Torus der Tloxi. Matthias Falke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Falke
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957770301
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will keiner der Letzte sein …«

      Ich lehnte die Schulter an Jennifers rückwärts ausgeklappten Oberarm und spielte mit dem kurzen Stoppelhaar über ihren Schläfen.

      Eigentlich beschäftigte mich etwas ganz anderes.

      »Das ist sehr menschlich gedacht«, gab ich zu bedenken. »Ein Anthropozentrismus. Wir wissen ja noch gar nicht, was diese – Leute für Begriffe von Taktik oder Realpolitik, von Macht oder Interessensabwägung haben.«

      Rogers war von dem Einwand nichts weniger als getroffen.

      »Selbstverständlich«, sagte er lapidar. »Dem dienten zum einen die bilateralen Vorgespräche. Zum anderen werden wir auch hier noch einmal viel Zeit dafür ansetzen, die kulturellen Eigenheiten abzuklopfen. Wir müssen erst einmal eine gemeinsame Sprache finden.«

      Gerade, wie er das sagte, zog eine weitere sonderbare Abordnung vorbei. Sie bestand aus zwei fremdartigen Wesen, die in schlangenhaften Bewegungen mehr zu tanzen als zu gehen schienen. Dabei waren sie mit ihren schmalen, jadegrün schimmernden Gliedern am ehesten zwei anmutigen Pflanzen vergleichbar, Orchideen etwa, Orchideen von annähernd menschlicher Größe, deren feine grüne Stängel in kopfgroße blau-rote Knospen mündeten.

      Rogers nickte mir vielsagend zu. Ich versuchte, ein pfiffiges Gesicht zu machen.

      Mit weit ausholenden, schlingernden Schritten glitten sie an uns vorüber. Ihre Gliedmaßen wirkten ebenso filigran wie zerbrechlich. Ich fragte mich, ob sie nackt waren oder ob die smaragdgrün irisierende Haut ein hauchdünner selbstregulierender Ganzkörperanzug war, ein KI-gestütztes Polymer, wie wir sie für die Außenbeschichtungen unserer Raumschiffe verwendeten.

      »kuLau«, flüsterte Rogers.

      Ich sah den beiden Wesen nach, wobei mir schien, dass ihre schlangenhaft fließenden Bewegungen synchronisiert und vollkommen aufeinander abgestimmt waren. Ein Ballett weit mehr als profane Fortbewegung.

      »Eine kleine Delegation«, war alles, was mir zu bemerken einfiel.

      »Sie treten stets zu zweit auf«, zischte Rogers.

      Der Anblick hatte mich in eine ästhetische Stimmung versetzt, dass ich das »Auftreten« unwillkürlich auf eine theatralische Vorstellung bezog.

      »Ihre – Köpfe«, sagte ich leise, »sie sehen wie Knospen aus …«

      Wieder dieses wissende Grinsen.

      »Warte nur, bis sie erblühen!« Und damit ließ er es bewenden.

      Wenig später traf der Nuntius des Prana-Bindu-Ordens mit seiner Entourage ein. Die Delegation war direkt von ihrem Sitz auf dem Gebirgsplaneten Musan hierher gekommen. Jennifer sprang auf und eilte auf die ehrwürdigen Äbte und Mönche zu, deren Gewand sie küsste und deren Stirn sie mit der ihren berührte. Der Nuntius war niemand anderes als Lama Töndup persönlich, der Großmeister des Prana-Bindu-Ordens, Nachfolger Seiner Heiligkeit Tsen Resiqs und amtierender Abt der Großen Gompa von Loma Ntang. Er segnete Jennifer, indem er ihr beide Daumen an die Nasenwurzel legte und eine Beschwörungsformel murmelte.

      Der Orden, erläuterte Rogers unterdessen, hatte die offizielle Neutralität der anderen Nationen noch dahingehend unterboten, dass man erklärt hatte, nur in beobachtender Mission an dem Kongress teilzunehmen. Das konnten ja schöne Verhandlungen werden, bei dem alle vorgaben, von interesseloser Unabhängigkeit zu sein, während die Raffinierteren ein bloßes Monitoring betrieben. Diplomatisches Mikado: Wer sich zuerst bewegte, hatte verloren.

      Was die Abgesandten des Prana-Bindu-Ordens betraf, so konnte an ihrer politischen Integrität kein Zweifel sein. Sie waren der Union seit Langem eng verbunden, was sich schon darin niederschlug, dass die Anfangsgründe der Prana-Bindu-Meditation seit Jahrzehnten auf der Akademie gelehrt wurden und zum Curriculum angehender Offiziere gehörten. Vielleicht war es nicht von Schaden, dass es eine moralische Instanz gab, die außerhalb des protokollarischen Kleinkriegs stand.

      Doch dann zog eine Delegation unsere Blicke auf sich, die uns den Atem nahm. Zwölf Wesen stapften vorbei, deren Anblick uns das Blut gefrieren ließ. Ihre Stiefel mussten mit Stahl beschlagen sein, denn ihre Schritte hallten in der weiten Kuppelwölbung wider und schmerzten in den Ohren. Und das Fauchen und Knurren, das sie dabei ausstießen und das wohl ihre Sprache war, hätte hingereicht, einen alten Veteranen erbleichen zu lassen. Wenn wir über die Sineser immer gespottet hatten, sie sähen aus wie Nilpferde, die man in Uniformen gesteckt hatte, so waren das hier Säbelzahntiger, die sich unbeholfen am aufrechten Gang versuchten. Ihren Kampfanzügen entquollen die roten Zotteln eines Raubtierfells. Ihre Katzenaugen loderten gefährlich. Und ihre handlangen Hauer wetzten, während sie einander anbrüllten, die mächtigen Unterkiefer.

      Ihre Uniformen prangten voll schwarzer und roter Orden. Offenbar waren sie alle militärisch hochdekoriert. Soweit es in der Kürze möglich war, glaubte ich fein ausdifferenzierte Rangabzeichen zu erkennen. Geschlechtsmerkmale sah ich dagegen keine.

      Ein kleiner Trupp von Tloxi, der ihnen entgegenkam, wurde mit lautem Heulen, das ein Löwenrudel in die Flucht geschlagen hätte, auf die andere Seite des breiten Hauptganges getrieben. Dann verschwanden sie in einem der Durchgänge, die zu den Wohnmodulen führten.

      »Was war das denn?«, entfuhr es mir.

      Rogers nickte mir grimmig zu.

      »Zthronmic.«

      Ich blies die Backen auf. »Hoffe, sie sind auch – neutral …«

      Rogers setzte sein Ausbildergesicht auf. So hatte er uns auf der Akademie einige unerträgliche Grausamkeiten der Sineser geschildert, um dann die Bemerkung anzuschließen: Und nach diesen Vorgeplänkeln begann die eigentliche Schlacht!

      »Sie unterhielten traditionell gute Beziehungen zu Sina«, führte er aus. »Sina bediente sich ihrer als Bluthunde, die man dorthin schickt, wo es am heißesten hergeht.«

      Ich schluckte.

      »Das Stabslog«, warf Jennifer ein, »führt sie offiziell unter den Neutralen.«

      Meine Streberin! Aber auch sie war blass geworden, als das Kommando vorübergestampft war.

      »Wenn das die Neutralen sind«, versuchte Reynolds zu witzeln, »möchte ich nicht wissen, wie unsere Gegner aussehen.«

      Rogers ging nicht darauf ein. »Sie kämpften für die Sineser, stets in vorderster Front, was mit ihrem militärischen Ethos und ihrem Ehrenkodex zusammenhängt. Periodisch gingen sie auch wieder auf Distanz zu Sina. Ob das taktische Gründe hatte, weil sie den Preis für ihre Einsätze hochtreiben wollten, oder politische, haben wir nie herausbekommen. Zur Zeit unserer Auseinandersetzung mit dem Sinesischen Imperium machten sie eine ihrer neutralen Phasen durch.«

      »Zum Glück«, stöhnte ich. Die Sache war hart genug gewesen. Die bloße Vorstellung, auch noch auf solche Monstra zu stoßen, krampfte mir im Nachhinein den Magen zusammen.

      »Aber vor Persephone«, fuhr Rogers unbeeindruckt fort, »hatten wir mit ihnen zu tun. Ich kann euch das bei Gelegenheit ja mal erzählen.« Er grinste. Ich malte mir eine seiner gefürchteten Vorlesungen aus, bei denen er – die Hände hinter dem Rücken verschränkt – im Hörsaal hin und her zu gehen und stundenlang den Ablauf einer Schlacht in Echtzeit zu referieren pflegte. Ich erinnerte mich, dass der Namen der Zthronmic das eine oder andere Mal gefallen war. Aber wir waren ihnen niemals in natura begegnet. Im Nachhinein beglückwünschte ich mich abermals dazu.

      »Ich habe keine Geschlechtsmerkmale feststellen können«, sagte Jennifer.

      Warum mussten Frauen immer auf dieser Gender-Masche herumreiten.

      »Bei den Amish hast du das auch nicht herausgestrichen«, sagte ich.

      Sie schüttelte wieder den Kopf, als könne sie nicht fassen, wie sie ihr halbes Leben mit so einer Niete wie mir habe verbringen können.

      »Die Amish sind Menschen«, säuselte sie. »Aber das hier …«

      »Vielleicht haben sie ihre Weibchen daheim gelassen«, versuchte Reynolds, der wie immer auf Ausgleich bedacht war.