhaupt von Substruktionen gesprochen werden kann. Es können jedenfalls nicht beide Architektursysteme in einem Atemzug genannt und als Terrassenunterbauten definiert werden.18
Die Kammerreihen bei der Meta Sudans tangieren nicht das Kolosseum, sondern streichen westlich von diesem vorbei. Das östliche Raumsystem in der vorgeschlagenen Rekonstruktion scheint dagegen von dem Amphitheater gestört zu werden. Die Beweislage für diesen Sachverhalt ist allerdings schwach. Über die Zeitstellung der östlichen Räume ist nichts bekannt. Nicht zwangsläufig müssten diese Strukturen und das Amphitheater auf eine zeitliche Abfolge schließen lassen. Der Grabungsbefund gestattet auch die Interpretation, dass die Räume an ein bestehendes älteres Amphitheater angebaut sein könnten, denn eine Berührung zwischen dessen Außenfassade und dem postulierten