„Die Frau, die ich liebe.“ Nathaniel ging ans Ende der Veranda und sah über den Rasen. „Ich denke darüber nach, den Garten neu zu gestalten. Ich glaube, das würde Papa gefallen. Was meinst du?“
„Wir? Du und ich? Ich kann noch nicht mal Unkraut züchten, ganz zu schweigen von echten, richtigen Blumen.“
„Susanna ist Landschaftsarchitektin.“
„Das Mädchen, mit dem du von Mrs. Butlers Abendessen verschwunden bist?“ Jonathan gesellte sich auf den Stufen der Veranda zu Nathaniel. „Bitte sag mir nicht, dass du für sie schwärmst.“
„Sie ist momentan arbeitslos. Ein kleiner, schnell erledigter Gartenbauauftrag könnte genau die Ermutigung sein, die sie braucht.“
„Ein Ausweichmanöver kommt einem Geständnis gleich.“
„Ich gebe gar nichts zu.“
„Du hast mir noch nicht einmal erzählt, wie du sie kennengelernt hast.“
Er bewahrte die Erinnerung an ihr erstes Treffen unter dem Baum wie einen Schatz auf. Wenn der Rest seines Lebens schon in den Zeitungen von Brighton und Hessenberg breitgetreten wurde, wollte er Susanna für sich behalten. „Ich glaube, sie würde mit dem Garten gute Arbeit leisten.“
„Wenn du den Garten neu gestaltet haben möchtest, werde ich Angebote von anderen Landschaftsgärtnern und Architekten einholen.“ Jon sprang die Stufen hinunter und trat gegen die braune, moosige Rasenkante.
„Kein Bedarf. Meine Wahl ist Susanna.“ Nathaniel wies mit einer Geste auf die kleine, eingezäunte Fläche. „Es ist ein Garten, Jon.“
„Du stehst auf sie!“ Jon starrte ihn an. „Nathaniel, was denkst du dir eigentlich? Sie weiß, wer du bist und …“
„Sie weiß es nicht.“ Nathaniel griff nach den grünen Blättern eines tiefhängenden Astes, die in der Brise schaukelten. „Ich habe mich als Nate Kenneth vorgestellt.“
„Was ist mit deiner Rede bei der Benefizveranstaltung?“
„Da war sie draußen und hat telefoniert.“
„Wie passend.“
„Ja, sehr.“ Nathaniel schnitt eine Grimasse in Jons Richtung. „Aber ich bin ein Prinz, kein Wundertäter. Der Anruf war purer Zufall.“
„Du verschwendest deine Zeit.“
„Im Gegenteil, wenn ich den Garten neu gestalten lasse, nutze ich meine Zeit sehr gut.“
„Du weißt, was ich meine, Nathaniel.“
„Rufst du sie an, um einen Termin zu machen, oder soll ich?“
„Ich kümmere mich darum.“ Jonathan nahm sein iPad. „Wenn du schon dabei bist, ruf bitte Mrs. Butler an. Lade sie zum Tee ein. Ich werde mich für meine Abwesenheit gestern Abend entschuldigen.“
„Bereits erledigt. Steht für morgen um vier in deinem Kalender.“
„Gut, gut. Dann bestell Susanna doch für den Vormittag.“ Oder für heute Abend. Oder für jetzt gleich.
Wenn er könnte, würde Nathaniel jeden einzelnen seiner Urlaubstage mit ihr verbringen.
Ein Gärtnereiprojekt wäre die perfekte Verbindung. Und der perfekte Abstandhalter. Nathaniel war von ihr bezaubert und angetan, sehr sogar. Ihm wurde bewusst, dass Jonathans alarmierte Reaktion gerechtfertigt war. Er musste sich schützen. Er würde mit Susanna Truitt höchstens befreundet sein können, nicht mehr. Nie.
Am Dienstagmorgen wachte Susanna früh auf, zog ein Paar Shorts und ein T-Shirt an, nahm ein paar Kartons aus der Garage mit, die von ihrem Umzug zurück auf die Insel übrig geblieben waren, und fuhr ins Büro.
Gage war dort, aber er machte sich rar, während sie ihre Sachen einsammelte. Nur Myrna versuchte, sie aufzuhalten.
„Suz, bleib. Er braucht dich. Wir alle brauchen dich. Du bist das ruhige Auge im Sturm.“
„Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht, Myrna. Ich muss das hier machen. Ich kann nicht erklären, warum. Ich weiß einfach, dass ich es tun muss.“
Susanna trug die Kartons beschwingt zum Auto. Sie war frei … wirklich frei … und brachte zu Ende, was Adam begonnen hatte. Legte ihre Pläne und ihre Komfortzonen in Schutt und Asche.
Als Nächstes hielt sie am Krankenhaus an, um bei Daddy zu sitzen. Er hatte die Operation schon hinter sich und erholte sich in seinem Zimmer.
„Die Operation ist traumhaft verlaufen“, hatte Mama ihr sehr gefühlvoll zugeflüstert, als Susanna früher am Morgen angerufen hatte, um sich zu erkundigen, wie es ihm ging.
Gegen Mittag war sie wieder zu Hause und hatte einen freien Nachmittag vor sich. Sie hatte noch nie einen Tag ohne Pläne gehabt.
Um zwei hatte sie die Küchenschränke saubergemacht und den gefliesten Boden gesaugt und gewischt. Nach einer zweiten Dusche schnappte sie sich eine Orange und ging auf die Terrasse im Hinterhof hinaus.
„Suz, bist du da?“
„Ja, auf der hinteren Terrasse.“ Susanna kniff die Augen zusammen und sah über ihre Schulter durch das helle Sonnenlicht Gracie auf sie zukommen.
Beste Freunde trösteten die Seele wie nichts anderes.
Gracie ließ sich auf den Adirondack Stuhl neben Susanna fallen, nahm ihr dunkles Haar im Nacken zusammen und türmte es sich auf den Kopf.
„Mann, ist das heiß.“ Sie musterte Susannas Orange. „Isst du die noch?“
„Ich esse sie in diesem Augenblick, ja.“ Susanna pulte einen Schnitz ab und reichte ihn Gracie.
„Also, ich hab da mal ’ne Frage.“ Gracie schob das Stück in den Mund. „Wie kommt es eigentlich, dass ich von Mary Jo auf dem Wochenmarkt erfahre, dass meine beste Freundin sich von ihrem Freund getrennt hat?“
„Ich war beschäftigt.“
„Ja? Womit? Gekündigt hast du auch.“
Susanna sah sie skeptisch an. „Woher weißt du das nun wieder?“
„Myrna hat mich angerufen. Du weißt doch, dass sie ganz dicke ist mit meiner Tante Lisa.“
„Sorry.“ Sie gab Gracie noch ein Stück Orange. Das sollte ihr ein paar Gramm Vergebung einbringen. „Ich wollte dich anrufen, aber …“
„Es ist schon okay, Suz.“ Gracie hob ihr Gesicht zur Sonne. „Nach 15 Jahren Freundschaft weiß ich doch, dass du Zeit brauchst, um das sacken zu lassen. Aber ich will dir sagen, dass ich stolz auf dich bin. Das Mädchen mit dem Plan, das Mädchen, das sogar vor Impulskäufen recherchiert, versucht sich freestyle.“
Gracie streckte die Hand nach einem weiteren Orangenschnitz aus. „Erinnerst du dich an das Fahrrad, das du vor ein paar Jahren kaufen wolltest?“
„Das wirst du mir bis zum Sankt Nimmerleinstag aufs Butterbrot schmieren, oder?“ Susanna gab reichte ihr mehr Orange. „Ich wollte doch nur das richtige Rad kaufen. Damit ich es auch wirklich benutze.“
„Und du hast es … wann nochmal zuletzt benutzt?“ Gracie nickte dem gelben Strandrad zu, das an die hintere Veranda angekettet war.
„Du findest dich total witzig, haha. Ich wollte heute Abend Fahrrad fahren.“ Susanna schnitt ihr eine Grimasse. „Aber Mama hat mich für das Rib Shack eingeplant, solange sie an Daddys Bett sitzt.“
„Wenn ich deine Mama nicht so gut kennen würde, würde ich das als lausige Entschuldigung bezeichnen. Im Shack arbeiten. Wie geht es eigentlich deinem Dad? Das hab ich dir übrigens vergeben, dass du mich nicht angerufen hast, als er ins Krankenhaus musste.“ Gracie streckte die Hand aus und Susanna reichte ihr einfach den Rest der Orange.