Ein Leben in zwei Welten. Gottlinde Tiedtke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gottlinde Tiedtke
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Эзотерика
Год издания: 0
isbn: 9783946959793
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Entlarvung

       Shivas Tanz

       Wie alles zusammenhängt - Leben für Leben

       Babaji ist keine Religion, sondern Wahrheit, Einfachheit und Liebe

       Sadhus, Dämonen und ein Weltenwandler

       Karma Yoga

       Der Himmel ist in uns und alle Wege führen zu Babaji

       Herr der Elemente

       Gott kennt keine Grenzen - er ist wahre Liebe

       Ein Koch, ein Schirm und eine Schlange

       Die große Reise

       Ein Abschied, der keiner ist

       Haidakhan ist überall – Jahre der Erkenntnis

       Von der Überwindung des Geistes und dem anderen Haidakhan

       Ein Buddha, ein Kind und ein König, der den Kopf verliert

       Epilog

       Briefe aus Haidakhan

       Hansu Babas Tagebuch

       Chandras Tagebuch

       Babajis Lehren

       Glossar

       Literaturhinweise

       Fußnoten

       Impressum

      Die Gabe

      Man hatte meiner Mutter wohl die Gabe der Traumvorhersehung in die Wiege gelegt. Bereits im Alter von fünf Jahren träumte sie alltägliche und auch erschreckende Dinge voraus. Die Träume sollten es sein, die unser aller Leben über Generationen hinweg bestimmen und leiten sollten.

      „Na, wie haben wir denn heute Nacht geschlafen?“, fragte mein Großvater meine Mutter, während er gemütlich auf der Ofenbank saß und in der bunten Kaffeemühle den Frühstückskaffee mahlte. Die Luft war durchtränkt vom Duft frisch gemahlenen Kaffees.

      „Papa, ich habe geträumt, dass sie heute einen Toten bringen, und du musst da sein zum Unterschreiben“, erzählte meine Mutter eifrig.

      Mein Großvater war Schulleiter, zweiter Bürgermeister und Kantor. Kurz nach dem Frühstück klopfte es und der Gemeindehelfer stand vor der Tür.

      „Herr Kantor, wir haben einen Toten dabei, anscheinend wieder ein russischer Gefangener, der sich verirrt hat. Wir brauchen Ihre Genehmigung für die Durchfahrt nach Sebnitz.“

      Mein Großvater nickte und unterschrieb.

      Wir schrieben das Jahr 1914 und der Erste Weltkrieg hatte gerade begonnen. Russische Gefangene wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet und nutzten jede Gelegenheit zur Flucht. Dann verirrten sie sich in der steinigen, kargen Landschaft der sächsischen Schweiz und starben kläglich.

      Meine Mutter war unerschrocken und neugierig. Es reizte sie ungemein, den Toten genau zu studieren. In einem Augenblick, in dem sie sich unbeobachtet wähnte, zog sie leicht an dem Tuch, das sein Gesicht bedeckte.

      Ihr Vater ertappte sie und fragte leise: „Ist das der Mann aus deinem Traum?“

      „Ja, ich erkenne ihn wieder, genau so sah er aus.“

      Für meinen Großvater war dieser Vorfall nicht außergewöhnlich. Meine Mutter hatte schon oft etwas vorausgeträumt und empfand diese Fähigkeit als vollkommen normal, ja sie glaubte sogar, dass jeder über sie verfügte.

      Meine Mutter war die Älteste von sechs Geschwistern, benannt nach der Heiligen Johanna von Orleans, die meine Großmutter zutiefst bewunderte. Diese war eine sehr resolute Frau, klein von Gestalt, aber mit außergewöhnlichen Fähigkeiten gesegnet.

      So wie auch meine Urgroßmutter Katharina, die bereits zur damaligen Zeit viel Aufsehen auf sich zog, als sie ganz in Schwarz gekleidet mit ihrer Kutsche bei Wind und Wetter über die Kämme des Erzgebirges fegte, um das von ihren Sägemühlen erwirtschaftete Geld einzutreiben.

      Meine Urgroßmutter Katharina hatte ihrem Mann das Leben gerettet, als die Franzosen ihn 1870 im Krieg erschießen wollten.

      An einem schönen Sommertag sah sie die Feinde von weitem kommen und band ihn kurzerhand unter das Mühlrad, wo er unentdeckt blieb – und überlebte.

      Nach zwölf Ehejahren starb mein Großvater und ließ sie mit zwölf Kindern zurück. Jedes von ihnen trug einen Namen aus einer Oper: Tristan, Isolde, Melusina, Aida, Carmen, Salome, Giovanni, Othello, Genoveva, Daphne, Carlos und Tosca.

      Meine Großmutter Tosca wurde im November 1882 geboren. Sah man von einem missgestalteten Klumpfuß ab, war sie von schöner Statur. Sie hatte dunkelbraune, fast schwarze Augen, denen nichts zu entgehen schien. Ihre langen dunklen Haare trug sie immer in einem strengen Dutt. Meine Großmutter war pragmatisch, schon damals sorgte sie dafür, dass jedes ihrer Kinder eine gute Ausbildung erhielt. Das galt auch für meine Mutter, die wie sie zur Diakonissenschwester ausgebildet wurde.

      Was meine Großmutter Tosca aber wirklich auszeichnete, waren ihre intuitiven Fähigkeiten. Nachdem sie viele Jahre als Krankenschwester gearbeitet hatte, entschied sie sich eines Tages, auf Bitten eines Arztes eine Stelle in der nah gelegenen Heilanstalt für psychisch kranke Menschen anzunehmen.

      Meine Mutter interessierte sich brennend für die Geschichten der sogenannten „Verrückten“.

      Einmal erzählte meine Großmutter von einer Frau, die in jeder ihrer Schwangerschaften derart durchdrehte, dass ihr Mann sie in einem Möbelwagen anliefern musste, da sie wild um sich schlug und alles demolierte. Obwohl sie eine zarte Person war, hatte sie eine unglaubliche Kraft. Niemand traute sich an sie heran, aber meine Großmutter ging ruhig und gefasst auf sie zu, sah ihr in die Augen und sprach mit ihr. Dann wurde die Frau ganz handsam und benahm sich wie ein erschöpftes Kind.

      Kurz nach der Geburt waren alle Symptome verschwunden und sie war wieder vollkommen normal.

      Eine andere Frau, eine sehr vornehme Dame, die von ihrem Mann betrogen worden war und dies nicht verwinden konnte, hatte meiner Großmutter aus Apfelkernen und Haar in mühseliger und unvorstellbarer Feinarbeit einen ganzen Mantel geknüpft. Als diese Frau dann Jahre später starb, schlug die