Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783957840127
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eine Frau hätt’ – aber vorsichtigerweis hat er noch keine.«

      Die Herren tranken langsam weiter und aßen Käse. Korts hatte einen guten Zug.

      »Wie heißen denn Sie mit dem Vornamen?« wollte Wichmann von ihm wissen.

      »Wie kann ich wohl heißen? Das sollten Sie raten. Aber ich will Sie heute nicht mehr überanstrengen. Robert heiße ich, und wenn Sie nicht mich, sondern bei mir daheim gefragt hätten, so wüßten Sie es noch genauer: Robert der Teufel.«

      »Darauf sind Sie stolz?«

      »Selbstverständlich.«

      »Fräulein Hüsch würde Sie dann Rob nennen, oder wenn sie zärtlich ist, Robby.«

      »Meinen Sie?«

      »Das weiß ich.«

      Der Wein duftete sonnensüß.

      »Wie ist die Lotte eigentlich?« fragte Wichmann. »Eine Blume ist sie nicht mehr … eine Frucht … oder schon ein wenig gegoren?«

      Korts lachte betroffen und ohne aufzusehen.

      Wichmann bot Zigaretten an. Die blauen Wölkchen schienen die Luft sichtbar zu machen und entfernten die Gegenstände und die fremden Gäste. Oskar Wichmann empfand ein steigendes Wohlgefühl nach den Erregungen des Tages. Sein Blut lief schneller, sein Selbstvertrauen wurde sicherer.

      Casparius hatte eine Kunstfigur in die Luft geblasen.

      Ein schönes Fragezeichen.

      »Wichmann löst es«, sagte Korts.

      Wichmann blies gegen den Dunst; er wandelte sich in andere Gestalten.

      »Nix als Rätsel«, sagte Casparius.

      Man ließ den Rauch nachdenklich seine Bahnen ziehen.

      Korts wurde zutraulich. »Wichmann – im Vertrauen – im tiefen Vertrauen … Sie stehen auf dem Lotos … sitzen in der Liste … schscht … sagen Sie nichts, es ist wahr. Ihr Vater ist Christlicher Gewerkschaftsführer von Boschhofers Partei. Sie haben das Fragezeichen gelöst, und Sie werden jetzt Regierungsrat. Wichmann, ich bestelle auf Ihre Kosten eine Flasche! Seien Sie still, Wichmann, ich weiß alles.«

      »Korts, Sie sollen Ihre Flasche haben, aber dann halten Sie auch den Mund, es ist ja alles gar nicht wahr.«

      »Geben Sie mir die Flasche, Wichmann, und lassen Sie mir die Lotte Hüsch.«

      »Geschenkt, Korts.«

      »Sie sind ein Frauenjäger, Wichmann. Aber lassen Sie mir die Lotte Hüsch, Herr Regierungsrat in spe, und bleiben Sie bei Ihrem Fragezeichen!«

      Wichmann wußte nicht recht, ob Korts besoffen war oder sich so stellte. Er lachte.

      Eine staubige Flasche kam und wurde geöffnet. Korts schämte sich nicht, sie allein zu trinken. »Auf Ihr Wohl, Herr Regierungsrat. Wissen Sie, was ein Fragezeichen wird, wenn man es umdreht?«

      »Was denn?«

      »Ich weiß nicht mehr. Ober, machen Sie ein Fragezeichen und drehen Sie es um … ja? Was ist es dann?«

      »Ein ›S‹, meine Herren.«

      »Ein Staatssekretär! Wichmann, Sie haben eine große Zukunft!

      Aber erst, wenn ich Minister … Warum bekomme ich denn kein Käsebrot mehr?«

      »Essen Sie nur, Robby.«

      »Der Josef Boschhofer und der Justus Grevenhagen sind nur Kalkberge! Wenn ich Minister bin, Wichmann, sollen Sie sehen … sollen Sie sehen … da mach’ ich Fragezeichen!«

      ›› … ha, des glaub’ ich also auch. Fragezeichen, daß einer Sau grausen könnt!«

      »So ist es, Kaspar! Daß einer Sau graust … grausaust … Lassen Sie mich zufrieden. Ich werde jetzt Oberregierungsrat, oder die ganze Hütte fliegt in die Luft! Die Lotte spricht Englisch, Französisch und Italienisch, sie will einen Minister oder einen Diplomaten zum Ehemann haben. Ich werde vorläufig Oberregierungsrat …«

      Korts trank sein letztes Glas aus.

      »Ich stift’ auch eine, Herr Korts. Jetzt fängt’s an, sich zu lohne.«

      »Jetzt langt’s auch ohne, Kasperl. Mit der Pritsche müßte man kommen und die Großmütterbeamten totschlagen! Kasperl, geben Sie acht, wenn ich mit der Pritsche komme! Seid Ihr alle da? Ja!«

      Korts hatte seine Papierserviette zusammengedreht, so daß sie steif war, und klatschte damit auf den Tisch. »Der Baier: Lieber Herr Regierungsrat, so schnell geht das nicht, was denken Sie sich – klaps – die Schmock: Nein, Herr Regierungsrat, ich habe so viel andere eilige Arbeiten – klaps – die Lotte: Manieren wie ein Kongonigger – klaps – der Pöschko: Dann wenden Sie sich bitte an den Referenten – klaps – der Grevenhagen: Ihre Ernennung kann nicht vorweggenommen werden – klaps – der Boschhofer und der St … klaps, klaps – Kasperl, habe ich gut gearbeitet?«

      »… ’s tut’s, Herr Oberregierungsrat, ’s tut’s.«

      »Ich bin Robert der Teufel … haut sie, daß die Fetzen fliegen! … Kinder, Kinder, in einem Alter, in dem andere Leute die Welt erobert haben, sitzen wir herum wie das Stallvieh und lassen unsern Geist melken, damit andere die Sahne trinken! Es ist zum Auswachsen. Ich wachse aus, Kasperl, geben Sie acht auf meine Triebe! Sie werden sich alle noch die Augen reiben, wenn der Kalk von den Wänden fällt! Bei den IG-Farben hatte ich schon eine eigene Unterabteilung … und was bin ich heute bei unserem JG? Die Lotte hatte ganz recht, nur hinaus aus dem Mief, bevor man erstickt ist! Kasper, wenn ich einen Mercedes habe, lad’ ich Sie ein!«

      »In zehn Jahren, Herr ›Ministerialrat‹…«

      »Ho! Zehn Jahre! Kasper, in zehn Jahren bin ich Generaldirektor oder Oberbürgermeister oder Minister, und die Lotte würde sich die Finger schlecken, wenn sie mich dann noch kriegte … aufs Wohl!«

      Wichmann schaute aufmerksam auf Korts, wie ein Junge, der mit den Händen in den Hosentaschen dasteht und das Platzen eines Knallfrosches bewundernd beobachtet. Der Wein hatte Wichmann beschwert und ruhig gemacht, und er aß langsam das folgende Käsebrot. »Sie waren bei den IG-Farben?« fragte er Korts erstaunt.

      »Vier Jahre, 1923 bis 1927. Lemme und Boschhofer haben mich ins Ministerium geholt, um der Juristeninzucht etwas frisches Blut zuzuführen!«

      Korts war für Wichmann ein neuartiges und seltsames Phänomen. Er selbst war immer ehrgeizig gewesen, aber vor der Prophezeiung der eigenen Karriere in der Manier Robert des Teufels hätte er sogar im Suff noch eine abergläubische Furcht gehabt.

      Korts zählte Schweizer-Käse-Löcher.

      »Wichmann, wenn ich nur wüßte, was Sie an sich haben! Sie haben etwas für Frauen und für Ministerialdirektoren! Sie sind so still und rätselhaft mit Ihren dunkelblauen Augen und so unschuldig und entwicklungsfähig! Die Lotte hat Sie heute angeschaut, daß einer eifersüchtig werden könnte, und Sie sind kalt geblieben! Wenn ich nur wüßte, was Sie mit dem Boschhofer gemacht haben, der ist auch verliebt in Sie! Wichmann, Sie sind ein stilles Wasser, und stille Wasser sind gefährlich.«

      »Ich gebe Ihnen noch mal die Flasche, Korts, aber das ist die letzte. Sonst muß ich Kredit nehmen und kann der Hüsch morgen die hundert Mark nicht leihen.«

      »Geben Sie mir die Flasche, Wichmann, ich will dann ruhig sein und niemandem mehr sagen, daß Ihr Vater Christlicher Gewerkschaftsführer und Mitglied der Zentrumspartei ist.«

      »Wer hat denn diesen Mist aufgebracht?!«

      »Ha no … ischt denn des net wahr?«

      »Keine Rede davon. Mein Vater war Universitätsprofessor und hat nie einer Partei angehört.«

      »Ha no, jetzt sage Sie … aber sage Sie’s net so laut, denn für die Lischte ist der Irrtum wahrscheinlich besser! Aber wir haben uns auch immer schon gewundert, daß sich der Grevenhagen ausgerechnet einen Zentrumsmann