Dracheneid. Tilo K. Sandner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tilo K. Sandner
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783939043478
Скачать книгу
mehr haben, wenn es mal wirklich wichtig sein könnte“, dankte der Elf auf seine Art für die Heilung.

      „Was kann es Wichtigeres geben, als einen guten Freund zu heilen? Außerdem hat mir euer König Erithjull noch etwas von Merthurillhs Tränenöl zur Drachenschule mitgebracht, somit war mein kleines Fläschchen wieder randvoll, bevor wir aufgebrochen sind.“

      „Es ist schon sehr sonderbar, dass uns der große Weiße in der höchsten Not zu Hilfe kam“, meinte Jordill und deutete mit einem Nicken auf den Wolf. „Auch die Tatsache, dass er jetzt, wo du ihn von seinen Wunden geheilt hast, nicht wieder verschwindet, finde ich äußerst interessant. Wenn ich ihn mir so ansehe, wie er nur wenige Schritte hinter dir sitzt, als ob er dich schon seit Ewigkeiten kennen würde, habe ich das Gefühl, dass du schon wieder einen Freund fürs Leben gefunden hast. Weißt du eigentlich, welche Bedeutung weiße Wölfe bei uns Elfen haben?“

      Adalbert zuckte kurz mit den Schultern und bat Jordill, ihm alles über diese schönen Tiere zu berichten, was er wusste.

      „Sie gelten in unseren Erzählungen als Seelenwächter. Schon als kleine Kinder lauschen wir aufmerksam den spannenden Erzählungen unserer Eltern und Großeltern, wenn sie von den Ijsvargs, also den schneeweißen Wölfen erzählen. Der Name Ijsvarg ist kein elfischer Name, er stammt von den rauen Schneekriegern, die mit den Schneewölfen eine enge Partnerschaft eingegangen sind, ähnlich wie ihr Menschen mit den heutigen Hunden, die ja ihrerseits auch vom wilden Wolf abstammen. Sowohl die Schneekrieger als auch die Ijsvargs sind hier im Drachenland normalerweise nicht anzutreffen, sondern leben den Überlieferungen nach weit hinter dem Eisgebirge. Auch wir Elfen haben keinen Kontakt zu den Schneekriegern. Aber es kommt immer wieder vor, dass wir oder die Zwerge des Hochgebirges, einen von diesen Wölfen dabei entdecken, wie er im nördlichen Grenzland umherstreift.

      Den Erzählungen nach sollen diese wunderbaren Tiere in der Zeit des großen Krieges gegen den schwarzen Druiden Rettfill aber vermehrt über die Grenzen gekommen sein. Immer dann, wenn ein bedeutendes Wesen gestorben war. Dann blieb der Wolf stets längere Zeit in der Nähe dieses Verstorbenen, fast so, als hielte er eine heilige Totenwache. Daher gehen wir Elfen davon aus, dass der Ijsvarg die Seelen der Verstorbenen bewacht.“

      Jordill machte eine kurze, nachdenkliche Pause, bevor er in seiner Erzählung fortfuhr. „Sein unerwartetes Auftauchen ergibt somit einen tieferen Sinn, denn er ist bestimmt hier, um die Seele von Allturith zu bewachen, die du in dir trägst.“

      „Dann verstehe ich aber nicht, warum er nicht zuerst den Anführer der Narsokk-Wölfe angegriffen hat, der mich bedrohte“, gab Adalbert zu bedenken.

      „Ich weiß es auch nicht, aber ich vermute, dass er es war, der vor zwei Nächten lautlos um unser Lager herumgeschlichen ist und sich dann in deiner Nähe niedergelegt hat. Ich bin auch davon überzeugt, dass er uns schon die ganze Zeit über beobachtet hat und über jeden unserer Schritte Bescheid wusste. Deshalb denke ich, dass er ebenfalls von der Nähe der Estrilljahner wusste und sich somit auf die größte Gefahr konzentrierte. Wenn du dich erinnerst, stellte er sich ja direkt nach seinem ersten Angriff dem Leitwolf, der dich bedrohte. Der Ijsvarg hat die Gefahr richtig eingeschätzt und gehandelt, wie auch ich es getan hätte“, folgerte der Elf.

      „Aber das würde doch bedeuten, dass er wusste, dass uns die Estrilljahner helfen würden. Meinst du nicht, dass wir hier einem normalen Wolf etwas zu viel Intelligenz unterstellen?“

      „Nicht unbedingt. Da die Ijsvargs den Erzählungen nach von den Schneekriegern auch zu richtigen Kampfwölfen ausgebildet werden, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass sie darauf abgerichtet sind, Feinde von Freunden zu unterscheiden. Wir wissen so wenig über die Estrilljahner und die Schneekrieger. Vielleicht haben sie ja Verbindungen zueinander, treiben miteinander Handel oder sind gar befreundet“, versuchte der Elf eine plausible Erklärung zu finden.

      „Aber warum haben dann die Estrilljahner auf ihn geschossen? Selbst wenn sie mit den Schneekriegern überhaupt keine Verbindungen hätten, müssten sie als entfernte Verwandte von euch doch auch die Erzählungen über die Ijsvargs kennen?“

      „Darauf weiß ich leider keine Antwort. Aber ich denke, dass ihr Hass auf die Narsokk-Wölfe so groß ist, dass sie jeden Wolf töten würden, egal ob dieser grau, schwarz oder weiß ist. Trotzdem glaube ich, dass sie dem Ijsvarg nichts tun wollten, bei dem Durcheinander und den vielen Pfeilen war es wohl eher ein Versehen als Absicht. Obwohl sie zwar mit uns entfernt verwandt sind, sind sie von ihrem Wesen doch völlig anders. Denk an die brutalen Trolle, die ja auch einmal Elfen waren. Das sanfte Wesen der Waldelfen wird seit Ewigkeiten von Generation zu Generation weitergegeben und gepflegt. Daher töten wir nur dann, wenn es unbedingt erforderlich ist und essen niemals Fleisch. Diese Sanftheit wirst du weder bei den Trollen noch bei den Estrilljahnern finden, denn ihr Leben ist von Gewalt geprägt.“

      „Es gibt aber eine Ausnahme bei den Trollen, nämlich Orax. Wir haben ihm viel zu verdanken. Hätte er uns damals in der Höhle des grässlichen Feuerkopfes Furtrillorrh nicht befreit, hätte uns dieser Drache ganz sicher bestialisch ermordet. Kaum zu glauben, dass er Merthurillhs Bruder ist.“

      „Du hast Recht, Adalbert. Wir stehen tief in Orax’ Schuld. Aber vergiss nicht, dass er ein Anführer der Trolle ist. Diesen Rang hat er sich ganz bestimmt nicht durch Nettigkeiten verdient. Trotzdem würde ich mein Leben für ihn geben.“

      Als sich Jordill nun dem weißen Wolf zuwandte und zwei Schritte auf ihn zu ging, wich dieser unerwartet zurück.

      „Es ist so, wie ich es bereits vermutet habe, der Ijsvarg ist wegen dir beziehungsweise wegen der Seele von Allturith hier.“

      Jeder Elf hatte eine natürliche Verbundenheit zu Tieren, aber bei Jordill war es deutlich mehr, er empfand eine tiefe Zuneigung für sie. Von seinen Brüdern war er es, der die Tiere am meisten liebte und der sich auch am intensivsten mit Tork beschäftigt hatte.

      Adalbert bedauerte, dass der Elf von dem Wolf zurückgewiesen worden war, und wollte versuchen, den weißen Riesen dazu zu bringen, sich von Jordill berühren zu lassen. Deshalb kniete er sich in den Schnee und streckte dem Schneewolf die offene Hand entgegen, um ihn vorsichtig anzulocken. Doch auch bei ihm reagierte der Wolf nicht so, wie er es erwartet hatte, sondern er drehte sich um und trottete in der gleichen Richtung davon, wie zuvor die fürchterlichen Narsokk-Wölfe, als ob ihm die beiden Zweibeiner völlig gleichgültig wären. Nun war auch Adalbert enttäuscht.

      „Wenigstens hat er uns nicht böse angeknurrt oder uns gar angegriffen“, tröstete ihn der Elf. „Weißt du, der Wolf geht seinen eigenen Weg. Die Schneekrieger haben ihn so wild erzogen, damit er nicht zu zutraulich wird. Die Aufgabe der Ijsvargs ist schließlich die Jagd auf große Tiere und der Kampf gegen jegliche Feinde der Schneekrieger. In unseren Erzählungen sollen sie genauso mutig gegen Bären kämpfen wie gegen Trolle oder gar Drachen. Seinen unerschütterlichen Mut hast du ja vorhin selbst gesehen, als er sich fünf riesigen Narsokks entgegengestellt hat. Wir werden uns wohl damit begnügen müssen, dass wir ihn wenigstens vorhin, als du seine Wunden versorgt hast, kurz streicheln durften.“

      „Ich glaube, dass wir ihn schon bald wiedersehen werden. Sollte er wirklich wegen Allturiths Seele hier gewesen sein, dann ist seine Aufgabe im Drachenland ja noch nicht erledigt.“

      „Das glaube ich auch“, stimmte ihm Jordill zu.

      Ohne weitere Worte packten sie ihre Habseligkeiten zusammen, traten noch einmal an die Stelle heran, an der Tork gestorben war, verabschiedeten sich mit dem Elfengruß von ihm und machten sich auf den weiteren Weg durchs unwegsame Eisgebirge, dem Kalten Finger entgegen.

       Im Nasli Karillh

      Die erste Nacht im Elfenwald brachte Erik einen tiefen und erholsamen Schlaf. Als er sich von seiner weichen Schlafstätte erhob und genüsslich seine müden Glieder reckte, kam es ihm beinahe so vor, als wären die Strapazen der letzten Tage in dieser herrlich ruhigen Nacht völlig von ihm abgefallen.

      Als er am Vorabend nach dem köstlichen Abendessen, begleitet von den wohlklingenden Liedern der hübschen