Er hatte Recht. Sobald der Kurs Kontakt aufnahm, fingen alle an zu lachen. „Er ist so überzeugt von sich!“ „Was für ein Ego!“ riefen die Frauen aus. „Er ist ein totaler Egomane! Er sagt, er sei der schönste Kater auf Erden!“ gluckste eine Frau. „Er sagt, dass man ihm immer sagt, wie schön sein Fell gezeichnet ist!“ rief eine andere aus. Au wei, dachte ich, jetzt haben wir‘s. Sie stellen sich auf den richtigen Kater ein.
Eine Schülerin rief: „Er sagt, dass er der einzig orange-gestreifte Kater der Welt ist!“ Er war der einzige orangefarbene Kater im Gebäude und angeblich in der ganzen Nachbarschaft. Wenn er niemals eine andere orangene Katze gesehen hatte, dann konnte ich verstehen, wie er zu jenem Schluss kommen konnte. Eine Fahrt zu einer abessinischen Katzenschau hätte seine Eitelkeitsblase sicherlich zum Platzen gebracht.
Ich schlug der Gruppe vor, Rodney zu fragen, was er von meinem Freund hielt. Die Antwort war fast einstimmig: „Er ist sehr eifersüchtig. Er möchte sein Frauchen nicht teilen. Er will, dass dein Freund auszieht. Er wünscht sich, dass dein Freund verschwindet.“ Wieder tauchten jene Worte auf: Geh fort. Das rüttelte mich wirklich auf. Nach unserem langen, lebhaften Gespräch mit Rodney entließ Gladys die Klasse. Rodney war der Ausklang gewesen. Wir stolperten alle in Richtung unserer Autos, benommen und in Ehrfurcht davor, wie dramatisch sich unsere Vorstellung von Realität verändert hatte.
Als ich nach Hause fuhr, war ich völlig durcheinander. Wenn man mit Tieren sprechen kann, wenn ich mit Tieren sprechen kann, wenn Tiere sprechen können – die Konsequenzen waren gar nicht abzusehen. Wenn Tiere sprechen können, kann ich zum Zoo gehen und - mir schauderte. Wenn Tiere sprechen können, dann sind die Kühe in den Schlachthäusern – mir brach der Angstschweiß aus.
Will ich diese Verantwortung überhaupt auf mich nehmen? Sie können es mir sagen, wenn sie krank sind. Diese Idee gefällt mir. Aber, wenn alle Tiere denken und Schmerz fühlen können, ich meine alle Tiere, die in Käfigen – meine Augen schwammen in Tränen.
Der Horror der Tierexperimente brach auf mich herein, und die Welt verlor ihren Zauber. Auf einmal schien das Leben auf dieser Welt unerträglich geworden zu sein. Mit der unglaublichsten Freude, die ich jemals in meinem Leben gefühlt hatte, kam die unerträglichste Qual. Ich konnte mit Tieren kommunizieren, aber ich würde mich nie mehr dem entsetzlichen Leid entziehen können, das sie durch menschliche Hände erleiden.
Ich würde alles fühlen, was sie fühlen, und denken, was sie denken. Ich würde mit ihnen ihr Leid durchleben – ihre Verwirrung, die Erfahrung, verraten zu werden, ihre Wut und ihre Hilflosigkeit angesichts unserer unfassbaren Grausamkeit.
Jede Gabe hat ihren Preis. Je größer die Gabe, desto höher der Preis. Für die herrlichste aller Gaben forderte Gott, dass ich meinen kostbarsten Besitz eintauschte: meine Unschuld.
Die Gabe entwickeln
Ich war damals vierundzwanzig Jahre alt. Mein Job als Jazztänzerin laugte mich aus, und als Schauspielerin musste ich mich ziemlich abstrampeln. Ich war hochgradig abgestumpft und hielt mich gerade noch am Funktionieren. Zwar hatte ich auch ein paar übersinnliche Erfahrungen gehabt, aber das waren eher Zufallstreffer gewesen. Im Nachhinein sehe ich meine frühen Zwanziger als eine Zeit an, in der ich verzweifelt versuchte, meine Sensibilität zu unterdrücken, was mir nur allzu gut gelang. Die Gefühle von Tieren kümmerten mich nicht im mindesten, und einmal war die Katze eines Mitbewohners sogar auf meiner Couch gestorben, ohne dass ich es bemerkt hätte. Aber die Tiere weckten mich auf. Die Tiere lehrten mich.
Ich war mit dem Tanz und mit metaphysischen Büchern aufgewachsen. Ich tanzte sechs Tage pro Woche, manchmal acht Stunden am Tag. Das hatte mich gelehrt, mich in Stille zu konzentrieren. Ich hatte gelernt, ohne Worte zu beobachten und zu kommunizieren, zuzuhören und sofort zu antworten, mich vollkommen dem Moment hinzugeben, in der Bewegung zu meditieren, dem Schmerz nicht auszuweichen, sondern durch ihn hindurch zu atmen, trotz Schweiß, Krankheit, Leid und Verletzung weiter zu arbeiten und durch die mächtigste Kraft des Universums Selbstachtung aufzubauen – durch Anmut. Wenn ich nicht tanzte, las ich. Ich verbrachte Jahre hinter den Bühnen der verschiedenen Theater, kauerte im Halblicht, blinzelte über den Schriften von Edgar Cayce, Jane Roberts, Taylor Caldwell und Ruth Montgomery. Medien faszinierten mich, ich suchte sie auf, ich las über sie, aber ich glaubte nie an meine eigenen übersinnlichen Fähigkeiten. Ich hätte mich totgelacht, wenn man mir vor zehn Jahren gesagt hätte, dass ich einmal als berufliches Medium arbeiten würde.
Allerdings war ich so sehr von der metaphysischen Philosophie durchdrungen, dass ich an jedem neuen Wohnort immer sofort zur zuständigen Hexe oder zum widerwilligen Ghostbuster auserkoren wurde. Völlig normale, unauffällige Leute riefen mich an, wenn sie psychisch im Schlamassel steckten, und erzählten mir Dinge, die sie keinem anderen gegenüber zu erwähnen gewagt hätten. Eine recht harmlose Freundin rief an und erzählte mir, dass ein Poltergeist in ihrer Garage ihre Plastik-Babypuppen in der Luft schweben ließ. Wen sollte sie rufen, um dem Spuk ein Ende zu setzen? Mich natürlich. Eine andere, sehr schwatzhafte Freundin klagte mir, ihr neuer Freund hätte ihr anvertraut, dass er sich in einen Wolf verwandeln könne. Sie ließ ihn sofort fallen, und bei wem deponierte sie ihn? Bei mir natürlich. Eine andere Freundin erzählte mir, sie hätte einen Mann getroffen, der erklärte, von den Pleijaden zu stammen - nicht etwa ein Geist von einem entfernten Planeten, der sich im Körper eines Erdlings inkarniert hatte, sondern ein Außerirdischer, der direkt von den Pleijaden kam. (Ich zuckte mit keiner Wimper. Halb Los Angeles stammt angeblich von anderen Planeten.)
Ich selbst habe weder Babypuppen beim Picknick in den Lüften gesehen noch eine Verwandlung à la Ein Amerikanischer Werwolf in London erlebt. Auch den Außerirdischen konnte ich nicht überreden, mir sein Raumschiff zu zeigen. Aber wo auch immer ein ausgeflippter Poltergeist, ein Werwolf oder ein Außerirdischer die Stadt unsicher machten, wurde ich als erste konsultiert. Warum? Meine Freunde hätten auf diese Frage sicherlich einstimmig geantwortet: „Ich wusste nicht, wen ich sonst hätte anrufen sollen. Niemand sonst hätte mir geglaubt.“
Schön und gut, aber jetzt Themenwechsel. Nun bin ich an der Reihe. Dieses Buch wird deine Grenzen auf die Probe stellen. Sehen wir mal, ob du die Nerven hast, mir zu glauben. Ich weiß, diese Erzählungen klingen fantastisch, aber um mir so etwas auszudenken, müsste ich schon genial fabulieren können, und ich versichere dir, das ist nicht der Fall. Ich habe lediglich die Namen und Identifizierungsmerkmale einiger Menschen und ihrer Tiere verändert, um ihre Privatsphäre zu schützen.
Ein einziger Tier-Workshop öffnete mir magische Schleusen – Schleusen, die nach all den Jahren transzendentaler Meditation bereits am Bersten gewesen waren. Ich habe schon immer Lust auf Meditation gehabt. Ich habe jahrelang an wöchentlichen Meditationskursen teilgenommen, die sich auf das Öffnen des dritten Auges konzentrierten, habe mein ganzes Leben lang als erstes begeistert morgens meditiert. Weil Telepathie ohne eine umfassende Schulung in Meditation praktisch unmöglich ist, enthält dieses Buch eine Ansammlung von Meditationstechniken, die mich meiner Ansicht nach zu der Entdeckung führten, dass ich Tiere hören kann. Ich möchte hier die Techniken weitergeben, die meine übersinnlichen Kräfte mobilisiert haben. Telepathie ist eine geistige Disziplin, kein Firlefanz und kein Hokuspokus. Sie kann und sollte keine halbherzige Sache sein. Die Psyche muss genügend Form und Substanz haben, um ihr standhalten zu können, und sie lässt sich niemals erzwingen. Wenn du die Telepathie erlernen möchtest, um Tiere besser beherrschen zu können, werden die Tiere nicht so reagieren, wie du es dir wünschst.
Sobald ich von dem ersten Workshop nach Hause zurückkehrte, übte ich fanatisch mit meinem Kater und konnte mich bald sehr gut in Katzen hineinversetzen. Auf Rodneys Bitte besuchte ich ein Tierheim, in dem man streunende Katzen nicht einfach tötete, und dort erwählte mich ein bezauberndes schwarzweißes kokettes Kätzchen namens Betty. Rodney verliebte sich auf der Stelle in sie, und all seine Probleme lösten sich in ihrer Gesellschaft in Luft auf. Im Laufe des Jahres fand ich dann den berüchtigten Mr. Jones, der sich aus einem Abfalleimer hinter einem der feinsten Fischrestaurants von Los Angeles mit Lachs verköstigte. (Er hatte immer den tadellosesten Geschmack der Welt.) Mr.