Auslaufgebiet. Lotte Bromberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Lotte Bromberg
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783945611050
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hinterher, als sinniere er über eine Hundeschule für Forstangestellte. »Bewirtschaften Sie mal einen Wald, der von tausenden Hunden vollgekackt wird.«

      »Sieht doch alles ganz hübsch und gesund aus.«

      »Das glaubt auch nur ein Trottel. Die Viecher buddeln mir die Wege auf, graben die Bäume an, zerkauen die Schößlinge. Neulich hat mir ein militanter Tierfreund in den Hochsitz geschissen.«

      »Freiheit für die Wildschweine.«

      »Aber wenn ein Keiler mal wieder einen großkotzigen Köter aufschlitzt, ist das Geschrei groß.«

      »Hartes Los.«

      »Wollen Sie sich über mich lustig machen, Sie Provinzler?«

      Charmebolzen, dachte Jakob. »Aber nein. Ist schon weltweit ein einzigartiger Job.«

      »Wem sagen Sie das.«

      »Und die Berliner wollen einfach ins Grüne.«

      »Ihren Müll abladen, die Gewässer vollpissen, das Ufer mit Sonnencreme versauen und im Wald ihre Kippen fallen lassen.«

      »Aber doch nicht die Hundeausführer.«

      »Die nutzen den Wald, um Gewinne zu erzielen.«

      »Na, das werden tolle Gewinne sein.«

      »Haben Sie gesehen, wie groß deren Meuten sind? Latschen ein bißchen rum und kassieren dafür Unsummen. Daran können sie ihr Forstamt ruhig beteiligen, das die Wege hegt.«

      »Und die Jogger?«

      Hacke lachte. »Deren Gewinn sind kaputte Knie.«

      »Ich meine, machen die auch Ärger?«

      »Die Wege sind ihnen nicht plan genug, der Waldboden müßte federn wie in Brandenburg, wir Forstarbeiter stören mit der unangenehmen Geräuschkulisse, meine Karre stinkt. Noch mehr?«

      »Und die Leiche, hat die auch gemeckert?«

      »Keine Ahnung, sie war ja längst weg.«

      »Sie hatte ohnehin kein Gesicht mehr.«

      Er lachte wieder. »Seh’n Se, gibt zu viele Ratten.«

      Jakob zog sein Photo aus der Tasche. »So sah sie aus.«

      Hacke sah ihn prüfend an. »Woher haben Sie das?«

      »Hat die Kripo verteilt«, log Jakob lässig.

      Hacke gab ihm das Bild zurück, der Latz stand immer noch offen. »Kenn’ ich nicht. Im Wald sehe ich nur Bäume.«

      »Was für eine unglaubliche Schweinerei. Ihr solltet Euch schämen.« Bernd Cumloosen, Leiter der Rechtsmedizin der Berliner Charité, sah richtig beleidigt aus. »Schließlich bin ich kein Gärtner.« Mit spitzen Fingern zog er Reste eines braunen Blattes aus dem Bauch der Leiche. Der Nabel war mit Brillanten gepierct.

      »Buche«, sagte Oskar.

      Strafend sah Cumloosen ihn an. »Das ist ein Eichenblatt aus dem letzten Jahr, Herr Hauptkommissar.«

      Oskar seufzte. »Sagen Sie das Hagedorn, der kennt sicher sogar seinen Stammbaum.«

      »Und bringt es zurück nach Hause, ich weiß. Hat die sensible Seele sich denn endlich der Suspendierung entledigt?«

      Oskar schüttelte den Kopf und sah auf das wohlsortierte Puzzle in Cumloosens Stahlwanne. Alles an passender Stelle, Arme neben dem Rumpf, rotlackierte Handreste darunter. Umso deutlicher schmerzte, was fehlte. Armes Ding, so jung und ein solches Ende, zernagt und verdaut. Was nützten teures Geschmeide und scharfer Mini unter Cumloosens Händen.

      Iris Gerber war ein hübsches Mädchen gewesen, hätte man die Teile wieder annähen können. Schmal, guter Trainingszustand, gesunde Haut, sorgfältig rasiert, zumindest an den wenigen unversehrten Hautstellen. Appetitlich irgendwie, die Waldviecher waren zu verstehen. Gepflegte weiche Hände, keine Schwielen, keine Zeichen körperlicher Arbeit. Die Weddinger Hinterhofopfer waren nie so jung gewesen, dafür lagen sie aber auch nahezu vollständig in der Rechtsmedizin.

      Oskar sah ihr prüfend ins Gesicht. Erinnerte sich an das Jugendweihephoto. Kniestrümpfe im Arbeiter-und-Bauern-Staat, ein weißer Dollar-Roadster und mit halber Nase in den Sarg.

      »Woran ist sie denn gestorben?«

      Cumloosen hob die Hände. »Woher soll ich das wissen? Ganze Körperteile fehlen. Allein, um Ihnen zu sagen, wer da alles zum Buffet geladen war, brauche ich Wochen.«

      Jakob hätte jetzt Cumloosens Hinterkopf getätschelt, über die Choräle der Toten mit ihm geplauscht und der Rechtsmediziner hätte das Essen eingestellt, nur um Hauptkommissar Hagedorn schnelle Ergebnisse liefern zu können. Zwei schräge Vögel krähen miteinander auf krummer Stange. Wie im letzten Jahr, als Cumloosen eine Mordserie entdeckte. Ohne ihn wären Jakob und Tanja nie auf die bekloppte Schlachterin gekommen. Oskar hatte sich derweil mit bulgarischen Mafiosi herumgeschlagen. Oder waren es Rumänen?

      Ein ausgewachsener Spinner war Cumloosen trotz der guten Arbeit. Ein Wachmann tratschte, er hätte ihn bei seiner bevorzugten nächtlichen Arbeitszeit Entschuldigungen murmeln hören. Schlaf weiter, guter Schrank, muß mal stören, liebe Leichen, so was. War vermutlich auch so eine Geisternummer. Wenn Oskar es recht bedachte, war er bald der letzte Normale in diesem Irrenhaus. Irgendeiner mußte ja den Schlüssel beaufsichtigen.

      Aber eigentlich war ihm scheißegal, was für Lieder die alle sangen, mit welchen Astralleibchen sie redeten und wie sie ihre Nächte rund bekamen. Sei es mit Maden, Geistern oder Gott bewahre, Hunden. Jeder, wie er mag, und für Oskar den Rest. Hauptsache, gute Arbeit und ihm nicht im Weg.

      Um sich nicht als geistlose Vertretung Jakobs zu blamieren, grub Oskar in tiefen Regionen seines Neuköllner Currywursthirns nach abgelegtem Wissen. Die Leiche war angeknabbert, Cumloosen brauchte, um festzustellen, wer da am Werk war, einen Zahnarzt.

      »Hinterlassen die Viecher nicht ihre Zahnreihen?«

      »Die sich überlagern, in der Tat. Außerdem reißen einige Tiere, andere nagen, beißen, zerren.«

      Oskar hob abwehrend die Arme.

      »Wir machen DNA-Proben, dann geht es schneller. Speichelreste, Haare, Fraßspuren, das alles bringen wir in die richtige Reihenfolge und haben den bösen Buben, der zuunterst angefangen hat.«

      »Das heißt, auch Wildtiere könnten sie getötet haben?«

      »Kaum. Es sei denn, sie verfügen über eine Tiefkühltruhe und ein Transportmittel.«

      »Bitte?«

      »Die inneren Organe unseres Opfers waren noch nicht ganz aufgetaut, als ich sie auf den Tisch bekam. Deshalb scheint mir eine natürliche Todesursache sehr unwahrscheinlich. Ich neige sogar dazu, unter diesen Umständen einen Suizid auszuschließen.«

      Aus einem Grund, den er lieber nicht hinterfragen wollte, sah Oskar seine Mutter ihm als Kind Fischstäbchen auftischen. Aus der Pfanne mit dem braunen Plastikheber direkt auf Klein-Oskars Teller. Nur zu Festtagen natürlich, viel zu teuer.

      »Jemand hat sie vermutlich getötet, eingefroren und zu gegebener Zeit an den Auffindort gebracht.«

      Nicht mal gesundes Waldpanorama beim Sterben. Ein Kellerloch, Hinterhof, Hotelzimmer, ein Auto? Es gab unendlich viele Orte in Berlin, einen Menschen ins Jenseits zu befördern, grüne Idylle war nicht gerade die Regel. »Also waren es keine Hunde oder Leute aus dem Wald?«

      »Warum nicht? Ich habe nur gesagt, sie war gefroren. Woran sie starb und wo, weiß ich noch nicht. Mit dem genauen Todeszeitpunkt wird es übrigens auch schwer.«

      »Nun mal langsam, Doktor, für Deppen. Es kann also sein, ein Hund hat sie zerfleischt, sagen wir, vor einer Woche, Herrchen schleppt sie in eine tiefgekühlte Truhe, bringt sie zurück in den Wald und beim Auftauen schlägt sich der Rest des Waldes den Bauch voll?«

      »Klingt aufwendig, aber warum nicht. Vielleicht ist der Kerl Zoologe und wollte erst sein Zubehör zusammenbringen,