Auf Wiedersehen, Bastard! (Proshchay, ublyudok!) 2 - Die Stimmen von Moskau. Tino Hemmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tino Hemmann
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783954888993
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mit zwei weiteren flachen Tellern ab, stellte sie übereinander in die Mikrowelle, schaltete das Gerät ein, nahm vier Toastscheiben aus einer Packung im Hängeschrank und steckte die ersten beiden in den Toaster. »So richtig peinlich wurde der Einsatz schließlich erst durch die dämlichen Medienberichte.«

      Fedor grinste. »Ich wusste es. Du musstest den Papierkram machen, weil ihr eine arme, alte Oma überfallen habt.«

      »Fedor! Wir haben die Frau nicht überfallen. Es hätte auch eine äußerst ernste Geschichte werden können.«

      »War es aber nicht.« Fedor grinste noch immer. »Sie hat tatsächlich nur ganz laut einen Fernsehkrimi angeschaut?«

      Die ersten beiden Toastschnitten flogen auf die Arbeitsplatte. Die nächsten wanderten in den Toaster. »Ja. Hat sie.«

      »Und einer von nebenan hat die Polizei gerufen, weil er Schüsse gehört hat?«

      Die Mikrowelle gab ein »Bing« von sich. Sorokin nahm die Teller heraus, verbrannte sich fast die Fingerkuppen, deckte die Teller ab und stellte sie mit Hilfe eines Topflappens auf den Tisch. Dann nahm er zwei Gabeln aus dem Besteckkasten und legte sie zwischen die Teller. »Ja«, sagte er wieder. »Warte noch, die Teller sind sehr heiß.«

      »Ich weiß.« Fedor beschäftigte die Oma mehr als die Currywurst. »Und ihr habt die Wohnung der Oma gestürmt, die vor Schreck fast gestorben wäre?«

      Sorokin griff sich das linke Ohr von Fedor, der ihn herzlich auslachte, während die nächsten beiden Toastscheiben aus dem Toaster flogen. »Du Halunke bist schlimmer als all die aufgeblasenen Zeitungsreporter.« Er gab dem Jungen einen Kuss auf die Wange, klaubte das Brot zusammen und setzte sich.

      Mit der rechten Hand griff Fedor gezielt zu einer Gabel, dann nahm er einen Toast in die linke Hand und biss hinein. Mit vollem Mund fragte er: »Habt ihr in der Wohnung auch geschossen?«

      Sorokin stocherte in der Currywurst-Mahlzeit herum, die er hasste und doch immer wieder kaufte. »Natürlich nicht.«

      »Und hättet ihr?« Fedor schob sich die winzigen Currywurstscheiben auf dem Teller zurecht, um sie dann einzeln aufzuspießen, anzupusten und in den Mund zu stecken. Selbstverständlich fiel auch mal eine von der Gabel.

      »Nur im Notfall. Stell dir vor, jemand hätte die Frau wirklich überfallen und tatsächlich in der Wohnung geschossen. Was dann?«

      »Und?« Fedor schwieg zunächst. »Wirst du jetzt dafür bestraft?«, fragte er schließlich.

      »Nein. Unsere Einheit hatte einen klaren Auftrag, den sie ordnungsgemäß ausgeführt hat. Bei der Oma hat man sich entschuldigt. Fertig.« Sorokin kaute. »Stell dir vor, jetzt wird ein riesiger Aufriss um die Sache gemacht. Und nächste Woche überfällt ein Verrückter oder ein Kopfkranker eine Familie, erschießt den Vater und bringt vier Kinder und die Mutter in seine Gewalt. Wir werden gerufen und alle machen sich in die Hose, aus Angst, wieder einen peinlichen Fehler zu begehen. Was dann?«

      Schweigend suchte Fedor nach den letzten Wurststückchen. »Wahrscheinlich wäre das nicht gut für die Frau und die Kinder.«

      »So ist es. Eben deshalb sollte die Sache nicht so aufgebauscht werden. Manchmal fahren Krankenwagen zu einem Unfall, obwohl niemand verletzt ist, weil aber jemand dachte, dass es Verletzte geben könnte. Sollten sie deshalb bei jedem Notruf überlegen, ob sie überhaupt losfahren?« Sorokin wartete auf den üblichen Satz seines Sohnes, der diesen Gesprächsabschnitt abschließen würde.

      »Nein, sollten sie nicht. Sonst kommen sie bei anderen vielleicht zu spät.« Nun kam tatsächlich der obligatorische Satz: »Jedenfalls kann ich mir jetzt alles gut vorstellen.«

      Erleichtert atmete Sorokin auf. »Willst du noch was trinken?«

      »Ja, gern.« Fedor lächelte und räumte die Teller und die Gabeln vom Tisch in den Geschirrspüler. An diesem Abend hatte er noch nicht ein einziges Mal geklickt. Im Haus war das nur selten notwendig, hier kannte Fedor jeden Winkel.

      »Onkel Hans kommt!«, rief Fedor plötzlich.

      Sorokins Stirn bildete kleine Falten des Erstaunens, auch wenn ihn die Fledermausohren seines Sohnes häufig erstaunten. Er ging zum Fenster und schaute hinaus. Tatsächlich, der BMW des Hauptkommissars war vorgefahren. Gerade stieg Hans Rattner aus, hielt seinen altmodischen Hut an der Krempe fest und lief zur Haustür. »Machst du ihm auf?« Sorokin schaute ins Zimmer zurück, doch sein Sohn stand längst an der Haustür und schloss sie von innen auf.

      Rattner trat sofort ein, schüttelte sich, zog den Mantel aus, hängte ihn auf, legte den Hut auf die darüber befindliche Ablage, stellte eine Einkaufstüte ab, zog die Schuhe an den Hacken aus, schlüpfte mit den Füßen in die Gästepantoffeln, die Fedor vor ihn auf den Boden geworfen hatte und drückte den Jungen herzlich. »Na, mein Junge, wohin willst du noch wachsen? Mich hast du ja längst eingeholt. Du kannst mir bequem auf den Kopf spucken.«

      »Soll ich denn?«, fragte Fedor und griff nach der rechten Hand des Kommissars.

      Der griff mit der anderen Hand nach seiner Tüte und ließ sich von dem Jungen durch den Flur ins Wohnzimmer führen. »Untersteh dich!«, raunte er. Dann drückte Rattner Sorokin ebenso herzlich wie zuvor den Jungen. »Ich musste mich doch noch mal bei euch sehen lassen, bevor ihr mich verlasst.«

      »Wir werden nicht für immer weg sein, Hans. Nur für ein paar Tage.«

      Rattner räumte seine Einkaufstüte aus, stellte eine Flasche Wodka auf den Tisch und nahm ein Paket heraus, das er unter einem Sofakissen versteckte, nachdem er sich im Zimmer umgeschaut hatte. »Nun such mal, Fedor. Der Osterhase war schon da für dich«, sprach er anschließend. »Der ist gerade aus dem Haus gehoppelt, als du mich reingelassen hast.« Gespannt beobachtete er das Gesicht des Jungen, das deutlich freundlicher wirkte, seitdem Rattner das Haus betreten hatte.

      Mit drei Schritten ging Fedor grinsend auf das Sofa zu, legte das Kissen zur Seite und nahm das Paket zur Hand. Er setzte sich und begann damit, das Geschenkpapier zu entfernen. Ein eckiger Karton kam zum Vorschein, dazu eine Tüte mit einem großen Schokoladenosterhasen und mehreren Schokoladeneiern. »Spasibo!«, rief Fedor, der bis eben mit seinem Vater noch Russisch gesprochen hatte, und wechselte nun wieder die Sprache. »Danke, Onkel Hans.« Er tastete die Verpackung des Kartons ab. »Was ist denn da drin?«

      »Ehrlich gesagt, das Ding ist ein Werbegeschenk. Aber ich dachte, dass du es in Moskau vielleicht gut gebrauchen kannst.«

      Sorokin erstarrte, während Fedor staunend in die Richtung blickte, aus der Rattners Stimme kam. »Hast du ›Moskau‹ gesagt?« Der Junge sprang auf, hielt die Arme nach vorn und lief klickend auf den Vater zu, um ihn zu umarmen. »Papa! Wir fliegen wirklich nach Moskau?«

      »Hans!«, gab Sorokin von sich. »Es sollte doch eine Osterüberraschung für den Jungen werden. Jetzt hast du alles versaut!«

      »Oh ...« Rattner schaute Sorokin bedauernd an. »Das wusste ich Dummkopf doch nicht.«

      »Was genau machen wir in Moskau?«, fragte Fedor. »Besuchen wir auch Anton, Natascha und Jekaterina? Wohnen wir wieder in dem kleinen Hotel am Fili-Park? Gehört es immer noch Piotr Gussew, der zum Frühstück die leckere Honigmilch macht? Treffen wir auch deinen Freund Sascha?«

      »Nun sieh doch, was du mit deiner Geschwätzigkeit angerichtet hast. Er wird mich mit seinen vielen Fragen töten.« Durch Sorokins Gesicht fuhr ein Lächeln, während er Vorwürfe hageln ließ, wusste er nun doch endlich, dass Fedor das Reiseziel Moskau mit großer Vorfreude aufnahm, wovon er, Sorokin, bislang nicht ganz überzeugt gewesen war.

      »Ach was ...« Hans Rattner setzte sich an den Tisch. »Du hast genügend Zeit, ihm seine Fragen zu beantworten.«

      Sorokin erhob sich. Mit mehr als zwei Metern Größe und einem unglaublich breiten Kreuz wirkte sein muskulöser Körper wie ein Kleiderschrank. »Was ist, Hans, hast du dich bei deiner Hannelore abgemeldet?«, fragte er.

      »Habe ich. Morgen muss ich aber früh aufstehen, die Enkel kommen mit geballter Kraft zum Mittagessen.«

      Damit war die Frage