Auf dem Rückweg von der Müllklappe bemerkte sie die feine Anspannung ihrer Muskeln, die ein erneutes Erwachen ihrer schrecklichen Begierden ankündete. Schon auf der Schwelle zu ihrer Wohnung gloste zwischen ihren Beinen Lüsternheit. Drinnen lehnte sie sich rücklings an die Tür, schloss die Lider und ließ die Hände über den Bauch an sich hinab rutschen, bis sich die Zeigefinger beiderseits des Schamhügels in die Winkel der Oberschenkel pressten. Unter dem Dreieck zwischen ihren Händen schien ein Schwelbrand sich langsam aufwärts zu fressen.
Nein. Sie durfte nicht schwach werden.
Heliane kam der Gedanke, sich zur Ablenkung eine Internet-Predigt anzuhören. Vielleicht konnte Erbauung aus berufenem Mund die Aufgewühltheit ihrer Seele beschwichtigen.
Sie warf sich aufs Kokosfaser-Sofa, schleuderte die
Hausschuhe von den Füßen auf den Hanfteppich.
»Mancher Irregeleitete bildet sich ein, es ginge ihm etwas an Glück verloren«, predigte Pater Damasus, »wenn er sich nicht bedenkenlos einer billigen Form sinnlichen Genusses hingibt. Zwar gewinnt er dadurch eine flüchtige Scheinfreude, aber dafür büßt er mit der Entwertung seines eigentlichen Seins ...«
Nein. Es half nicht. Helianes Brüste fühlten sich schwerer an, die Brustwarzen hart wie Lakritz. Sie hatte gewünscht, die Beine von sich strecken zu dürfen, aber mittlerweile krampfte sich ihr Körper aus Sehnsucht geradezu zusammen, schmiegte sich um den Mangel, den ihre Arme nicht umfangen, ihre Schenkel nicht umschlingen konnten. Sie verzehrte sich nach der durch nur wenige Türen von ihr getrennten, fremden Gestalt, als würde sie sie längst so genau kennen, dass sie ihr wie eine verheißene Erfüllung zustand.
Mit der Eile verspäteten Tuns fuhr Helianes Hand unter den Rocksaum und ins Höschen. Ihre Furche schwoll von Hitze. Willig spreizten sich ihre Beine wie eine Schere. Sie hörte die Patriarchenstimme des virtuellen Predigers nur noch als Raunen, dem sich kein Sinn entnehmen ließ.
Zwischen Zeige- und Mittelfinger einer Hand klemmte sie den Kitzler. Mit drei Fingern der anderen Hand rührte sie in der Triefnässe ihrer Pforte, drückte die Forken allmählich tiefer hinein. Ihr Unterleib kreiste mit solcher Hingabe um das Bohren und Reiben der Finger, dass sie es selbst mit größter Willensanstrengung nicht hätte verhindern können.
Helianes Atemzüge beschleunigten sich, sie masturbierte mit aller Kraft, in ununterbrochener Folge schneller Stöße stemmte sie ihre Klemme den Lustspendern entgegen, indem ihre Pobacken mit Wucht das Sofapolster pufften.
Ihr Stöhnen steigerte sich zum Japsen, während sie sich zappelig auf dem Sofa wand, und bald, als der Kleister der Lust ihre Fingerspitzen umfloss, erlebte sie von Neuem das Gefühl glückseligen Zerschmelzens, sie klappte die Schenkel zusammen, krümmte sich um den Brennpunkt des Entzückens. In einer Brandung der Wonnetrunkenheit entspannte der Orgasmus ihre Glieder und senkte sie in eine Verfassung rauschhaften Gelöstseins.
Nach einem Weilchen stieß Heliane dennoch einen Seufzer des Kummers aus. Sie hatte keine E-Mail-Adresse des Nachbarn ausfindig machen können. Irgendwie war die Welt wieder einmal gegen sie.
»Gott gibt uns die Nüsse«, sagte Pater Damasus, »aber er knackt sie nicht.«
Was?
Heliane stutzte, setzte sich benommen auf, beugte sich vor. Sie zupfte den Rock zu den Knien hinab, obwohl die virtuelle Persönlichkeit des Internet-Predigers sie gar nicht sehen konnte.
Was? Was?
Entgeistert betrachtete sie Pater Damasus’ Curd-Jürgens-Gesicht. Er hatte an sie eine ganz private Mitteilung.
Gott gibt uns die Nüsse ...
Na freilich.
... aber er knackt sie nicht.
Nein. Ihr Lebtag lang hatte sie alle Nüsse allein knacken müssen.
Ach so.
Sie brauchte gar keine E-Mail-Adresse. Sie hatte die Möglichkeit, drüben an der Tür zu klingeln.
Voller satter Genugtuung schaut Broder seinem Samen nach. Der Schwall zerspritzt. Sprinkelt hinunter auf die 30 m tiefer gelegene Straße. Erleichtert zieht er den im Erschlaffen begriffenen Hobel unter der obersten Geländerstange hervor. Retourniert ihn in die Hose.
Die Abendluft ist lau und angenehm. Ein frisches Windchen, das nach Kfz.-Abgasen, Staub und dem Hefemief einer nahen Brauerei riecht, kühlt ihm den schweißigen Körper. Er beschließt, noch für eine Weile auf dem Balkon zu bleiben. Setzt sich in einen Korbsessel. Er muss nachdenken. Bis zur Videokonferenz um 22 Uhr hat er noch anderthalb Stunden Zeit.
Im Verlauf der Tage hat Broder immer stärker den Eindruck erlangt, dass die Existenz der Nachbarin seine Arbeit beeinträchtigt. Sie beflügelt seine Fantasie in stets kürzeren Abständen. Am hellen Tag hat er Lustträume. Infolgedessen wichst er zusehends häufiger.
Glücklicherweise haben Dr. Lubok und Dr. Schratz den Freud'schen Versprecher, der ihm vorgestern bei der Videokonferenz rausgerutscht ist, kommentarlos übergangen. Vermutlich angesichts des wichtigen Diskussionsstoffs als belanglos abgetan. Aber der Vorfall beweist, er ist geistig nicht mehr hundertprozentig bei seiner Aufgabe. Wegen Nachbarin.
Allerdings glaubt er, dass ihm eine viel heiklere Auseinandersetzung mit den zwei Institutskoryphäen bevorsteht. Dabei geht es nicht um einen irrelevanten sprachlichen Lapsus. Broder hegt nämlich den Verdacht, dass die Schwierigkeiten des NI-Projekts nicht aus der Molekülstruktur des Liganden resultieren. Sondern aus der elektromagnetischen Matrizenprägung.
Bloß durchblickt er die Zusammenhänge noch nicht. Beweisen kann er nichts. Manchmal hat er so eine Ahnung, als wäre er der Lösung ganz nah. Darum muss er in Ruhe überlegen. Es ist erforderlich, dass sein Gehirn mit Reibungslosigkeit und Luzidität funktioniert.
Die reinen Klänge japanischer Musikinstrumente harmonisieren sehr mit den bioelektrischen Strömen in seinen Hirnzellen. Begünstigen das diskursive Denken. Bringen ihn in den Zustand des kreativen Eustress.
Also geht er in die Wohnung und legt die CD mit japanischer Traditionsmusik ein. Den Kopfhörer auf den Ohren, kehrt er zurück auf den Balkon.
Am liebsten hört er Genroku hanami odori, Musik für zur Zeit der Kirschblüte übliche Tänze. Instrumente: Samisen, Koto, Taiko, Kokyu. 18. Jahrhundert.
Eine E-Mail-Adresse der Nachbarin hat er nicht entdeckt.
Offenbar benutzt sie auch kein WebTalk.
Ihr Bild drängt sich in die Molekülstrukturen und Datenmosaike des Wirkstoffdesigns. Unaufhaltsam. Mit aller Plastizität.
Soviel ihm aufgefallen ist, hat sie einen kurvigen Knackarsch. Prall wie ein Paar Kürbisse.
So etwas lässt keinen Raum für die Skizzenhaftigkeit molekularer Mechanismen. Neurotransmitter und Signalproteine sind reizlos im Vergleich zu solchen Halbkugeln. Virtuelle kombinatorische Chemie kann gegen eine lebendige Frau nicht konkurrieren.
Broder spürt, dass sich ihm der Sack zusammenzieht. Sein Schwengel neigt wieder zur Versteifung. Er fantasiert, dass er mit seinem Kolben der Nachbarin den Steiß spaltet. Durch kraftvolles Rammeln ihr Sitzfleisch zum Schaukeln bringt. Und dass sie beim Ficken schreit und kreischt. Dann kommt er nämlich besonders in Fahrt.
Er tupft sich Schweiß von der Nasenwurzel. Bombenschwer spannt ihm eine neue Erektion die Hose.
Es ist ihm unmöglich, sich auf die Probleme der Syntheseplanung zu konzentrieren. Nicht einmal die kristallklaren Töne der japanischen Lauten flößen ihm noch Gelassenheit ein.
Verdrossen hebt er den Kopfhörer von den Ohren. Tappt in die Wohnung. Entnimmt dem radarblauen Lloyds-Großraum-Cooler eine Flasche Weißwein. Entkorkt sie an der Rapid-Entkorkmaschine.
Ein Glas Wein in der Hand, bleibt Broder vor dem Elektronischen Aquarium stehen. Mit Pflanzen garnierter Lava-Hintergrund. Gemächlich ziehen