Opak. Matthias Falke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Falke
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957770486
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um seinen Protest weiter auszuführen. »Mach wenigstens eine gute Figur, damit wir den Heinis auf Luna III ein paar schöne Bilder faxen können.«

      »Hab ich schon jemals keine gute Figur gemacht?« Die Erste Offizierin verstaute ihr Haar in einem flüchtigen Knoten und nahm den Helm aus der Halterung.

      »Wie willst du es machen?« Gus assistierte ihr, als sie das verspiegelte Visier verschraubte, und überprüfte die Selbsttests des Atemgerätes, das rasselnd zu arbeiten begann.

      »Ich nehme eine von den EVAs und gehe bis auf ein paar Meter ran.« Man hörte ihre Stimme jetzt über die Lautsprecher der Automatik. »Dann steig ich aus und lass mich vom kleinen Greifarm rübersetzen.«

      »Behalt auf alle Fälle die Nabelschnur an.« Der Bordingenieur zeigte ihr noch einmal den Stutzen an der Hüfte, wo sie sich in die externe Versorgung einklinken konnte.

      »Und dann?«

      »Dann werde ich Kontakt aufnehmen.«

      »Bestell auch schöne Grüße.« Carlssen verließ die Schleuse des Drohnendecks, um von der Brücke aus ihren Spaziergang zu überwachen.

      »Pass auf dich auf.« Gus half ihr beim Besteigen des kleinen Einmannshuttles und wartete, bis die Luke eingerastet war.

      »Solch zärtliche Anwandlungen aus deinem Munde?« Sie klang jetzt weiter entfernt, als spreche sie durch ein langes dunkles Rohr. Gus sah durch das Bullauge zu, wie sie die Armaturen der EVA prüfte.

      »Wir sind trotzdem ein Team.« Er aktivierte den Schwenkarm, der das halbautomatische Fahrzeug in den Schacht hinüberhievte. »Alles klar zum Ausklinken?«

      »Roger. Schieß mich raus!«

      Gus stand hinter dem Kontrollfeld, bis das Schleusenschott geschlossen war. Dann berührte er die grüne Schaltfläche auf der Hauptkonsole. Silbriger Rauch platzte auf, als die Düsen das Shuttle in den Raum hinausstießen. Er übergab an die Selbststeuerung und verfolgte, wie Theresa das Triebwerk zündete. Sie rollte über die Dorset hinweg und nahm Kurs auf das selbstgenügsame Flimmern des Opak.

      »Okay, ich bin jetzt wohl direkt dran. Silesio, wie bewegt es sich zurzeit?«

      »Es hat eine Phase stärkerer Aktivität hinter sich und scheint sich gerade zu beruhigen. Gegenwärtig ganz langsame Kontraktion von weniger als einem Meter pro Minute. Du bist jetzt etwa fünf Meter von der Außenhülle entfernt.« Der Chefprogrammierer ließ die Automatik online mit dem Shuttle gehen, das auf einer Nachführbewegung auf konstantem Abstand zu dem unsichtbaren Objekt gehalten wurde. »Du kannst jetzt aussteigen.«

      »Mach keinen Blödsinn da draußen.« Carlssen hatte sich hinter Silesios Sessel aufgebaut und verfolgte, abwechselnd auf den Schirmen und an den Panoramascheiben, Theresas Manöver.

      »Ich entsichere die Luke, aktiviere die externe Versorgung via Nabelschnur.« Theresa kommentierte jede ihrer behutsamen Aktionen. »Jetzt bin ich draußen; könnt ihr mich sehen?«

      Auf den Videomonitoren, deren Bilder ungeschnitten nach Luna III überspielt wurden, sah man die silberweiße und ungewohnt pummelige Gestalt, wie sie maskenhaft in die Kameras winkte. Mit bloßem Auge wirkte das winzige Menschlein, das auf dem Rücken der bewegungslosen EVA entlangkrabbelte, unendlich verloren vor dem Hintergrund des schwarzen Sternenhimmels.

      »Ich bin am Kran und klinke den Sicherungskarabiner ein. Alle Systeme arbeiten einwandfrei. Jetzt fahre ich den Arm aus. Ein Meter, zwei …«

      Die beiden Männer auf der Brücke sahen zu, wie Theresa von der armdicken Gitterkonstruktion emporgehoben und dem nackten Nichts entgegengefahren wurde.

      »Fünf Meter. Dann bin ich jetzt also direkt dran.«

      »Was siehst du?« Groenewold, die sich auf dem Sanitätsdeck einen Tranquilizer besorgt hatte, kam ins Cockpit zurück und setzte sich auf den seitlichen Platz der Kommandobrücke.

      »Eigentlich – natürlich – gar nichts.«

      »Was hattest du erwartet?« Carlssens Geduldsfaden schien sich dem Ende zu nähern, gleich würde er sein Kind vom Spielen zurück ins Haus rufen.

      »Wie bei einem ganz normalen Weltraumspaziergang.«

      »Versuch, durch es hindurchzusehen.« Silesio hatte die stoische Gelassenheit der letzten Tage abgelegt. »Siehst du das gleiche Flimmern wie von hier aus?« Der Chefprogrammierer klang, als wäre er am liebsten selbst dort draußen.

      »Ich … ich weiß nicht.« Die wacklige Gestalt auf den Monitoren drehte sich herum und bot eine melancholische Rückenansicht à la Caspar David Friedrich. Man stellte sich unwillkürlich vor, dass sie die Augen mit der flachen Hand beschattete und den Horizont einer dampfenden Prärie absuchte.

      »Ich … Das ist … Oh …«

      »Was ist los?«

      »Ich sehe etwas.«

      »Was ist es?«

      »Mein Gott!«

      »Theresa, bist du in Ordnung?«

      »Wie?«

      »Theresa!«

      »Ich bin … Es geht mir gut.«

      »Was hast du gesehen?«

      »Ich sehe es immer noch. Es ist … Ich kann es unmöglich beschreiben.«

      »Versuch es!«

      »Oh … Es ist so …«

      »Hast du keine Handkamera dabei?« Silesio betätigte den Zoom der Außensensoren, aber da war nichts. Nur die spiegelnde Figur der einsamen Astronautin, die verliebt vor sich in den leeren Raum hinausgestikulierte.

      »Ich sehe etwas und sehe doch nichts. Ich habe … Eindrücke und kann sie nicht in Worte fassen. Es ist … wie ein Traum … oder wie die Erinnerung an einen Traum. Alles ist plastisch und konkret – und doch kann ich es nicht beschreiben. Ich sehe … Strukturen. Ich bin an seiner Oberfläche. Es sind … Mein Gott! Alles, was ich sage, sind Metaphern und schlechte Umschreibungen. Narben, Noppen, Kassetten. Es ist untergliedert. Schwarz natürlich und völlig … ja: opak. Dunkel und konturlos und meistens sieht man die Sterne hindurch. Aber doch wie Schuppen eines Fisches oder Panzerungen eines Reptils vielleicht, gleichförmige Platten.«

      »Wie groß sind die Einzelsegmente?«

      »Keine Ahnung. Ich habe keine Vorstellung von den Dimensionen. Mir fehlt irgendein Anhaltspunkt.«

      »Es scheint unmittelbar vor dir zu sein.«

      »Du meinst, ich könnte es berühren?«

      »Theresa, sei vorsichtig!«

      »Ich strecke jetzt die Hand aus.«

      »Es bietet natürlich keinen Tastwiderstand.«

      »Ich scheine in es einzudringen.«

      »Pass bloß auf.«

      »Verdecken diese Strukturen deine Hand oder werden sie von ihr überdeckt?«

      »Ich kann es wirklich nicht sagen. Also wenn ich unmittelbar dran bin, sind diese einzelnen … Fächer etwa einen halben Meter, vielleicht, oder doch eher zwei bis drei. Nein, es ist unmöglich.« Sie verstummte. Ein fremdartiges Schluchzen kratzte an den Lautsprechern.

      »Theresa! Bist du in Ordnung?« Carlssen war weiß wie eine überdehnte Sehne.

      Nur würgendes Röcheln.

      »Silesio, hol sie da raus!« Der Commander wies auf das Pult, von dem aus die EVA ferngesteuert werden konnte.

      »Nein, wartet!«

      Ein Schniefen tropfte aus der knisternden Akustik.

      »Theresa! Was ist denn los? Sollen wir den Kran zurückfahren.«

      »Nein, es geht mir gut. An so was haben die Anzugkonstrukteure wieder nicht gedacht.«

      »Ist