Sofort war der Tisch von allen Kobolden und Minitrollen umringt und Barbaron war wieder einmal ganz in seinem Element. Er beschwor seinen Kompass und ließ ihn nach dem Zauberstab für die Truhe suchen. Zum Erstaunen aller zeigte der Kompass an, dass sich dieser Zauberstab in Penda, der einstigen Heimatstadt der Janus-Elfen, befand. Barbaron fragte sogleich nach dem Schlüssel. Der befand sich in Saphira. Nun fragte der kleine König nach den Gorgoden. Wie erwartet waren sie ebenfalls noch immer in Saphira. Die letzte Antwort war jedoch für Barbaron sehr erstaunlich. Er fragte den Kompass nach dem Aufenthaltsort von Vagho. Der Kompass zeigte ihm an, dass Vagho sich immer noch in der Nähe der alten Schlangenfestung aufhielt. »Dieser Kerl lässt sich viel Zeit«, meinte der kleine König. »Das könnte uns einen guten Vorsprung verschaffen. Den sollten wir auf jeden Fall nutzen.«
Albanarius stimmte mit einem Nicken zu und griff nach seinem Becher. Doch der war leer und das verlegene Lächeln des Hauptmanns zeigte ihm, dass der Minitroll schneller war, als er selbst. Er goss sich den Becher wieder voll und trank ihn sogleich aus. Dann sah er zu Artur und seinen Brüdern.
Die Kobolde flüsterten schnell einige Worte miteinander und Snobby erklärte anschließend dem Zauberer ihre Entscheidung. »Wir machen es so, wie du es vorgeschlagen hast. Soldatis und die Minitrolle sollten jedoch versuchen, den Fluch von den Janus-Elfen zu nehmen. Dann wären sie nicht mehr so gefährlich und wir hätten es alle ein wenig leichter. Außerdem müssen sie sich um diesen Vagho kümmern.«
Albanarius griff zur Weinkanne und füllte sich noch einmal seinen Becher. »Opyhra hat vor langer Zeit dem Zauberer Meerland das Herz gebrochen. Dieser weiße Zauberer hat sie geliebt und sie hat ihn verraten. Ich weiß nicht mehr genau, was damals alles geschah, doch Meerland war so wütend, dass er sich nicht mehr beherrschen konnte. Opyhra hatte ihm einen Brief zukommen lassen. Noch am selben Tag brach Meerland mit einem sehr starken Zauberstab auf und ging nach Penda. Dort hat er die Frau, die er über alles liebte, mit ihrem Gefolge verflucht und gebannt. Den neuen Liebhaber dieser Frau hat er zu Stein erstarren lassen. Noch heute wird er in seinen Händen Meerlands Zauberstab halten. Welch ein glücklicher Zufall, dass Cylor diesen Zauberstab ebenfalls beherrscht. Er hatte ihn Meerland einst geschenkt. Die größte Schwierigkeit ist der Schlüssel, den wir finden müssen. Nur mit seiner Hilfe können wir die Truhe öffnen und mit ein wenig Glück gelingt es Cylor, Meerlands Fluch von den Janus-Elfen zu nehmen. Dazu muss er Meerlands Zauberstab aus den steinernen Händen von Opyhras Liebhaber ziehen. Sie könnte es zu jeder Zeit selbst machen, doch dann würde sie mit ansehen, wie das Standbild ihres Liebsten zu Staub zerfällt und das würde ihr das Herz brechen. So habe ich jedenfalls diese Geschichte noch im Kopf behalten. Deshalb bleibt das Standbild, was es ist. Darüber ist sie bestimmt selbst sehr wütend und sie wird Meerland jeden Tag und jede Nacht verfluchen.«
Soldatis nahm seine Keule und streckte sie Albanarius entgegen. »Morgen früh weckst du deinen alten Freund und sorgst für sein Wohlbefinden. Es wäre sehr gut, wenn er sich an seine einstigen Kräfte erinnern könnte. Sobald alle Vorbereitungen getroffen sind, brechen wir auf. Die Minitrolle werden bestimmt sehr schnell im Silbergebirge ankommen. Dort sollten sie sich erst mal verstecken und nach allen möglichen Feinden spähen. Ich werde wohl erst am zweiten Tag nach meinem Abflug eintreffen. Wir werden nach dem Schlüssel und den Gorgoden suchen und ihr findet hoffentlich den Zauberstab.
Albanarius hob seinen Becher und trank ihn mit einem Zug aus. »Dann lasst uns schnell zur Ruhe kommen«, meinte er und stellte den Becher auf den Tisch. »Der morgige Tag wird uns zu zwei gefährlichen Orten in das Silbergebirge führen. Da sollte man gut ausgeschlafen sein.«
Nun hielten sich die Minitrolle nicht länger zurück. Aufgeregt schwatzten sie alle durcheinander und auch der Kleinste von ihnen meinte, gerade er hätte noch etwas Wichtiges zu bedenken und zu fragen. Doch sie fanden auch in dieser, wie in jeder Nacht, alle ihren wohlverdienten Schlaf.
Die Geister der Sklaven
Vagho brach am folgenden Morgen sehr zeitig auf. Er nahm ein kräftiges Frühstück zu sich und ging dann zu Dämonicon. Der schwarze Zauberer schärfte ihm noch einmal ein, wie wichtig für ihn die drei Gorgoden waren. Dann ließ er Vagho zur Stadt Saphira ziehen.
Der Schattenalp stieg vor dem Eingang der Grotte auf seine Flugschale und erreichte schnell eine ordentliche Höhe. In dicke Felle gehüllt, spürte er die Kälte nicht so schnell. Vagho hoffte, dass es bald wärmer würde, wenn er das Drachengebirge erst einmal hinter sich gelassen hatte. Tatsächlich war in der Ebene von Banda der Wind nicht mehr so eisig. Trotzdem musste der Schattenalp in der Nähe eines Baches landen, denn seine Glieder waren völlig steif. Außerdem hatte er Angst, dass er sich nicht mehr lange auf seiner Flugschale halten konnte. Ein Sturz aus großer Höhe wäre sein Tod gewesen.
Nachdem es ihm gelungen war, ein Feuer zu entfachen und ein Stück geräuchertes Fleisch aufzutauen, aß er es hastig auf. Dabei schaute er sich immer wieder um, denn das Heulen eines Wolfes zeigte ihm die Gefahr an, die bereits auf ihn lauerte.
Vagho trank noch einen Schluck aus seiner Kürbisflasche und löschte dann das Feuer. Für den Wolf war dies wohl das Zeichen zum Angriff. Doch Vagho hatte keine Lust, dem grimmigen Tier mit seinem Zauberstab Manieren beizubringen. Er setzte sich auf seine Flugschale, hüllte sich in seine Felle und stieg schnell in eine sichere Höhe auf.
Ohne sich noch einmal umzusehen, flog der Schattenalp davon und der Wolf sah ihm erstaunt hinterher. Der Flug ging weiter zu dem Fluss Brag, der die Ebene von Braganda in zwei Teile spaltete. Um den Flug über das raue Meer zu vermeiden, flog Vagho im weiten Bogen zu der alten Festung Zandum. Er hielt einen großen Abstand zu diesem Ort, damit ihn die Wachen des Königs Core nicht entdecken konnten.
Nach dem der Schattenalp eine zweite Rast in den Wäldern des Tieflandes eingelegt hatte, flog er geradewegs nach Süden. Hinter den Wäldern des Tieflandes empfing ihn ein wohltuend warmer Wind. Vagho streifte seine Felle ab und band sie zu einem Bündel zusammen, das er sich auf den Rücken binden konnte. Dann hielt er nach den Bergen des Silbergebirges Ausschau.
Die Sonne ging jedoch langsam unter und so musste der Schattenalp seine dritte Rast einlegen. Zu seinem Glück fand er in dem weiten und flachen Steppenland, das nördlich des Silbergebirges lag, einen großen Baum. Vagho überlegte nicht lange und kletterte einfach auf einen seiner dicken Äste. Er war nicht sehr bequem, doch er bot genügend Schutz gegen die Wölfe und andere Jäger der Nacht. Mit einem festen Seil konnte sich der Schattenalp so an den Baum binden, dass er im Schlaf nicht herunterfiel.
Die Nacht war jedoch von den Schreien der Eulen und Käuze erfüllt und die Wölfe jaulten so laut, dass Vagho kaum ein Auge zubekam. Immer wieder sah er sich um und seine rechte Hand fuhr mehr als einmal zu seinem Zauberstab. Doch er brauchte ihn nicht aus seinem Gürtel ziehen. Die Tiere griffen ihn nicht an. Als er am nächsten Morgen doch noch ein wenig Schlaf fand, da kamen ihm im Traum die Zentauren entgegen. Sie zerrten an ihren Sklavenhalsbändern und schrien ihn an. Er konnte sie nicht verstehen, doch er sah ihre Waffen. Sie drohten ihm und Vagho wollte immer weiter zurückweichen. Doch er konnte es nicht und er schrie vor Angst auf.
Der Schattenalp erwachte und sah in das Licht der Sonne. Sie war schon längst aufgegangen und Vagho brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass er nur geträumt hatte. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und löste das Seil vom Baum. Bevor er herunterkletterte, sah er sich die nähere Umgebung an. Es war weder ein Feind noch ein Tier zu sehen und so schaute der Schattenalp nach Süden. Dort standen in all ihrer majestätischen Schönheit die Berge des Silbergebirges.
Vagho stand auf dem dicken Ast des Baumes, hielt sich an der rauen Borke des Stammes fest und betrachtete für einen Moment diese Berge. Sie waren wirklich so beeindruckend, wie er es schon so oft gehört hatte. Der Schnee, der selbst im Sommer auf den höchsten Gipfeln lag, glänzte im Schein der Sonne wie reines Silber.
Vagho kletterte geschickt vom Baum und suchte sich ein wenig Holz für ein Feuer. Er bereitete sich ein Frühstück