Dracheneid. Tilo K. Sandner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tilo K. Sandner
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783939043478
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worden war, war er todmüde auf die Schlafstätte gefallen. Dankbar für diese weiche Unterlage und die Tatsache, dass er sich das Bett nicht noch selbst vorbereiten musste, schlief er mit süßen Träumen von dem schönen Elfenmädchen ein.

      Jetzt hatte er endlich die Gelegenheit, sich erst einmal in Ruhe in seiner gemütlichen Behausung umzusehen. In der Nacht war er dazu viel zu erschöpft gewesen. Das kreisrunde Gebäude bestand aus Lehm, den die Elfen am Mittensee abbauten und der mit besonderem Kieselsand aus dem Nordland vermischt wurde, damit er eine einzigartige Härte erreichte.

      Die Wände waren von innen mit einem weißen Putz verziert, der am Übergang zu dem kegelförmigen Spitzdach mit kunstvollen Skulpturen geschmückt war. Als Erik genauer hinsah, erkannte er dort eine Gruppe von Elfen, die ihrerseits eingerahmt von den riesigen Bäumen des Nasli Karillhs und den verschiedensten Tieren des Drachenlandes waren. Er ging ein paar Schritte auf die Wand zu, um sich diese Figuren näher anzusehen. Da sie so wunderschön aussahen und irgendwie lebendig erschienen, verspürte Erik das Verlangen, sie einmal zu berühren. Doch zuvor fiel sein Blick noch auf einen ordentlich zusammengelegten Stapel von edler Kleidung, die auf einem kleinen Hocker lag. Er berührte den Stoff, prüfte diesen zwischen Zeigefinger und Daumen und war überrascht, wie angenehm sich diese Kleidung anfühlte.

      „Wenn du möchtest, dann darfst du dir diese Gewänder gerne anziehen“, klang plötzlich eine männliche Stimme hinter ihm. Erschrocken drehte sich Erik herum und erkannte in der Türöffnung einen älteren Elfen, mit dem er sich bereits gestern Abend recht lange unterhalten hatte.

      „Hier in Karsarillhmeg endet deine Reise erst einmal. Damit du dich bei uns so wohl wie irgend möglich fühlen kannst, hat unser weiser und weitsichtiger König Erithjull angeordnet, dir diese Kleidung bereitzulegen.“

      „Guten Morgen, lieber Estrilljah“, begrüßte Erik den Elfen.

      „Oh, du hast dir meinen Namen gemerkt. Das freut mich sehr. Ich habe die Ehre, in den nächsten Tagen dein Lehrer zu sein. Wir werden sehr viel Zeit miteinander verbringen, sodass ich dir viel beibringen kann. Nun zieh dich um und komm mit mir zum Frühstück, wo bereits dein Freund Rognagg auf dich wartet.“

      „Freund ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort“, bemerkte der Junge mit einem gehörigen Magengrummeln, als er sich an den wütenden und tobenden Zwerg erinnerte, dem er an der Drachenschule einen dummen Streich gespielt hatte, als er dessen ganzen Stolz, seinen Schnurrbart, abgeschnitten hatte.

      „Er jedenfalls hat zu mir gesagt, dass er sich schon sehr auf dich freut. Nun zieh dich bitte um, ich werde vor der Tür auf dich warten.“

      Genauso leise, wie er die Rundhütte betreten hatte, war der Elf auch schon wieder verschwunden.

      „Oje, das kann ja was werden“, stöhnte Erik, während er nach den Kleidern griff.

      Auf dem Weg zu dem großen Lehmhaus, wo sie bereits das Abendbrot eingenommen hatten, fragte Erik den Elfen nach den verschiedenen kunstvollen Figuren, die er in seiner Hütte am Übergang zum Dach gesehen hatte.

      „Du hast dort nicht nur Elfen gesehen, sondern auch Pflanzen und Tiere. Wenn du dich in die Mitte der Hütte stellst und dich dann langsam im Kreis drehst, erkennst du den Lebenszyklus unseres Volkes. Dieser beginnt mit der Geburt als Elf, führt anschließend über die Wiedergeburt in ein Leben als Pflanze, gefolgt von einem Leben als Tier bis zur erneuten Geburt als Elf. Manchmal wechseln unsere Lebenswege auch und so können wir die Erfahrung als Tier noch vor der als Pflanze machen.“

      „Wir Menschen leben nur einmal. Das ist irgendwie ungerecht, denn ihr lebt als Elfen ja nicht nur viel länger als wir, sondern auch noch viermal. Meine Mutter ist zwar davon überzeugt, dass sie früher schon einmal gelebt hat, aber ich glaube, dass das Quatsch ist.“

      „Warum glaubst du denn deiner Mutter nicht? Wir Elfen würden niemals unsere Eltern in Frage stellen, denn sie haben viel mehr Erfahrung als wir, ihre Söhne und Töchter. Wenn deine Mutter das Gefühl hat, dass sie schon einmal gelebt hat, dann solltest du ihr glauben. Ich will damit nicht sagen, dass es damit unbedingt zu einer Tatsache wird, aber vielleicht hat sie in ihrem Leben etwas erlebt, dass sie daran glauben lässt, zuvor schon einmal gelebt zu haben. Es könnte natürlich auch sein, dass sie sich eine schützende Scheinwelt aufgebaut hat, um vielleicht mit irgendwelchen belastenden Erlebnissen oder schlimmen Träumen, die sie oft beschäftigen, besser in Einklang zu kommen. Wir denkenden Lebewesen sind in der Lage, Dinge aus mehreren Blickwinkeln zu betrachten. Daher wird es nie nur eine einzige Wahrheit geben“, begann der Elf Estrilljah mit seiner ersten Lehrstunde.

      ***

      Knut von Tronte war bereits lange vor Erik erwacht, als der neue Tag noch ganz jung war. Seine Nacht war jedoch nicht annähernd so erholsam gewesen wie die des frechen Jungen. Immer wieder hatte er wach auf dem für seinen Geschmack viel zu weichen Bett gelegen und sich mit Selbstvorwürfen und Ängsten um seinen Sohn Adalbert gequält. Als er dann erkannt hatte, dass er wohl doch nicht mehr einschlafen würde, stand er auf, zog sich seine Kleidung an und wanderte leise in dem Elfendorf umher, um den klaren Morgenduft zu atmen. Vielleicht wäre die frische Luft ja auch dazu in der Lage, seine dunklen Gedanken zu vertreiben.

      „So früh schon auf den Beinen?“, klang unerwartet die melodische Stimme des Elfenkönigs Erithjull neben ihm aus dem Dämmerlicht.

      „Ja, irgendwie konnte ich nicht mehr schlafen“, antwortete der Ritter. Er war erstaunt, dass er die Annäherung des Elfen nicht bemerkt hatte, und darüber, dass selbst der König des Elfenwaldes um diese frühe Stunde schlaflos herumlief.

      „Ich vermute, uns plagen ähnliche Gedanken, wenngleich wir sie bisher aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet haben“, begann der König das Gespräch erneut. „Die Sorgen um unser geliebtes Drachenland, unsere verlorenen Freunde, Brüder und Söhne und das ungewisse Schicksal deines Jungen und unseres Freundes Adalbert rauben uns die nötige Ruhe, die wir zu finden hofften.“

      „Du hast Recht. Natürlich mache ich mir Sorgen um meinen Sohn, aber ich habe in den letzten Tagen erfahren, dass er in der Gegenwart seiner neuen Freunde bisher treuen und guten Schutz erfahren hat. Trotzdem ist man als Vater natürlich ständig in Sorge um seine Kinder“, stimmte ihm der Ritter zu.

      Der Elf schwieg einen Moment, bevor er damit begann, etwas mehr in die Tiefe zu bohren. „Ich spüre, dass das noch nicht alles ist, was dir den Schlaf raubt.“

      Ritter Knut von Tronte war dieses Thema unangenehm, denn er hatte den Eindruck, von dem König ausgefragt zu werden. Daher hielt er sich mit seinen Antworten zurück. Der weise Elf bemerkte das unbehagliche Gefühl bei seinem Gegenüber und kam auf Adalbert zurück.

      „Von deinem Sohn habe ich schon viel über dich und deine Beziehung zu ihm erfahren. Wenngleich ich die Drachenjagd aus meinem tiefsten Inneren verabscheue – entschuldige an dieser Stelle bitte meine schroffen und direkten Worte – hat es mich doch sehr gefreut, dass ihr so viel gemeinsam unternommen habt. Ich kann mir vorstellen, dass dir dein Sohn in den vergangenen Tagen sehr gefehlt hat.“

      „Was heißt hier gefehlt? Ich habe mir nur Gedanken darüber gemacht, wo sich der Bengel die ganze Zeit über herumtreibt“, antwortete Knut von Tronte mit einem Unterton in der Stimme, der dem Elfen zeigte, dass er richtig vermutet hatte. Der stolze Ritter wollte nur nicht den Eindruck erwecken, dass er einen weichen, vielleicht sogar sentimentalen Kern unter seiner sonst so harten Schale hätte.

      „Ich habe Adalbert bereits nach so kurzer Zeit tief in mein Herz geschlossen. Außerdem bin auch ich glücklicher Vater einer bezaubernden Tochter, die mich mühelos um ihren kleinen Finger zu wickeln versteht.“

      Von Tronte sah dem erfahrenen König tief in die Augen und musste dann bei dem Gedanken schmunzeln, dass die liebliche Marilljah ihren stolzen Vater, der stets so unglaublich überlegen wirkte, mit ihren wunderschönen Mandelaugen umgarnte, bis dieser endlich schwach wurde.

      „Wir Väter sind eben auch nur Elfen, beziehungsweise Menschen. Daher kann ich mich recht gut in deine Lage versetzen. Ich weiß, was in deinem Inneren vorgegangen sein muss, als du deinen Sohn nicht mehr auf eurem Hof angetroffen hast und auch noch erfahren musstest, dass