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»Zum Glück, sonst wäre dieses Treffen heute ins Wasser gefallen.« Simone lachte erleichtert.
»Und was gibt’s bei dir Neues, noch kein neuer Lover in Sicht?«
»DU hast ja gut spotten! Du mit deinem Alphamann.« Simone war seit einem halben Jahr mit Holger verheiratet und quasi noch in den Flitterwochen, wie ihr Gatte beharrlich und scherzhaft anmerkte. Zwei Jahre zuvor hatte es bei ihnen mächtig gefunkt auf dem Wochenmarkt. Beide wählten unabhängig voneinander, jedoch nebeneinander vor dem gleichen Marktstand platziert, je drei grüne Gartengurken, welche die Verkäuferin eifrig zusammen in eine Plastiktüte packen wollte. Auf Simones,
»Bitte in Extratüten!«, schüttelte die Frau den Kopf, verpackte das Gemüse in einzelne Tüten, zog aber den Betrag für sechs Gurken bei Holger ab. Nach gemeinsamem Lachen auf den verständnislosen Blick der Marktfrau lud Holger Simone zum Kaffee auf den Domplatz ein und zwei Stunden später, zum gemeinsamen Besuch aufs Rebblütenfest in Laubenheim am Abend. Quasi fast über Nacht wurden sie seitdem ein Paar und unzertrennlich bis heute. Mona erzählte von ihrem Job auf dem Lerchenberg und der Arroganz mancher Redakteure, die Studenten manchmal scheinbar mit besseren Dienstboten verwechselten. »Gibt es da keine knackigen Jungs bei den vielen Männern, die dort um dich herum arbeiten?«
»Schon. Aber entweder sind sie liiert, schwul oder ständig belagert von blutjungen, goldblondschöpfigen Assistent- oder Praktikant/innen. Diese Girlies löchern die aufgeblasenen Typen mit belanglosen Fragen, schmieren ihnen klebrigen Honig ums Maul und vermitteln ihnen ständig, wie toll sie sind, während sie ihnen mit bauchfreien T-Shirts und knappen Miniröcken fast ins Gesicht kriechen. Seufz! Doch wie sollen die geschmeichelten Herren der Schöpfung, da auch widerstehen können?«
Nach kurzer Atempause räumte Mona schnell noch ein,
»Na ja, natürlich nicht alle.«
»Du brauchst dich doch nicht zu verstecken mit deiner roten Mähne und der Figur. Sicher erntest du viel Positivresonanz, wo du auch auftauchst, oder?«
»Schon … aber die ZDFler wissen auch, dass ich mit Micha fast drei Jahre liiert war und so viel Zeit ist noch nicht vergangen seit unserer Trennung.«
»Apropos, ich hab was für dich, direkt aus Frankfurt importiert, wohin Ingrid mich zum Einkaufsbummel gezwungen hat.« Simone kramte ein schmales, rechteckiges Päckchen in buntem Geschenkpapier aus dem Rucksack und legte es vor ihr auf die Tischplatte. Gespannt riss Mona es auf. Zum Vorschein kam ein orangefarbener Karton mit der kleinen Aufschrift: »prince charming putty« und darüber in groß – Traumprinzenknete.
»Ich dachte an dich und konnte nicht widerstehen«, meinte Simone fast entschuldigend, als Mona das Mitbringsel nicht gleich kommentierte.
»Danke, du Liebe. Aber super, so was kenne ich gar nicht.« Die Freundin lachte erleichtert: »Lies doch mal die Rückseite.«
›Wünsche gehen in Erfüllung, wenn man fest an sie glaubt! Knete dir deinen Traumprinzen; hier drin findest du eine Anleitung und alles, was du brauchst, um deine Wünsche wahr werden zu lassen!‹
»Da muss ich doch gleich mal nachsehen.«
Nach vorsichtigem Öffnen kam eine etwa zehn Zentimeter lange, dünne Stange von grünem Knet zum Vorschein.
»Das reicht ja nicht mal, um ein bestes Stück nachzubauen«, bemerkte Mona grinsend.
»Dann musst du dir eben noch einige Hundert Päckchen davon besorgen und bald mit modellieren beginnen, damit das noch was wird in diesem Sommer.«
»Genauso!«
»Hab im Frankfurter Fritz-Heft auch mal die, ›Er, sucht Sie&Sie sucht Ihn‹-Rubriken für dich gecheckt.«
»Und?«
»Wie wäre es mit »Heißblütige, kaltschnäuzige, naturrothaarige Hexe als Flugbegleiterin zum Blocksberg oder sonst wohin gesucht! Könnte doch passen, oder?«
»Vielleicht hat diese Bibi noch einen Termin frei. Wesentlich spannender ist es, zufällig auf jemanden zu treffen, natürlich beidseitig hin&weg und dazu noch frei zu sein. Wie im Film immer. Die Liebe auf den ersten Blick mit dem oft zitierten Märchenprinz eben! Dann muss es nur noch klappen mit dem zermürbenden Alltagsgrau. Da, wo die Filme meistens enden. Ist doch kinderleicht, ha, ha!«
»Aha, Galgenhumor, Mona? Dazu bist DU doch noch viel zu jung. Viele sind beruflich so engagiert, dass sie die Zeit für dieses hollywoodreife Finden einfach nicht haben, schau dir mal die Datingseiten im Web an. Ein Versuch wäre es doch wert.«
»Notstand hab ich noch nicht. Ich lass mir Zeit, auch wenn es Jahre dauert. So etwas Lauwarmes, nein danke, da bleibe ich lieber Single. Wenn, dann möchte ich mich wieder so richtig verlieben! Das volle Programm mit den tanzenden Schmetterlingen im Bauch, Wochenenden und endlose Nächte voller Lust und Leidenschaft, Traumschlösser in den Wolken oder Frühstück bei Tiffanys und vielleicht auch irgendwann… Liebe? Ist das etwa zu viel verlangt?«
»Nö, ach was. Verlieben ist toll, alles ist so neu und interessant und jeder Joke ist witzig. Und manchmal geht es wirklich rasend schnell, Amor zielt einmal haarscharf und der Pfeil – landet mitten im Herz. Glaube einer wunschlos glücklichen Ehefrau.«
»Vielleicht verirrt sich ja eine Sternschnuppe, die Wünsche erfüllen kann, direkt zu mir!«
»Du Kindskopf! Apropos, ‘ne witzige Anzeige von einer älteren Frau hab ich entdeckt, darauf meldet sich bestimmt einer.«
»Echt? Lass mal hören.«
Simone blätterte zur markierten Seite und las vor: Verrückte, mollige Hexe (50) will zum letzten Mal, dem Zauber der Liebe erliegen. Lass uns gemeinsam den Kessel zum Kochen bringen, für den Rest unseres Daseins. Mickrige, knauserige und verknöcherte Möchtegernzauberer werden auf der Stelle in Kakerlaken verwandelt, zauberhafte Zuschriften mit Konterfei garantiert beantwortet!
»Klasse, oder? Als Singlemann im passenden Alter würde ich sofort antworten.«
»Doch wirklich, sehr originell! Sogar lästige Zeitgenossen geschickt im Text ausgebremst.« Mona berichtete von der Uni, wo kurz vor den Semesterferien nicht mehr viel lief; von Troll, der wieder bei ihr einquartiert war; vom Abend vorher beim feuchtfröhlichen Absturz mit Kommilitonen in die Eröffnung des Johannisfestes und vom Parkfrust frühmorgens. Diesen konnte Simone nachvollziehen aus eigener Erfahrung und selbst ihr Gatte beim BKA blieb von emsigen Politessen nicht verschont. Er musste seine zugegeben wenigen Strafzettel ebenfalls begleichen, trotz der Mitgliedschaft beim verwandten Verein.
»Vermutlich eine besondere Spezies von Weibern, die diesen Job gerne ausüben. Der überwiegende Teil sind sicher im Schnellverfahren geschulte Hausfrauen, die sich dort aufplustern können wie Kampfhennen. Nichts gegen Hausfrauen, aber von mir aus könnten diese Damen die Knöllchen verteilen, wo der Pfeffer wächst.«
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Die Freundinnen balancierten sich relativ zügig entlang der Kaufhausfassaden und durch die wabernde Menschenmenge zum Platz der Vereine, neben Liebfrauenplatz und Gutenbergmuseum gelegen, wo die angestrebte Zeremonie des Buchdruckergautschens schon in vollem Gange war. Mona wusste zwar, dass dieser mittelalterliche Brauch nach dem Ende der Lehrzeit von Buchdruckern- und Setzern, kurz vor Aufnahme in die Handwerkerzunft, angewandt wurde.
Doch live hatte sie diese Touristen- und Einheimischen-Attraktion noch nie gesehen. Obwohl die traditionelle Taufe jedes Jahr beim Johannisfest, mit den Printnachfahren vorgeführt wurde, als Hommage an Johannes Gensfleisch zu Gutenberg, den berühmtesten Sohn der Stadt Mainz. Ursprünglich bedeutete es wohl das symbolische Abwaschen von Sünden dieser Zeit und von Bleibuchstabenstaub.
Großes Halligalli und Geklatsche rund um die SWR4-Bühne, die Massen hörbar begeistert. Sechs kräftige Zunftkollegen tunkten die jungen,