So war es in der DDR und nicht anders. Gerd Leonhardt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerd Leonhardt
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783954888115
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wird das geklärt!“ Dann erschien wohl noch die „BPO“, also die Betriebsparteiorganisation der SED oder auch Unterorganisation der Staatssicherheit. Dies führte letztendlich zu der Regelung, dass ein jeder etwas davon haben sollte: Die Ungarn bekamen Arbeit und die Deutschen etwas mehr Geld. Weil die „Gastarbeiter“ aus Ungarn eine Minimiete bezahlen sollten, wurde diese daraufhin noch weiter gekürzt, und somit war der erste Frieden gerettet.

      Wohnungen waren knapp, und jeder, der in seinem Betrieb einen AWG-Vertrag abschließen konnte, war froh. Derjenige wusste, in ein paar Jahren konnte er mit der Familie eine staatsfinanzierte Neubauwohnung beziehen. Die AWG, genannt „Arbeiter- und Wohnungsbaugenossenschaft“, war eine staatlich-betriebliche Organisation, in die eigentlich jeder eintreten konnte. Er sollte jedoch verheiratet sein, wenigstens ein Kind haben, in Schicht arbeiten oder auch bei den bewaffneten Organen tätig sein. Hinzu kamen noch viele andere Aspekte die bei einer solchen Vergabe die entscheidende Rolle spielten. Ein Teil wurde auch vom Staat, sprich vom entsprechenden Betrieb, mitfinanziert, und der andere Teil musste bezahlt und mit Eigenleistungen erbracht werden.

      Kurze Zeit danach kam der nächste Mitarbeiter-Schub aus Ungarn. Und diesen neuen Arbeitskräften wurde mitten in der Stadt ein komplettes Hochhaus zugesagt. Dieses Haus war gerade erst fertiggestellt worden, und die Bürger von Karl-Marx-Stadt sollten dort einziehen. Viele der Ein-, Drei- und Vierraumwohnungen waren bereits für die Bürger der Stadt eingeplant, und sie hatten jahrelang gewartet. Rigoros wurde ihnen mitgeteilt, es gäbe im Moment noch keine Wohnungen. Wie war das doch mit dem „Staatseigentum“? Wer sind denn nun die Herren in der DDR? Die einfachen Bürger keinesfalls. Dieses Hochhaus wurde daraufhin im Volksmund auch „Paprikaturm“ genannt. Nichts gegen die ungarischen Bürger, sie freuten sich und hatten Arbeit. Die Mädchen aus der Stadt belagerten förmlich den „heißen“ Turm, und wir versuchten mit ihnen auszukommen.

      Da es in Borna (bei Karl-Marx-Stadt) nur zwei Gaststätten gab, waren die „Buden“ abends immer voll. Voll waren sie aber auch schon, bevor die Ungarn kamen. Also zeigten sich langsam die ersten Spannungen. Man versuchte zuerst noch im Billardländerwettkampf die dicke Luft zu zerstäuben, doch nachdem die beiden Seiten genügend verloren hatten, kam, was kommen musste: Wir standen uns im Weg. Meine Freunde und ich hielten uns raus aus den „Plänkeleien“. Erst gab es fast jeden Tag abends Keilereien, und später stahlen ein paar Idioten den Ungarn ihre Motorräder, die sie sich hart erarbeitet hatten. Aber es sollte noch anders kommen.

      Im Laufe der nächsten Jahre wurden verschiedene Gebiete der DDR, in denen die Industrie vorrangig war, mit „Saisonarbeitern“ förmlich überschwemmt. Nach den Ungarn trafen die Polen in unserer Stadt ein.

      Da jeder Arbeit hatte, konnte auch niemand sagen, die würden uns die Arbeit wegnehmen. Nein, ganz im Gegenteil! In der DDR hatte ein jeder laut Gesetz nicht nur das „Recht auf Arbeit, sondern auch die Pflicht zur Arbeit“. Wer länger als eine Woche keiner geregelten Tätigkeit nachging, konnte von der Volkspolizei vorgeführt werden und wegen „Landstreicherei“ – Sie kennen das schon – mit Gefängnis bestraft werden! In diesem Staat existierten keine Arbeitslosen. Wer nicht arbeitete, erhielt auch kein Geld! Es gab keine Sozialhilfe oder ähnliches. Warum auch? Arbeit war mehr als ausreichend vorhanden, und qualifizieren konnte sich jeder. Natürlich blieb den meisten ihr Berufswunsch verwehrt, aber zählt das, wenn man überhaupt erst einmal Arbeit hat?!

      Mit den Polen kamen die ersten weiblichen Arbeitskräfte, die auch in der DDR einen Berufsabschluss machen konnten. Die polnischen Arbeiter verstreute man im ganzen Land, von Frankfurt/Oder bis nach Annaberg-Buchholz im Erzgebirge. Im Norden waren viele Frauen von ihnen in der Fleischindustrie beschäftigt, wo man sich im Fernsehen darüber beschwerte, die Deutschen würden zu schnell arbeiten. Im Süden waren sie beim VEB „Kupferring“ im Erzgebirge tätig. Ich habe vereinzelte Polinnen kennengelernt. Darunter fanden sich einige bildhübsche junge Damen. Nur die Zähne – eine sehr traurige Kombination! Des Weiteren kamen nach Karl-Marx-Stadt Menschen aus Bulgarien, Kuba (genannt Kubbis), Vietnam (genannt Fidschis), Mosambikaner (genannt Mosis) und Russen, diese vertreten in der gesamten DDR mit über 750 Stützpunkten! Aber letztere waren nicht zum Arbeiten da, sondern um auf uns aufzupassen und auszubeuten. Es waren ja unsere „Brüder“, und diese werden einem ja vorgesetzt! Freunde kann man sich bekanntlich aussuchen. Viele der „Saisonarbeiter“ konnten ihren ersten ordentlichen Beruf erlernen, den sie dann in ihrer Heimat ausüben konnten. Im Allgemeinen waren sie so zwischen drei bis sieben Jahren da, um anschließend mit anderen Mitbürgern ihres Staates ausgetauscht zu werden. Dies erwies sich für die DDR als große Stütze, zumal ja der Ostteil Deutschlands in Osteuropa das „Aushängeschild“ war und Vorbildcharakter haben sollte. In den Jahren 1969 bis 1970 ging es nach unseren bescheidenen Lebensvorstellungen wohl auch ganz schön vorwärts. Ulbricht musste etwas tun, sprich einkaufen, denn die Genossen hatten sich kurz nach dem Bau der Mauer verpflichtet, in sieben Jahren die Bundesrepublik Deutschland nicht nur einzuholen. Nein, es galt der Spruch: „Überholen ohne einzuholen.“ Ein sinnloser Versuch, die florierende Marktwirtschaft im Westen mit „Rotem Terror“ und Unterdrückung der Bevölkerung gleichzusetzen.

      Wie sagte man doch so schön: „Zwei Apfelsinen im Jahr und zum Parteitag Bananen.“

      Allein die Tatsache, dass ein Teil unserer „Gastarbeiter“ den in der DDR ausgeführten Beruf in ihrer Heimat gar nicht ausüben konnte, war den Politquacksalbern in Ostberlin egal. Also schnappten sich viele junge „Zeitgastarbeiter“ eine einheimische Frau, und die wurde auch geheiratet. Das Ende vom Lied, sie brauchten nicht wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Nicht umsonst ist der Ostteil Deutschlands mit ehemaligen Bürgern aus diesen Staaten gut „besetzt“.

      Hier aber ein Schnitt! Alle wussten, nur wer arbeitet, durfte bleiben. Damals gab es in Ostdeutschland, dank fehlender Arbeitsloser, auch keine Sozialhilfe.

      Die Bevölkerung reagierte zusehends sauer, denn ein großer Prozentanteil des staatlichen Wohnungsbaus wurde nur für diese Gastarbeiter verbaut. Wenn wieder einmal ein paar Tausend '„Saisonarbeitskräfte“ nach Vertragsende in ihre Heimat fuhren, mussten sämtliche Häuser komplett renoviert werden. Natürlich erfolgte das auf Kosten der Bevölkerung. Ganze Horden ausländischer Krawallmacher zogen besonders an den Wochenenden durch die Stadt und liefen ganz bewusst dorthin, wo es „rundging“. Da gab es eine Großgaststätte, in welcher ich später auch musikalisch gastierte, mit dem wohlklingenden Namen „Schlachthof“. In der Nachbarschaft war der Stadtschlachthof und davor befand sich ein Hotel mit gleichnamigem Tanzsaal. Also schon vom Namen her der „ideale“ Platz, um die „Friedliche Völkerverständigung“, wie es in Ostberlin hieß, praktisch zu erleben und mit „Leben zu erfüllen“.

      Langsam wurde es auch zur Gewohnheit, dass inzwischen schon die schönsten und größten Wohnungen mit der besten Sicht auf die Innenstadt den Bürgern aus fernen Ländern vorbehalten war. So auch nach dem Putsch in Chile. Mehrere Tausend Chilenen suchten Zuflucht in die DDR und wurden logischerweise großzügig unterstützt von unserer nicht gewählten Regierung. Hunderte Großplattenwohnungen wurden den Immigranten voll möbliert zur Verfügung gestellt! Als letzte Gruppe kamen ein paar Hundert junge Menschen aus Libyen zu uns. Hier kündigte man uns an, sie seien allesamt „Arbeiterkinder“, denen es nicht so gut gehe wie uns. Die Bürger waren aber gar nicht so arm, wie man uns beizubringen versuchte, denn ihre frei konvertierbare Währung – davon hatten sie überaus reichlich – war sehr beliebt bei den jungen ostdeutschen Damen. Schließlich konnte man damit im „Intershop“ einkaufen. Wer es nicht weiß, ein „Intershop“ in der DDR war ein Geschäft, in dem man Waren aus der BRD kaufen konnte und gar noch etwas billiger als dort.

      Jetzt aber etwas zum Lachen. Eine der breitesten Straßen in Karl-Marx-Stadt war die Karl-Marx-Allee in der Mitte der Stadt. Direkt vor dem Haus der ehemaligen SED-Bezirksleitung hatte der sowjetische Bildhauer Lew Kerbel im Jahr 1971 seinen überdimensionalen 12 Meter hohen Karl-Marx-Kopf aufgestellt. Und dieser Kopf schaute direkt gegenüber in den „Intershop“ hinein. Was wird Karl bloß so gedacht haben über unsere DDR-“Aluminiumwährung“? Die Straße heißt heute noch die „Die Schädelgasse“.

      Die Libyschen Jungen waren sehr beliebt bei den Mädchen, denn sie