Beau schloss die Augen. „Monate. Was war noch mal der Grund, weshalb wir so lange warten?“
„Dass sie noch genügend Zeit hat, um zu merken, was für einen Riesenfehler sie macht“, antwortete Zac.
Beau warf seinem Bruder einen kurzen Blick zu, während Paige zurückkam, gegenüber von Riley in die Sitzbank rutschte und die anderen beiden Frauen begrüßte.
„Stimmt es, was ich über das Tierheim gehört habe?“, fragte Lucy bestürzt.
Riley sah Paige daraufhin durchdringend an. Sie waren die ganze Woche zusammen gewesen, die meiste Zeit zu zweit, und sie hatte nicht einmal andeutungsweise etwas davon gesagt, dass es Probleme gab. „Was ist denn mit dem Tierheim?“, fragte er.
Paige lächelte angestrengt, und ihr Blick ging flackernd in der Gruppe umher.
„Ach, wir haben nur ein paar finanzielle Probleme, sonst nichts.“
„Charlotte hat gesagt, dass sie das Tierheim schließen muss“, berichtete Lucy, was sie von der Besitzerin des Frumpy Joe’s gehört hatte. „Das hätte der Vorstand gestern beschlossen.“
„Ist das wahr?“, fragte Riley jetzt nach, doch er sah Paige auch so schon an, dass es stimmte. „Wieso hast du mir denn nichts davon gesagt?“
„Ach, so dramatisch ist es doch gar nicht. Ich habe noch drei Monate Zeit bekommen, die Sache wieder ins Lot zu bringen. Das wird schon klappen.“
„Und wie willst du das machen?“, fragte Eden.
„Indem ich neue Sponsoren auftue, eine Spendenaktion veranstalte und Zuschüsse beantrage.“
Mit gerunzelter Stirn sah Riley sie an und fragte: „Und wann willst du das alles machen? Dazu hast du doch gar nicht die Zeit.“
„Abends und an den Wochenenden. Manches davon kann ich auch bei der Arbeit erledigen, wenn nicht so viel los ist. Bei den Anträgen für Zuschüsse hilft mir Lauren – in Papierkram ist sie wirklich ein Ass. Ihr werdet sehen, das wird schon alles klappen.“
Jetzt schaute Riley Paige noch einmal etwas genauer an und sah, wie angespannt ihre Augenpartie wirkte, bemerkte die Sorgenfalten auf ihrer Stirn und wie sie nervös an ihrer Serviette zupfte.
„Wenn du Hilfe brauchst, eine Spendenaktion zu organisieren, dann sag Bescheid“, bot Eden an. „Ich kann einen Spendenaufruf oder was du sonst brauchst, auf die Homepage des Tierheims setzen.“
„Auf mich kannst du auch zählen“, sagte Lucy.
„Danke, Mädels. Das ist wirklich lieb von euch.“
In dem Moment kam die Bedienung, um ihre Bestellungen aufzunehmen. Rileys Magen knurrte vor Hunger, als eine andere Kellnerin mit einer Portion Chickenwings vorbeikam.
„Wie läuft denn deine Physiotherapie?“, fragte Beau, während die Mädels ein eigenes Gespräch begannen.
„Gut. Mein Therapeut erinnert mich an meinen Offizier in der Grundausbildung.“
„Na, das klingt ja nach jeder Menge Spaß“, bemerkte Zac.
„Alles ist gut, was mich wieder auf die Beine bringt.“ Auf das Bein.
„Wenn du mal jemanden brauchst, der dich fährt, sag Bescheid“, bot Beau seinem Bruder an.
Dann sprachen sie über das Spiel der Red Sox. Riley hatte seinen Blick die ganze Zeit fest auf den Fernsehbildschirm gerichtet und tat so, als würde er es aufmerksam verfolgen.
Schon seit dem Morgen, als er auf dem Weg zur Therapie am Hafen vorbeigekommen war, fühlte er sich niedergeschlagen. Der Anblick der Hummerfischer, die ihre Boote zum Auslaufen fertig machten, die Kennzeichen auf den Bojen, deren Bedeutung er noch genau kannte – alles erinnerte ihn an die Zeit, als er einer von ihnen gewesen war. Es fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube.
Eigentlich hätte er jetzt mit den anderen Fischern draußen sein sollen, um Hummerfallen einzuholen und nachzuschauen, wie der Fang an diesem Tag war.
Er verspürte eine unendliche Sehnsucht danach, wieder aufs Meer hinauszufahren, den salzigen Wind im Gesicht zu spüren, zu arbeiten wie sein Vater und davor schon dessen Vater. Der Hummerfang lag ihm im Blut.
Aber damit war es jetzt vorbei. Beau und Zac hatten es nur noch schlimmer gemacht, indem sie so taten, als könnte er einfach eine Prothese anschnallen und dann wieder aufs Boot steigen.
Selbst für einen starken und gesunden Mann war der Job schon schwer und nicht ungefährlich. Er hatte schon Stiefel und Handschuhe verloren, wenn er sich in den Leinen und Schnüren der Takelage verheddert hatte, das passierte den meisten Hummerfischern hin und wieder. Zum Glück hatte er sich noch nie mit einem ganzen Körperteil verheddert und war über Bord gegangen, aber mit einer Prothese würde er niemals die Gewandtheit und Schnelligkeit haben, die er an Bord brauchte. Zumindest würde es sicher Jahre brauchen, um sie zu erlangen.
Jetzt weckte etwas am Gespräch der Mädels seine Aufmerksamkeit, und er hörte genauer hin, den Blick aber immer noch fest auf den Fernsehbildschirm gerichtet.
„Ist das nicht der, der letztes Jahr im Sommer bei der Auktion deinen Picknickkorb ersteigert hat?“, fragte Lucy gerade.
„Ja, genau der“, bestätigte Paige. „Wir sind danach noch einmal miteinander ausgegangen, aber er hatte gerade eine längere Beziehung hinter sich und hat gesagt, dass er noch Zeit bräuchte. Vor einem Monat hat er mich dann wieder zu einem Date eingeladen. Freitag ist jetzt schon unser fünftes.“
Das fünfte? Er warf Zac einen finsteren Blick zu, aber der war so mit dem Footballspiel im Fernsehen beschäftigt, dass er nicht reagierte. Vielen Dank auch, dass du mir Bescheid gesagt hast, Kumpel.
„Und wohin geht ihr?“, fragte Lucy.
„Keine Ahnung. Er will mich überraschen.“
„Er hat so schön verträumte braune Augen“, meinte Eden jetzt.
„Wie ein Welpe“, fügte Lucy hinzu. „Hat er dich denn schon geküsst?“
Riley zerknüllte die Serviette auf seinem Schoß und kämpfte gegen den Impuls, sich die Ohren zuzuhalten. Er war froh, als die Red Sox in diesem Moment den Ausgleich erzielten und die anderen Gäste laut applaudierten und jubelten, sodass er Paiges Antwort nicht mitbekam. Er wollte sich nicht vorstellen, wie dieser andere Kerl sie küsste. Dieses Privileg hatte er nur ein einziges Mal gehabt. Er erinnerte sich daran noch ganz genau, und diese Erinnerung wollte er sich nicht verderben lassen.
„Seine Schultern sind wie gemacht, um sich daran auszuheulen“, sagte Lucy jetzt gerade. „Er ist doch auch in unserer Gemeinde, oder?“
Braune Augen, ihre Gemeinde … er hatte immer noch keine Vorstellung, um wen es da ging.
„Starker Glaube, starke Schultern … was will man als Mädel mehr?“, sagte Lucy.
Riley biss die Zähne zusammen und starrte auf den Fernseher.
„Gehört seiner Mutter nicht das Mangy Moose?“, fragte Eden. „Ich war im Frühjahr mal dort, als ich nach einer Kleinigkeit für Micah gesucht habe. Wir haben eine Weile geplaudert.“
„Ja, genau.“
Dann war also von Dylan Moore die Rede. Er war Hummerfischer wie Riley und stammte ebenfalls aus einer Familie, die schon seit Generationen vom Hummerfang lebte. Aber er hatte noch beide Beine. Und offenbar verträumte braune Augen.
„Du musst uns hinterher unbedingt von dem Date erzählen“, sagte Lucy jetzt.
Dann ging es in dem Gespräch um die anstehende Hochzeit von Eden und Beau, und Rileys Gedanken schweiften ab. Es war schwer gewesen, mit anzusehen, wie Paiges Beziehung zu seinem Bruder immer ernster wurde. Doch kurz vor